Glosse: Von Außen betrachtet

Billo muss nicht schlecht sein!

Apple fehlt seit Jahren ein typisches Einstiegsgerät in die iPhone-Klasse. Inspiration könnte ein Londoner Start-up liefern.

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Colori, Materiali, Finiture – was sich im italienischen Original wie die Zeile aus einer Oper von Giuseppe Verdi anhört, funktioniert auch im Englischen: „Color, Material, Finish“ beschreibt eine Designphilosophie, bei der die funktionalen und sensorisch wahrgenommenen Werte eines Produkts im Vordergrund der gestalterischen Motivation stehen. Mit welchem Unternehmen bringst du einen solchen Ansatz am ehesten in Verbindung? Stimmt, ich auch.

Trotzdem hat sich nicht Apple die Sprache von Farbe, Material und Oberfläche auf die Fahnen geschrieben – obwohl dies einem Sir Jony Ive sicher gefallen hätte. Vielmehr ist es ein in Großbritannien ansässiges Unternehmen, das sich die Philosophie gewissermaßen in die Firmen-DNA tätowiert hat: CMF heißt die Marke konsequenterweise, und sie gehört zum hippen Londoner Start-up Nothing. Das wiederum gründete vor gerade einmal vier Jahren der milliardenschwere chinesische Unternehmer Carl Pei, nachdem er seiner „ersten Liebe“ Oneplus den Rücken gekehrt hatte. Mit dem Nothing Phone geht er seitdem eigene Wege: Auf dessen Rücken informieren aus Mikro-LEDs bestehende sogenannte Glyphen über den Eingang neuer Nachrichten und Anrufe – optisch ansprechend und hochgradig individualisierbar. Eine Warnung für Menschen mit Epilepsie gibt’s anbei.

Weniger ums Bling-Bling, sondern mehr um – nun ja – Farbe, Material und die Oberfläche geht es bei CMF. Klar. Und so weiß die Erstausstattung des gleich komplett vorgestellten Ökosystems aus Handy, Smartwatch und In-Ear-Kopfhörern primär eines: aufzufallen. Und das nicht negativ: Statt ein weiteres Smartphone „von der Stange“ anzubieten, verleiht CMF seinem „Phone 1“ ein paar frische Ideen: Der Rücken ist mithilfe von vier Schrauben (!) abnehm- und mit Fassungen in anderen Farben austauschbar. Verschiedene Accessoires, etwa ein Lanyard, ein Kreditkartenhalter oder ein Aufstellfuß, lassen sich an einer Stativverbindung anbringen. Die „inneren Werte“ reißen niemanden vom Hocker, sind aber solide – ein 120-Hertz-Display gibt’s beim iPhone erst ab der Pro-Variante. Vom iPhone SE wollen wir im Vergleich lieber gar nicht erst reden.

Oder doch: Denn das CMF Phone 1 kostet gerade einmal 269 Euro. Apple verlangt für sein in die Jahre gekommenes Einstiegsmodell 529 Euro. Einen Preisunterschied von 260 Euro schönzureden, fällt wohl selbst den glühendsten Apple-Fans schwer. Zumal sich dem iPhone SE höchstens der Vorteil eines gewissen Retrocharmes zusprechen lässt. Oder anders formuliert: Es sieht gegenüber dem CMF Phone 1 in jeder Hinsicht alt aus.

Würde auch Apple ein – Pardon – Billo-Smartphone gut zu Gesicht stehen, das in erster Linie Spaß bereiten und ein paar neue Ideen ausprobieren will? Warum nicht? Die zweite iPhone-Generation startete schließlich auch für 199 US-Dollar – inklusive Vertrag, wohlgemerkt. Und falls Apple den Ausverkauf der iPhone-Marke befürchtet: Was spricht gegen ein Phone 1 der Tochtermarke Beats by Dre? Farben gibt’s da auch!

Pixel-Smartphone-Fan und Chromebook-Nutzer Thomas Raukamp leistet sich in lockerer Folge einen ironischen Blick aus dem und auf das Google-Universum.

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