Glosse: Von Außen betrachtet

Haste keine Kohle? Denk halt selbst!

KI soll zur Cashcow für die verschiedensten Technologien werden. Basteln die Unternehmen gerade an einer neuen Zweiklassengesellschaft?

Von   Uhr

Wie lassen sich heute eigentlich Computer verkaufen?

Das ist eine durchaus berechtigte Frage. Denn immerhin ist der Markt mehr als gesättigt. Ob Unternehmen, Organisationen, Universitäten, Schulen – und nicht zuletzt Privatpersonen: Wer einen Computer will, der hat einen. Und wer immer noch keinen besitzt, kommt im Büro oder im öffentlichen Leben nur schwer um die Benutzung herum.

Und tatsächlich: Das vergangene Jahr war eines der schwächsten in Hinblick auf die Anzahl verkaufter PCs. Nicht einmal das MacBook konnte diese Statistik herausreißen – im Gegenteil: Besonders Apple brach stark ein.

Eine neue Cashcow muss also her – und Microsoft und Google meinen diese gefunden zu haben. Und wie sollte es heute anders sein? Die heißt natürlich Künstliche Intelligenz. Warum also nicht eine neue Produktkategorie darum herum basteln – das hat doch schließlich mit den Ultrabooks und den Evo-Laptops schon bestens geklappt!

Gesagt, getan: Passend zum KI-Hype legte Microsoft die Spezifikationen für die sogenannten Copilot-Plus-PCs fest. Der Name ist Programm: Nur diese Geräteklasse bringt laut den Erschaffenden genügend Leistung mit, um alle AI-Funktionen schnell genug auf der Hardware selbst auszuführen. Im Falle einer eher kontrovers aufgenommenen Neuigkeit ergibt dies durchaus Sinn: „Recall“ nennt sich die Erinnerungsfunktion von Windows 11, die alle paar Sekunden einen Screenshot der Arbeitsbildschirme liefert. Um diese in Echtzeit auszulesen und zu interpretieren, bedarf es einer zeitgemäßen „Neural Processing Unit“. Und diese NPU liefert eben nur die neue Geräteklasse.

Microsoft zuvorgekommen war einige Monate vorher Google. Das Unternehmen rief die „Chromebook Plus“-Spezifikationen aus – eine Mindestanforderung für performante Mittelklasserechner. Die sollten das ohnehin schon federleichte ChromeOS nicht nur noch schneller wuppen, sondern vor allem die Grundlage für – du ahnst es bereits – exklusive AI-Funktionen legen. Diese lieferte Google pünktlich zu den Keynotes von Microsoft und Apple ab. Darunter betriebssystemweite Möglichkeiten zur Unterstützung beim Schreiben von Texten, E-Mails und Nachrichten – hast du schon mal gehört, oder?

Und Google hat noch mehr ins Paket geschnürt: zwölf Monate Gratisnutzung der KI-Anwendung Gemini Advanced. Danach geht’s allerdings weiter mit (aktuell) stattlichen 22 Euro pro Monat.


Wer in den Genuss der höchsten Künstlichen Intelligenz kommen möchte, der muss blechen. —   Thomas Raukamp

Überhaupt: die KI und das Geld. Wer in den Genuss der höchsten Künstlichen Intelligenz kommen möchte, der muss blechen. Egal, ob bei OpenAI oder Google – oder nun auch Apple: Die in dieser Woche neu vorgestellte „Apple Intelligence“ läuft nur auf den aktuellen Flaggschiff-Modellen. Heißt: Erst ab dem iPhone 15 Pro und dem iPhone 15 Pro Max bist du dabei.

Das ist auf der einen Seite verständlich – immerhin möchten die Unternehmen ihre immensen Anfangsinvestitionen zumindest ansatzweise wieder einspielen. Gleichzeitig laufen wir Gefahr, eine neue soziale Schere aufklappen zu lassen: Auf höchstem Niveau privat, in der Ausbildung oder im Beruf mitspielen darf nur, wer genügend Geld mitbringt. Alle anderen müssen draußen bleiben – oder gar gänzlich selbst denken.

Was bei genauerer Betrachtung ja gar nicht mal so unattraktiv klingt. Schließlich ermahnte einst schon die Titelmelodie der Sesamstraße: „Wozu habt ihr Kopf und Hände? Denkt euch selber mal was aus.“

Pixel-Smartphone-Fan und Chromebook-Nutzer Thomas Raukamp leistet sich in lockerer Folge einen ironischen Blick aus dem und auf das Google-Universum.

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