Höchste Zeit für einen Imagewechsel. Der sollte im März 2016 stattfinden – und zwar im Fahrwasser der bereits recht erfolgreich eingeführten Backrezepte-App „Simply Yummy“. Das Ziel: neben der Steigerung der Downloads die positive Wahrnehmung der Marke in einem jungen weiblichen Umfeld zwischen 18 und 35 Jahren. Durch eine mit der Berliner Serviceagentur Influting.com entwickelte Influencer-Kampagne erreichte man fast 1 Million potenzieller Interessenten, die mit knapp 26.000 Likes allein auf dem Foto- und Videodienst Instagram reagierten. Ein mithilfe klassischer Medienkampagnen kaum zu erreichender und vor allem nicht zu protokollierender Erfolg. Der einmal mehr die Aufmerksamkeit auf einen Trend legt, der Werbetreibende auch in Deutschland aufhorchen lässt: Influencer-Marketing gilt als die Zukunft der Online-Werbung.
Was ist Influencer-Marketing?
Haben Sie schon einmal in einem Restaurant gegessen, weil ein Kollege es Ihnen empfohlen hat? Benutzen Sie Ihr Smartphone auch deshalb, weil ein Freund davon geschwärmt hat? Oder haben Sie sich bewusst für eine Automarke entschieden, weil Ihr Nachbar seit Jahren damit zufrieden ist? Dann haben Sie bereits Erfahrungen mit Influencer-Marketing gesammelt – auch wenn zu dem Zeitpunkt vielleicht noch niemand davon geredet hat. Denn Influencer-Marketing baut auf einem Wert auf, der im Zeitalter immer kürzerer Produktzyklen und Billigproduktionen aus Fernost schon fast als aussterbende Spezies gilt: Vertrauen.
• 92 Prozent aller Verbraucher vertrauen persönlichen Empfehlungen mehr als Markenwerbung (Quelle: Nielsen)
• 74 Prozent aller Verbraucher nutzen soziale Online-Netzwerke, um Konsumentscheidungen zu treffen (Quelle: Sprout Social)
• 25 Prozent aller deutschen Internetbenutzer blockieren Werbung (Quelle: Statista)
• Das Foto- und Videonetzwerk Instagram wächst jährlich um 100 Millionen Nutzer weltweit. 5.5 Millionen gibt es derzeit in Deutschland. (Quelle: allfacebook.de, Christian Buggisch)
• 81 Prozent aller Marketing-Experten bewerten Influencer-Kampagnen als erfolgreich (Quelle: eMarketer)
• 59 Prozent aller Marketing-Experten planen ihr Budget für Influencer-Kampagnen 2016 zu erhöhen (Quelle: Social Media Today)
• 78 Prozent aller Marken haben ihre Content-Aufkommen in den vergangenen zwei Jahren erhöht, gleichzeitig sind die Reaktionen von Nutzern um 60 Prozent gesunken. Content-Marketing ist somit auf Influencer angewiesen, um Inhalte sichtbar zu machen. (Quelle: TrackMaven)
Klassische Werbekampagnen in Print, TV und auch online erlauben jedoch nur eine recht anonyme Massenansprache und tun sich traditionell schwer damit, Vertrauen aufzubauen. Selbst eine in der Zielgruppe platzierte Bannerwerbung hat Probleme, den Betrachter in seinem individuellen Interesse abzuholen und verlängert damit nur die aus dem Printmarkt bekannten Akzeptanzschwankungen auf den Onlinesektor. Mit oft drastischen Folgen: Laut dem Statistik-Portal „Statista“ verwenden 25 Prozent aller deutschen Internetnutzer einen Ad-Blocker auf ihrem PC. Durch die Entwicklung werbefreier Browser auf Smartphones und Tablets sowie Hardware-basierter Werbefilter in und für Router dürfte der Mobilmarkt sehr bald nachziehen.
Influencer-Marketing geht hingegen einen gänzlich anderen Weg: Statt auf den fiktiven Herrn Kaiser, die ewig gut gelaunte Frau Antje oder gar die lila Kuh setzt man hier auf wirkliche Menschen, die sich in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Twitter oder Plattformen wie YouTube etabliert haben und innerhalb ihrer Follower-Schar meinungsbildend wirken. Das Ziel ist nicht etwa die wahllose Ansprache einer anonymen Masse, sondern der Aufbau einer Beziehung zwischen Menschen. Dabei muss es sich bei einem Influencer bewusst nicht um eine berühmte Person handeln – ganz im Gegenteil: Je authentischer ein Meinungsführer seine Zielgruppe selbst verkörpert und je kompetenter er in derselben gilt, umso besser. Fußballprofis, die angeblich für Kartoffelchips schwärmen oder Leinwandstars, die vorgeben, ihre Haare mit der Billigtönung vom Discounter zu färben, fallen da per se raus. Authentizität und Kompetenz sind die Währungen erfolgreicher Influencer – auch wenn diese, wie im Fall von Bianca „Bibi“ Heinicke und Pamela „Rf“ Reif, selbst als Stars einer aufstrebenden Branche gelten.
Die junge Zielgruppe bevorzugt Instagram
Influencer-Marketing funktioniert quer durch alle Social-Media-Plattformen im Web und in den entsprechenden Mobil-Apps. Facebook und Twitter gelten fast schon als Dinosaurier unter den sozialen Netzwerken – die Nutzergemeinde ist besonders im Fall von Facebook breit gefächert, während Twitter besonders im professionellen Sektor und für die reduzierte Unternehmenskommunikation etabliert ist. Die konsumfreudige Zielgruppe zwischen 13 und 39 Jahren wendet sich allerdings zunehmend anderen Diensten zu und begreift Facebook als wichtiges, aber nicht mehr primäres Beiwerk. Hier verzeichnen besonders Messenger wie WhatsApp und Snapchat starken Zuwachs. Für das Influencer-Marketing eignen sich aber besonders YouTube und Instagram – kein Wunder, dass sich hier die eigentliche Stars finden. Pamela Reif etwa vereint bereits über 2 Millionen Follower auf ihrem Instagram-Profil. Bei einer Gesamtnutzerzahl von derzeit 5 Millionen Instagram-Nutzern in Deutschland folgt somit fast jeder zweite Anwender der 19-jährigen Deutschen – ein schier unglaubliches Werbepotenzial.
Tatsächlich stellt Instagram den zentralen Kanal zur Markenbildung innerhalb der jungen Zielgruppe dar. Der Dienst ist heute bereits mit Abstand das wichtigste Social Network für Teenager in den USA. In ein bis zwei Jahren dürfte sich das in Deutschland genauso gestalten. Der besondere Vorteil des Foto- und Videonetzwerks: Es verbindet Product-Placement mit Content-Strategien innerhalb eines authentischen Umfelds. Folgerichtig planen laut Statista 62 Prozent aller Markenstrategen, Instagram ab 2016 in ihre Pläne einzubeziehen.
Glaubwürdigkeit durch Authentizität
Im Mittelpunkt des erfolgreichen Influencer-Marketings steht nicht etwa das Produkt, sondern der Influencer selbst. Pamela Reif erklärt dies in einem Interview mit dem österreichischen Magazin „Woman“ so: „Die Leute mögen natürliche, authentische Fotos, wie etwa Spiegel-Selfies. So erkennt man sofort, dass es sich um kein geplantes Fotoshooting handelt, sondern um ein Bild, das ich gerade eben geschossen habe.“ Auf die Frage, nach welchen Aspekten sie die Produkte auswählt, für die sie werben möchte, antwortet die Karlsruherin: „Wichtig ist, dass die Marke zu mir und in meinen Alltag passt. Best Case sind Produkte, die ich sowieso benutze. Ich mache nur Werbung für Dinge, die ich mit gutem Gewissen vertreten kann.“
Dieses hohe Maß an Selbstbestimmung und Authentizität ist ein Aspekt, der Marketing-Chefs in Unternehmen und Werbeagenturen oft noch von der Investition in die aufstrebende neue Werbeform abhält. Sind sie es von klassischen Formaten gewohnt, Inhalte und Kanäle selbst zu bestimmen, geben sie beim Influencer-Marketing einen Großteil dieser Verantwortung an eine externe Person ab. Die Rechnung lautet verkürzt: Glaubwürdigkeit gegen Kontrollverlust. „Ängste und Zweifel, sich zu offenbaren, und dem Vorgehen der Influencer in der unberechenbaren Welt der sozialen Netzwerke zu vertrauen, sind auf Seiten der Unternehmen zu beobachten“, diagnostiziert auch Online-Marketing-Experte Robert Levenhagen in „Lead Digital“. Und weiter: „Eine erfolgreiche Zusammenarbeit erfordert ein hohes Maß an Transparenz und beiderseitigem Vertrauen.“
Reichweite vs. Einfluss
Reichweiten-Stars wie Bibi Heinicke und Pamela Reif mögen effektiv für breit angelegte Produkteinführungen und Product-Placements einsetzbar sein, den potenziellen Erfolg einer Influencer-Kampagne jedoch allein anhand der Anzahl der Follower zu kalkulieren, wäre zu kurz gedacht. So fand die US-amerikanische Marketingplattform Markerly heraus, dass mit einer steigenden Follower-Anzahl das Engagement der Follower nachweislich abnimmt. Markerly befragte nicht weniger als 2 Millionen Influencer. Das Ergebnis: Instagram-Influencer mit einer Gefolgschaft zwischen 1 und 10 Millionen Nutzern verzeichnen eine durchschnittliche Like-Rate von gerade einmal 1,7 Prozent auf ihre Posts. Bei 10.000 bis 100.000 Nutzern steigt dieser Wert auf immerhin 2,4 Prozent, bei 1.000 bis 10.000 Followern auf 4 Prozent. Die höchste Reaktionsrate konnten Instagram-Nutzer mit weniger als 1.000 Fans verzeichnen: Bei satten 8 Prozent lagen hier die Likes im Verhältnis zur Gesamtgefolgschaft.
Der Grund ist mit simpler Mathematik nachvollziehbar: Versucht etwa eine Sportschuhfirma durch die Zusammenarbeit mit einem Instagram-Celebrity Millionen von Fans zu erreichen, läuft sie Gefahr, dass nur wenige davon sich überhaupt für Sportartikel interessieren. Investiert man hingegen in Influencer, die zwar nur 500 Follower haben, welche sich jedoch zu fast 100 Prozent aus laufinteressierten Freizeitsportlern zusammensetzen, ist die effektive Zielgruppenansprache sicher.
Außerdem kommt auch hier die schon zitierte Frage nach der Authentizität zum Tragen: Reichweiten-Stars stehen schnell in dem Ruf, per se gekauft zu sein, während Fachleute mit einer kleineren Zuhörerschaft als weitaus glaubwürdiger gelten. Branchenprofis sprechen bereits vom Aufstieg der Micro-Influencer.
Content-Beschäftigung und ROI
Die Glaubwürdigkeit und Wertigkeit, die sich durch Influencer auf eine Marke oder ein Produkt überträgt, hat einen weiteren Nebeneffekt: Wie die US-amerikanische Serviceagentur Collective Bias in einer breit angelegten Studie belegt, verbringen Konsumenten mit einem Influencer-Post bis zu siebenmal mehr Zeit als mit einem Werbebanner. Im Durchschnitt bis zu zwei Minuten und acht Sekunden beschäftigen sich Follower mit den Inhalten von Recommendern – dem stehen fast verschwindende 19 Sekunden bei einer Online-Werbung gegenüber.
Entsprechend höher ist auch der Return on Investment. So arbeite der US-amerikanische Lebensmittelhersteller White Wave Foods mit knapp 250 Food- und Fitness-Bloggern, um im Rahmen der „Meatless Mondays“-Kampagne die Bekanntheit der eigenen Mandelmilch-Produktlinie zu steigern. Das Ergebnis: Der Verkauf der „Silk Almond Milk“ stieg in Haushalten, die die Kampagne sahen, um zehn Prozent an – was einem Mehrinvest von 285 US-Dollar pro 1.000 Nutzern entspricht. Allein die Blogeinträge erzielten dabei einen elfmal höheren ROI als klassische Bannerwerbung. Der Traffic der Silk-Produktseiten wuchs in der Zeit um 1,2 Millionen Aufrufe. Dazu passt, dass Collective Bias in einer Analyse von 300.000 Stunden Inhalt von 5.000 digitalen Influencern in sozialen Online-Netzwerken und auf Blogs herausfand, dass Unternehmen durchschnittlich einen 1,5-fachen ROI auf ihre Kampagnen verzeichnen.
Vom Finden passender Influencer
Die Identifizierung von Influencern für eine Marke oder ein Produkt geschieht häufig durch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Serviceanbietern oder die Nutzung entsprechender Dienste und Werkzeuge im Netz. Hinlänglich bekannt sind Plattformen wie Peer Index und Kred und ganz besonders der Branchen-Dino Klout. Diese errechnen in der Regel ein Wertigkeitsprofil von Internetnutzern anhand ihrer Aktivität in den verschiedensten sozialen Netzwerken. Durch die Eingabe zusätzlicher Schlüsselbegriffe ordnen sie Influencer den gesuchten Themenbereichen zu. Wie die dabei genutzten Algorithmen im Detail arbeiten, verschweigen die Anbieter jedoch in der Regel. Unerklärliche sprunghafte Schwankungen im Netzwert („Score“) lassen besonders Klout immer wieder in die Kritik geraten.
Wesentlich zielgerichteter arbeiten auf Influencer spezialisierte Marketingplattformen wie TapInfluence, Crowdtap und Traackr. Der reinen Reichweitenanalyse wollen sie eine qualitative Relevanz zur Seite stellen, die es Unternehmen und Werbetreibenden leichter macht, die für ihre Produkte und Kampagnen passenden Influencer zu identifizieren. Das Problem: Bisher handelt es sich dabei fast ausnahmslos um US-amerikanische Anbieter, deren lokale Anwendbarkeit man gerade mit Blick auf den versprochenen qualitativen Gesichtspunkt in Zweifel ziehen darf.
Influencer-Markting aus Deutschland
Da kommt der deutsche Anbieter Influting.com gerade recht. Das junge Berliner Start-up entstand aus dem Bemühen erfahrener Werbetreiber um mehr Wirksamkeit und Transparenz in einem sich gerade etablierenden Markt. Die im Laufe dieser Beschäftigung entwickelte und nach eigenen Angaben bisher einmalige „Trusted Reach“-Technologie prüft Influencer-Accounts täglich auf wichtige Eckdaten wie das Follower-Wachstum, Posts, Likes und Kommentare und errechnet daraus einen Referenzwert für potenzielle Empfehlungen. Ebenfalls interessant: Ein „Fake Follower“-Score schützt Unternehmen vor Fehlinvestitionen. Bereits in der Recruiting-Phase wolle man so 40 bis 50 Prozent Scheininteressenten aussieben. „Follower für namhafte Plattformen lassen sich nur allzu günstig ,kaufen’ – sie taugen jedoch nichts“, bestätigt Influting.com-CEO Torsten Glatz, der bereits mit einer Kommunikations- und Werbemittelbeschaffungsplattform erfolgreich ist. Der entwickelte Algorithmus lässt genau diese „falschen Freunde“ ausscheiden, so Glatz: „Unsere Trusted-Reach-Technologie prüft Influencer ständig auf garantiert echte Follower und schließt so aus, dass Firmen für nicht existierende Reichweite bezahlen.“
Und obgleich Influencer-Marketing in Deutschland eine noch recht junge Disziplin ist, kann Influting.com bereits auf erfolgreiche Kampagnen mit etablierten Marken verweisen. Neben der eingangs erwähnten Aktion mit Bosch beriet man unter anderem das Celler Modeunternehmen Street One. Ziel: Eine positive Wahrnehmung der Marke in einem jungen weiblichen Umfeld zwischen 18 und 35 Jahren. Das Ergebnis führt beeindruckend die virale Qualität des Influencer-Marketings bei einer wertigen Auswahl der Meinungsbildner vor Augen: Mit gerade einmal 12 Influencern aus dem Fashion-Bereich erreichte man auf Instagram fast 1,5 Millionen Menschen und verzeichnete knapp 34.000 Likes.
Noch erfolgreicher entpuppte sich die Imagekampagne des Handyversicherers Be Relaxed: 23 Influencer sprachen rund 2,5 Millionen Instagram-Nutzern an, 57.000 Follower reagierten mit „Gefällt mir“ auf die in Verbindung mit dem Hashtag „#berelaxed“ vorgestellte Dienstleistung. Die TÜV-geprüften Versicherungs-Apps für Mobilgeräte erfuhren einen entsprechenden Download-Schub.
Ausblick
Influencer-Marketing wird sich vor allem mit der stetig wachsenden Beliebtheit von Diensten wie Instagram und YouTube gerade in der konsumfreudigen jungen Zielgruppe auch in Deutschland als erstzunehmendes Marketing-Werkzeug weiter etablieren. Denn es löst das Dilemma ineffektiver, unbeliebter und daher schlichtweg nicht wahrgenommener Bannerwerbung auf Webseiten im Spannungsfeld schwindender Authentizität. Das Aufkommen deutscher Serviceagenturen und die damit verbundene Anwendbarkeit auf lokale Besonderheiten und Zielgruppen sollte auch bei hiesigen Unternehmen und Werbetreibenden letzte Zweifel ausräumen. Torsten Glatz von Influting.com etwa rechnet damit, dass 84 Prozent aller Marken noch im Jahr 2016 Kampagnen mit Influencern starten werden. Nebenbei könnte damit ein Demokratisierung der Werbelandschaft weg von der Unternehmensbotschaft hin zum wirklichen und kritischen Verbraucher stattfinden. Und damit eine Renaissance der Glaubwürdigkeit in der Werbung.
„Viel Lärm um nichts? Wie hoch der ROI beim Influencer Marketing wirklich ist“ von Tina Bauer, OnlineMarketing.de
„White Paper: Influencer Marketing für Unternehmen“, Futurebiz
„Not Only Do People Trust Content From Influencers More, They Spend More Time With It (Study)“ von Kimberlee Morrison, SocialTimes 2016
„Influencer Marketing I: Was sind Influencer und wie findet man sie?“ von Falk Hedemann, Upload-Magazin
„The rise of 'micro-influencers' on Instagram“ von Yuyu Chen, Digiday 2016
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