Trivia-Time: Wann erschien das erste Tablet mit einem OLED-Bildschirm? Nein, nicht im Jahr 2019. Und schon gar nicht 2024. Anno 2012 veröffentlichte Samsung das „Galaxy Tab 7.7“, um es exklusiv in Großbritannien anzubieten.
Warum die Südkoreaner ausgerechnet auf der „Insel“ schon früh Interessierte für die „organische Leuchtdiode“ (organic light-emitting diode) vermuteten, bleibt wohl auf immer ungeklärt. Sicher ist hingegen, dass die OLED-Technologie auf Entdeckungen der Elektrolumineszenz in organischen Materialien in den 1950er-Jahren zurückgeht und seit den 1980ern Bestandteil von etwa 6.600 Patenten ist.
Warum erzählen wir dir das alles? Um Apples 2024er-Adaption im iPad mit einer schnippischen Bemerkung zu belegen. Und die lautet: na endlich!
Die Tandem-OLED-Technologie geht auf Entwicklungen des Displayherstellers LG zurück. Entsprechende Bildschirme finden bisher primär in Car-Entertainmentsystemen Verbreitung.
– Tandem-OLED-Displays bieten eine höhere Helligkeit und ein besseres Kontrastverhältnis als herkömmliche OLED-Displays.
– Tandem-OLEDs bestehen aus zwei gestapelten OLED-Schichten, was zu einer höheren Leuchtdichte und einer längeren Lebensdauer führt.
– Die Technologie ermöglicht eine verbesserte Bildqualität mit flüssigeren Bewegungen und gestochen scharfen Bildern.
– Apple hat den neuen M4-Chip zuerst im iPad eingesetzt, um die Vorteile der Tandem-OLED-Technologie zu nutzen.
Mehr Helligkeit dank Huckepack-Verfahren
Zugegeben, die OLED-Technologie ist nicht gänzlich an Apple vorbeigegangen; immerhin verbaut das Unternehmen seit 2017 – und dem iPhone X – entsprechende Displays in seinen Smartphones. Doch Apple wäre nicht Apple, wenn das iPad einfach „nur“ einen weiteren OLED-Screen erhalten hätte. Und so stellte es den aktuellen Jahrgang des iPad Pro mit einem Tandem-OLED-Display vor. Einen feschen Namen haben sich die Werbetreibenden in Cupertino ebenfalls ausgedacht: „Ultra Retina XDR-Display“, bitteschön!
Ein einzelnes OLED-Panel liefert nicht genug Helligkeit für das moderne XDR-Display. — John Ternus, Vizepräsident für Hardware-Engineering bei Apple
Das Besondere: Im Gegensatz zu herkömmlichen OLEDs, die nur eine organische Emissionsschicht besitzen, bestehen Tandem-OLED-Bildschirme aus zwei gestapelten OLED-Schichten. Zusammen mit den dazwischenliegenden Ladungserzeugungsschichten zeichnen sie für die Lichtaussendung verantwortlich.
Und damit wären wir beim ersten entscheidenden Vorteil: Die Tandem-Technologie ist aufgrund der Kombination mehrerer Emissionsschichten zu einer höheren Leuchtdichte fähig als herkömmliche OLED-Screens. Liegen diese zumeist bei einer maximalen Helligkeit von 400 bis 600 Candela pro Quadratmeter, sind die von Apple verwendeten Tandem-Varianten zu einer Spitzenhelligkeit von bis zu 1.600 Nits und einem Standardwert von 1.000 Nits im Vollbildmodus (wenn ein Großteil aller Pixel gleichzeitig mit voller Intensität leuchten) fähig.
Dies löst ein Problem, das mindestens die Marketingabteilung in Cupertino in Erklärungsnot gebracht hätte. Denn das Retina-LCD-Display des 12,9 Zoll messenden Vorgängermodells aus dem Jahr 2022 schaffte es im Vollbildmodus bereits auf bis zu 1.000 Nits – der Wechsel zu einem Standard-OLED-Bildschirm wäre somit als Rückschritt wahrgenommen worden.
Hast du schon Brandgeruch in der Nase?
Zum Vergleich: Heutige OLED-Fernseher erreichen in der vollflächigen Weißdarstellung selten über 250 Nits. Besteht da nicht die Gefahr des Einbrennens? Die Tandem-Technologie bietet auch in dieser Hinsicht Vorteile. Denn während herkömmliche OLED-Displays die gesamte elektrische Last auf einer organischen Schicht tragen, verteilen Tandem-OLED-Bildschirme diese auf deren zwei. In der Praxis bedeutet dies: Jedes Pixel im Stapel muss nur halb so hell leuchten. Dies verzögert den Alterungsprozess und beugt dem gefürchteten Burn-in-Effekt sowie Farbverzerrungen vor.
Hinzu kommt ein softwareseitiger Effekt, den Apple auch beim iPhone einsetzt: Feststehende Elemente etwa in der Menüleiste bewegt das Betriebssystem ständig und für das Auge nicht wahrnehmbar minimal zu beiden Seiten und von oben nach unten hin und her. Dies verhindert ein Einbrennen.
Das vergessen viele: Apple ist kein Monitorhersteller – und hat die Tandem-OLED-Technologie daher auch nicht erfunden. Diese Ehre gebührt vielmehr LG: 2019 unter dem Namen P-OLED entstanden, fanden die aus zwei OLED-Schichten bestehenden Bildschirme in den vergangenen Monaten besonders in Car-Entertainmentsystemen Verbreitung.
Apple lässt sich nicht gern in die Karten schauen – daher ist auch nicht bekannt, wer die Displays für die aktuellen iPad-Pro-Modelle liefert. Neben LG ist Samsung wahrscheinlich: Die Südkoreaner treiben die Tandem-OLED-Technologie ebenfalls seit Jahren voran. Insofern würde es auch nicht verwundern, wenn der Nachfolger ihres Tablet-Flaggschiffs „Galaxy Tab S9 Ultra“ schon bald einen entsprechenden Bildschirm abbekäme.
Ein Tanz aus Licht und Farben
Schon herkömmliche OLED-Schirme glänzen durch ihre Farbgenauigkeit. Anders als die verbreiteten LCD-Monitore ermöglichen sie die unabhängige Aktivierung oder Deaktivierung einzelner Pixel. Für echtes Schwarz schalten sie diese kurzerhand ab – was zusätzlich Strom spart. Das Stapeln zweier OLED-Schichten führt zu einer verbesserten Sichtbarkeit dieser Pixel – und damit zu einem höheren Kontrastverhältnis. Bei den neu vorgestellten M4-Modellen des iPad Pro verdoppelte Apple dieses gegenüber dem 12.9-Zoll-Vorgänger mit Mini-LED-Screen auf den Wert 2-Millionen-zu-1.
Apropos Strom: Der Ladungstransfer zwischen den OLED-Schichten führt zu einem geringeren Energieverbrauch und damit zu einer längeren Akkulaufzeit auf mobilen Geräten.
Vorteile birgt die Technologie zudem für die Bewegungsleistung. Poetisch ausgedrückt: Tandem-OLED-Displays sind Meisterwerke der Physik und Materialwissenschaft, die in einem harmonischen Tanz aus Licht und Farbe Pixel im Bruchteil einer Sekunde zum Leben erwecken und wieder verstummen lassen. Diese präzise Choreografie ermöglicht eine unvergleichliche Kontrolle über die Bilddarstellung, die sich in flüssigen Übergängen und gestochen scharfen Bewegungen selbst bei rasanter Action auf dem Bildschirm, im Spiel oder beim Scrollen äußert.
Vorteil M4
Warum Apple das neue M4-SoC seiner Silicon-Prozessorfamilie ausgerechnet zuerst in einem iPad einsetzt, dürfte mehrere Gründe haben. Einer ist sicher die kurz auf die eigene Präsentation folgende Vorstellung der ARM-Windows-PCs mit den ähnlich leistungsstarken Snapdragon-X-Chips – Apple wollte einfach vorlegen. Ein anderer dürfte in der Integration der Tandem-OLED-Technologie liegen.
Denn zwei OLED-Displayschichten bringen doppelt so viele einzeln ansteuerbare Pixel mit sich. Der M4-SoC beherbergt daher eine neue zehnkernige Grafikverarbeitungseinheit (GPU), die bis zu 120 Mal pro Sekunde Millionen Pixel an- und ausschaltet, die Farben und Kontraste reguliert sowie die Helligkeit bestimmt. Zudem zeichnet sie für grafische Funktionen wie das Raytracing und Mesh-Shading verantwortlich. Apple war somit gut beraten, die neuen Chips im iPad Pro zu testen, bevor sie zusammen mit einem möglichen Tandem-OLED-Screen in ein MacBook wandern.
Der Elefant im Raum heißt Mac
Was uns zur letzten Frage führt: Wann präsentiert Apple das erste MacBook mit der neuen Displaytechnik? Expertinnen und Experten erwarten, dass es spätestens 2026 so weit sein wird – wahrscheinlich bedient Apple zunächst seine MacBook-Pro-Kunden damit. Und wer weiß: Vielleicht erhält dieses bereits einen Triple-OLED-Bildschirm für eine noch höhere Qualität. Denn wie bei einem Sandwich ist die Anzahl der Schichten theoretisch unbegrenzt.
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Ganz toller Bericht, danke!!
Danke dir!