Glosse: Von Außen betrachtet

AirTags im Cornflakes-Karton?

So richtig rund läuft’s bei den Keynotes nicht mehr. Vielleicht sollten sich Apple und Google Tipps ausgerechnet von „Tante Käthe“ geben lassen.

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Was fällt dir als letzte Institution zum Thema Innovation ein? Stimmt, die deutsche Fußballnationalmannschaft. Lange Zeit als potenzieller Spaßverderber eines ansonsten famos verlaufenden Samstagabends bekannt und gelitten, fällt ihr Umfeld in den vergangenen Wochen durch eine nahezu revolutionäre Art der Verkündung von Neuheiten auf. Wie sich der Kader zur kommenden Europameisterschaft zusammensetzt, verkündeten nicht irgendwelche Pressesprecher vor einem auserwählten Kreis Schnittchen vertilgender Sportjournalistinnen und -journalisten. Vielmehr strickten die Medienprofis hinter der „Mannschaft“ eine ausgefeilte PR-Kampagne, die die Nominierungen quasi häppchenweise auf verschiedenen sozialen Netzwerken und sonstigen Medien offenbarte.

Die Berufung von Maximilian Mittelstädt erklärte etwa der Musiker Peter Schilling, der seinen nagenden Weltraumschlager „Major Tom“ zuletzt nochmals für die DFB-Torhymne wiederaufbereitete. Antonio Rüdiger nahm seinen Marschbefehl in einer Berliner Dönerbude entgegen. Und mein persönlicher Favorit: Der Stuttgarter Chris Führich erfuhr von seiner Teilnahme mittels eines Aufklebers auf einer Brötchentüte.

Vielleicht wäre der Weg der deutschen DFB-Herrenvertretung ja auch ein Gedankenanstoß für die Tech-Giganten dieser Welt. Die tun sich nämlich mit ihren Keynotes in letzter Zeit schwer. Da wäre zunächst einmal Apple. Zwar wippte Tim Cook auf maßgeschneiderten Nikes agil wie selten in den Knien, um den Mai-Event zum wichtigsten seit der Geburt Christi zu erklären. Seine PR-Abteilung presste dann jedoch Farben, Musikinstrumente, Kameralinsen, Bücher und mehr zusammen, um am Ende ein superflaches iPad Pro entstehen zu lassen.

Ich persönlich glaube ja, dass Apple die Dinger genau so produziert. Kreative aus allen Ländern fanden den Vorstoß jedoch weniger lustig und argwöhnten, dass ein schnödes Tablet per Künstlicher Intelligenz „echte“ Kunst ersetzen solle. Dumm gelaufen. Es sei zu Apples Verteidigung angemerkt, dass die Werbedenkenden in Cupertino halt bislang nicht so viel Übung mit dem Begriff KI haben – bisher wanderten ja für jede Erwähnung 5 Dollar in die Kaffeekasse.


Es sei zu Apples Verteidigung angemerkt, dass die Werbedenkenden in Cupertino bislang nicht so viel Übung mit dem Begriff KI haben. —   Thomas Raukamp

Weitaus inflationärer geht Google damit um: In Mountain View lieben sie ihre AI. Weshalb sie auf der Entwicklungsmesse „Google I/O“ gleich mal die eigene Gemini-App zweckentfremdeten, um nachzuzählen, wie oft sie das Buzzword auf der Eröffnungsveranstaltung nutzten. Das war dann aber auch schon der einzige Witz, der an diesem Morgen zündete. Ansonsten manövrierten sich Sundar Pichai und seine Gefolgsleute durch die meist zähe Präsentation einer Technologie, von der noch niemand weiß, wann sie den eigenen Arbeitsplatz kostet.

Neue Ideen müssen also ran! Wie wäre es etwa mit der Erklärung von KI-Features aus dem Mund einer Klempnerin? Oder der Beilage einer kommenden AirTags-Generation im Cornflakes-Karton? Anruf genügt: Die für den DFB federführenden Agentur „Jung von Matt“ hat sicher noch Platz in der Kasse.

Pixel-Smartphone-Fan und Chromebook-Nutzer Thomas Raukamp leistet sich in lockerer Folge einen ironischen Blick aus dem und auf das Google-Universum.

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