Das Amazon-Imperium: Mehr als nur ein Online-Kaufhaus - das steckt noch dahinter

Beim Namen „Amazon“ denken die meisten Menschen sofort an den Versandhandel von Büchern, CDs und anderen Konsumgütern oder an den E-Book-Reader Kindle und das Fire-Tablet. Dabei ist Amazon.com, Inc. inzwischen auch einer der führenden Anbieter von Cloud-Diensten. Unter dem Label Amazon Web Services werden sehr erfolgreich Speicherplatz, Rechenleistung und sonstige Web-Infrastrukturen angeboten, die unter anderem von Firmen wie Siemens, Dropbox und Netflix genutzt werden. Selbst staatliche Organisation wie NASA und CIA setzen zum Teil auf Amazon Web Services.

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Amazon ist vor allem durch Eines bekannt geworden: durch den Online-Versandhandel von gedruckten Büchern. Die Vielfalt der angebotenen Produkte wurde nach und nach erweitert, auch um virtuelle Güter wie Downloads von Musik, E-Books und Software. Speziell für die E-Books wurde eine eigene Plattform inklusive zugehöriger Hardware ins Leben gerufen: Kindle. Doch ein weitaus wichtigerer Teil des Unternehmens beschäftigt sich mit Dienstleistungen für andere Firmen, teilweise sogar für direkte Konkurrenten. Dieses Dreigestirn sowie die Experimentierfreudigkeit in neuen Geschäftsfeldern ist es, was den Erfolg des Unternehmens Amazon.com, Inc. ausmacht.

Revolution des Handels

Die Anfänge von Amazon gehen in das Jahr 1994 zurück. Jeff Bezos gründete damals die Firma „Cadabra“. Einer Biografie des Gründers zufolge war der ursprüngliche Name „Abracadabra“ zu lang und „Cadabra“ klang „Kadaver“ zu ähnlich. So suchte Bezos einen neuen Namen, der mit A beginnen sollte und stieß in einem Wörterbuch auf den Amazonas, den längsten Fluß der Welt, der so exotisch und anders ist, wie sein eigener Online-Laden es sein sollte. 1995 wurde der Name in „Amazon“ geändert und amazon.com ging online. Das erste Buch, das über Amazon.com verkauft worden ist, war „Fluid Concepts & Creative Analogies: Computer Models of the Fundamental Mechanisms of Thought“. Zu dieser Zeit gab es in Deutschland bereits seit vier Jahren das Unternehmen ABC-Bücherdienst, das schon über BTX, dem WWW-Vorgänger von der Deutschen Post, und dann über Telebuecher.de gedruckte Bücher vertrieb.

Bereits im Mai 1997 ging Amazon unter dem Symbol „AMZN“ an die Nasdaq-Börse. Mit der Zeit wurde Amazon.com zum Vorzeige-Unternehmen für ein erfolgreiches Internet-Start-Up. Dabei konnte man Amazon damals nicht wirklich als Digital-Business verstehen. Immerhin vertrieb man nur physische Waren mit eigener Lagerhaltung und der dazugehörigen Logistik. Das einzig „Digitale“ war der virtuelle Laden im Internet. Dennoch hat Amazon nach und nach einige digitale Innovation eingeführt beziehungsweise salonfähig gemacht. Im September 1997 führte man das sogenannte „1-Click-Shopping“ ein. Ein Klick auf den „Kaufen“-Button reicht seitdem aus und das Produkt ist bestellt, wenn man einmal zuvor die notwendigen Kundendaten hinterlegt hat.

Beim reinen Buchverkauf sollte es aber nicht bleiben. Ab Juni 1998 nahm man Musik ins Programm auf und verkaufte auch CDs an die Kunden. Im folgenden Oktober gingen dann die ersten ausländischen Amazon Stores an den Start – im Vereinigten Königreich und in Deutschland. Amazon hatte zuvor die deutsche Firma Telebooks, zu dem auch Telebuecher.de gehörte, übernommen und auf dessen Basis Amazon.de aufgebaut. In den Folgejahren wurde das Sortiment um viele weitere Produktkategorien erweitert, zum Beispiel Unterhaltungselektronik, Kleidung und sogar Lebensmittel. Darüber hinaus kann seit November 2000 jeder Kunde über Amazon Marketplaces gebrauchte Waren über die Amazon-Stores anbieten. Amazon Marketplaces war aus den zShops und den gescheiterten Amazon Auctions – Amazons Gegenentwurf zu Ebay – entstanden.

Amazon hat außerdem viele, teilweise zeitlich begrenzte Kooperationen mit anderen Händlern geschlossen, wie beispielsweise Toys’R’Us, Target Stores und der NBA. Neben den eigenen Amazon-Stores hat sich Amazon an anderen Portalen beteiligt, beziehungsweise hat neue Portale eröffnet oder übernommen. Dazu gehören die Marken LivingSocial (Konkurrenz für Groupon), Audible.com (Hörbuch-Portal), Zappos (Online-Schuhhandel), Lovefilm (DVD-Verleih) und Comixology (digitale Comics).

Gegen eine Jahresgebühr bietet Amazon seinen Kunden den Amazon-Prime-Service an. Zuerst sicherte Amazon Prime „nur“ eine schnelle Lieferung und geringere Versandkosten der bei Amazon bestellten Waren zu. Inzwischen gehören Amazon Prime Instant Video, Prime Music, Prime Photos und die Kindle-Leihbücherei mit zum Prime-Angebot.

Auch im Bereich physischer Produkte hat sich Amazon etwas einfallen lassen. Unter dem Label „AmazonBasics“ vertreibt der Händler beispielsweise HDMI-Kabel, Batterien, und Mikrofasertücher.

Digitale Güter

Auch der Vertrieb von digitalen Gütern nahm zunehmend mehr Platz in Amazons Handelsgeschäft ein. Nach Apples Erfolg mit dem iTunes Music Store, der 2003 an den Start ging, startete Amazon MP3 im υ September 2007. Auch in anderen Digital-Content-Bereichen ist Amazon sehr aktiv. Das E-Book-Angebot startete im November 2007 mit Kindle (iTunes: 2010). Das Videostreaming-Angebot Amazon Unbox (jetzt Instant Video) startete im September 2008, während iTunes seit 2005 mit seinem Film-Angebot auf den Download setzt. Auch Apps für die eigenen Fire-Tablets und -Smartphones gibt es seit März 2011 im Amazon Appstore zu erwerben.

Amazon ist sogar selbst zum Content-Produzenten geworden. Die Amazon Game Studios entwickeln Spiele für die Fire-Plattform. Die Amazon Studios hingegen entwickeln aus eingereichten Vorschlägen und dem entsprechenden Feedback aus der Öffentlichkeit Comics, Filme Fernsehsendungen.

Logistik

Neben den reinen Handelsplattformen hat Amazon viel in die Logistik investiert. Derzeit unterhält Amazon in Deutschland dreizehn Standorte. Die Zentrale ist in München beheimatet, zwei Kundenservice-Zentren, acht Logistikzentren und zwei Software-Entwicklungszentren gehören dazu. Die Amazon-Tochter Kiva Systems entwickelt komplette Systeme zur Automation von Lagerhäusern. Mit Prime Air erprobt Amazon derzeit die schnelle Zustellung von Lieferungen per Drohne, was sich aus Gründen der Flugsicherung als schwierig erweist. In städtischen Ballungsgebieten erprobt man zusätzlich den Fahrradkurierdienst Prime Now.

Kindle & Fire

Mit dem E-Book-Reader Kindle hat Amazon dem E-Book zu einer schnellen und großen Verbreitung verholfen. Der Reader selbst basiert auf Linux. Inzwischen gibt es aber auch Apps für verschiedene Plattformen wie Mac, Windows, Android und iOS, die das Lesen von E-Books im Amazon-eigenen Kindle-Format ermöglichen.

Zuerst als Erweiterungen der Kindle-Reihe hat Amazon den Tablet-PC Kindle Fire auf Android-Basis veröffentlicht. Neben den E-Book-Funktionen positioniert Amazon das inzwischen in die eigenständige Fire-Produktreihe eingegliederte Tablet als Konkurrenz zu iPad und anderen Android- beziehungsweise Windows-Tablets. Zur Produktfamile gehört inzwischen auch ein Smartphone – das Fire Phone – und eine Set-Top-Box – das Fire TV, beziehungsweise der Fire TV Stick.

Amazon Web Services

Neben den Aktivitäten im Bereich des Online-Versandhandels, dem Vertrieb digitaler Güter und der mobilen Fire-Plattform bietet Amazon unter dem Label Amazon Web Services (AWS) Internet-Dienstleistungen an. Neben den beiden Konkurrenten Microsoft und Google mit ihren Produkten Windows Azure beziehungsweise Google Cloud Platform gehört Amazon zu den bedeutendsten Cloud-Computing-Anbietern im Netz.

Amazon hat früh angefangen, selbst Software-Lösungen für den Betrieb der eigenen E-Commerce-Plattform zu entwickeln, um diese auf weltweit verteilten Rechenzentren nutzen zu können. Neben der verteilten Rechen- und Speicherkapazität sind für Amazon besonders Schnittstellen zu Drittanbieter-Software sowie eine hohe Verfügbarkeit sehr wichtig. Auf dieser Basis werden die AWS seit 2006 auch anderen Entwicklern zur Verfügung gestellt.

Amazon Web Services richten sich dabei hauptsächlich an Unternehmen. Der erste einer Reihe von Cloud Services, der veröffentlicht wurde, ist Amazon EC2 (Elastic Computer Cloud) – ein virtueller Server, der auf einem Linux- oder Windows-Server-Betriebssystem läuft und an Amazons Standort in Südafrika entwickelt wurde.

Aber auch viele weitere für Unternehmen interessante Cloud-Dienste werden von AWS angeboten. Amazon S3 (Simple Storage Service) dient der Datenspeicherung. Cloudfront stellt Inhalte aus anderen AWS-Diensten weltweit mit niedrigen Zugriffszeiten bereit. Amazon Glacier dient der Archivierung von Daten, hat zwar langsame Zugriffsraten, dafür günstige Speicherpreise. 

Viele große und bekannte Unternehmen setzen auf AWS, zum Beispiel die Musikdienste Soundcloud und Spotify sowie die sozialen Netzwerke Pinterest und Foursquare. Aber auch große Konzerne wie Siemens oder die amerikanischen Behörden NASA und CIA nutzen für bestimmte Zwecke die Amazon Web Services. Angeblich setzt Apple für iCloud ebenfalls auf AWS und auf Microsoft Azure. Das hat Apple allerdings nie bestätigt. Es wird gemutmaßt, dass Apple solange auf AWS und Windows Azure nutzt, bis die eigenen Rechenzentren betriebsbereit sind und die iCloud-Infrastruktur übernehmen können.

In der Vergangenheit sind immer wieder Sicherheitsbedenken bei der Nutzung der Amazon Web Services laut geworden, da Amazon ein US-Amerikanisches Unternehmen ist und möglicherweise von US-Behörde zur Herausgabe von Kundendaten gezwungen werden könnte und sogar der US-Geheimdienst CIA zu den AWS-Kunden gehört. Dem möchte Amazon entgegenwirken, indem man seine Dienste nach Regionen aufteilt und die Kundendaten nur innerhalb dieser Regionen gespeichert werden – alleine schon, weil es in bestimmten Ländern die gesetzlichen Regelungen so verlangen. Daher hat AWS am 23. Oktober 2014 sein erstes Rechenzentrum in Deutschland eröffnet. Insgesamt ist die AWS-Welt in elf Regionen aufgeteilt.

Jeff Bezos

Der Gründer von Amazon.com, Inc. wurde am 12. Januar 1964 in Albuquerque, New Mexico, unter dem Namen Jeffrey Preston Jorgensen geboren. Er wurde später von seinem Stiefvater Miguel Bezos adoptiert. Jeff Bezos verfügt über einen Bachelor-Abschluss der Princeton University in Elektrotechnik und Informatik. Er arbeitete an der Wall Street unter anderem als Vizepräsident einer Vermögungsverwaltungsgesellschaft, die inzwischen zur Deutschen Bank gehört. Seine eigene Firma hat ihn zu einem der reichsten Menschen der Welt gemacht. Laut einem Ranking von Forbes verfügt Bezos über ein Vermögen von 28,5 Milliarden US-Dollar (Platz 19; Stand 16.Dezember 2014).

Amazon.com, Inc. – eine Historie (Auswahl)
Juli 1994

Amazon wird gegründet

Juli 2006 Start des Verkaufs von Lebensmitteln Juli 2011 AT&T stattet Kindle 3G mit kostenfreiem Internetzugang aus
Juli 1995 Amazon.com verkauft das erste Buch September 2006 Start von Amazon Unbox August 2011 Amazon Web Services veröffentlichen Amazon Virtual Private Cloud
Juli 1997 Nasdaq-Börsengang unter „AMAZN“ März 2007 Amazon Unbox auf TiVo verfügbar September 2011 Kindle Fire wird vorgestellt
September 1997 Start von „1-click-Shopping“ September 2007 Start von Amazon MP3 (Public Beta) November 2011 Kindle-Leihbücherei startet
April 1998 Übernahme der Internet Movie Database (IMDB) November 2007 Veröffentlichung des Kindle März 2012 Übernahme von Kiva Systems
 

Übernahme der ABC Bücherdienst GmbH / Telebuch.de

  AWS bietet Amazon S3 auf europäischen Servern an April 2012 AWS Marketplace wird vorgestellt
Juni 1998 Start des Verkaufs von Musik-CDs Januar 2008 Lovefilm übernimmt Amazons DVD-Verleih in UK und DE Juli 2012 Vorstellung von GameCircle für iOS und Android
Oktober 1998 Start von Amazon.de und Amazon.co.uk   Amazon wird größter Anteilseigner bei Lovefilm August 2012 AWS startet Amazon Glacier
November 1998 Start des Verkaufs von Video-DVDs März 2008 Amazon schliesst die Übernahme von Audible ab Oktober 2012 Whispercast für Kindle vorgestellt
März 1999 Start von Amazon Auctions September 2008 Amazon Unbox wird zu Amazon Video On Demand November 2012 AWS stellt Amazon Redshift vor
Juni 1999 Übernahme von Alexa Internet November 2008 Deutsche IMDB startet Dezember 2012 AWS Marketplace kündigt Support für Software unter Windows an
Juli 1999 Start des verkaufs von Spielzeug und Elektro- bzw. Elektronikartikeln Dezember 2008 Übernahme von AbeBooks Januar 2013 Amazon MP3 Store auf iPhone und iPod touch verfügbar
September 1999 Start der zShops Februar 2009 Veröffentlichung des Kindle 2 Februar 2013 Einführung von Amazon Coins
August 2000 Kooperation mit Toys'R'us März 2009 Kindle-App für iPhone und ipod touch erscheint   Start von AWS OpsWorks
November 2000 Start von Amazon Marketplaces September 2009 Start des Labels AmazonBasics März 2013 Übernahme von Goodreads
September 2001 Kooperation mit Target Stores Januar 2010 Veröffentlichung des Kindle DX mit UMTS Mai 2013 AWS erhält FedRAMP-Prüfzeichen für AWS GovCloud (USA)
Oktober 2001 Start der Funktion „Look inside the Book“ März 2010 Veröffentlichung der Kindle-App für den Mac   Login with Amazon geht an den Start
Juli 2002 Start von Amazon Web Services (AWS) April 2010 Veröffentlichung der Kindle-App für das iPad August 2013 Amazon Instant Video erhält Technology & Engineering Emmy Award
Juni 2003 Gründung von Amazon Services, Inc. November 2010 Start der Amazon Studios April 2014 Amazon Fire TV wird vorgestellt
Oktober 2003 Start der Funktion „Search inside the Book“ Dezember 2010 Investition von 175 Mio. US-Dollar in LivingSocial Juli 2014 Fire Phone wird vorgestellt
  Gründung von A9.com Januar 2011 Amazon übernimmt Lovefilm komplett September 2014 Übernahme von Twitch
September 2004 Übernahme von Joyo.com Ltd. Februar 2011 Amazon Video on Demand wird zu Amazon Instant Video Oktober 2014 Fire TV Stick wird vorgestellt
Februar 2005 Start von Amazon Prime März 2011 Eröffnung des Amazon Appstore für Android November 2014 Prime Photos startet
Dezember 2005 weltweite Bestellung von über 108 Mio. Artikeln im Weihnachtsgeschäft Mai 2011 Amazon verkauft erstmals mehr Kindle-E-Books als gedruckte Bücher Dezember 2014 Amazon-Feature „Make an offer“ wird gestartet
(Horizontal Scrollen, um die ganze Tabelle zu sehen)
 

Fazit

Aus vielen Bereichen des digitalen Lebens ist Amazon kaum noch wegzudenken. Die Firma hat nicht nur den Handel mit Konsumgütern total umgekrempelt und dabei auch alteingesessene Versandhändler hinter sich gelassen. Amazon steht auch in Konkurrenz zu Apple, Microsoft und Google, was mobile Betriebssysteme angeht. Vor allen Dingen ist Amazon mit seinen Amazon Web Services ein wichtiger Stützpfeiler der Infrastruktur des Internets.

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Man darf bei aller Euphorie des Artikels nicht vergessen, dass viele Angebote Amazon nur darauf abzielen, mehr Umsatz zu machen und Daten der Kunden zu sammeln. Sie verschenken sozusagen ihre Hardware wie Google seine Software verschenkt.

Wer sich von diesen Angeboten blenden lässt muss damit leben, dass er selbst zum Kaufpreis mit dazu gehört. Ist nicht schlimm - für manch einen aber ein No go.

... dass die Mitarbeiter im Moment nicht umsonst streiken, weil sie für ihre Arbeit schlecht bezahlt werden und Amazon zwar super Umsätze macht aber gar keinen Gewinn, könnte in einem neutralen Bericht schon auch erwähnt werden ...

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