Die Welt einmal mit anderen Augen zu sehen ist ein Traum, den viele haben. Und dafür wäre kaum etwas geeigneter als eine Wärmebildkamera, denn sie sieht nicht das gleiche Licht wie das menschliche Auge, sondern die Wärme, die Objekte abstrahlen. So lassen sich nicht nur sehr reizvolle Effektaufnahmen machen, sondern auch undichte Fenster und Rohre finden, Tiere im Garten aufspüren oder stromfressende Geräte enttarnen – die Möglichkeiten sind riesig.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass Wärmebildkameras sündhaft teure Ungetüme waren, deren Sensoren weit unter den Nullpunkt gekühlt werden mussten. Dann kamen kleine Handkameras mit genügsameren Sensoren auf, die viel leichter nutzbar sind, deren Preise aber dennoch deutlich vierstellig waren. Doch in den vergangenen Jahren fielen die Preise, und die günstigsten Wärmebildkameras sind mittlerweile diejenigen, die sich Display, Eingabemöglichkeiten und Intelligenz von einem Smartphone leihen. Die Kameras bestehen damit fast nur noch aus dem Wärmebildsensor zum Anstecken ans iPhone. Das senkt auch die Kosten, die bei beiden Modellen im Test knapp unterhalb von 300 Euro liegen und damit in einem Bereich, der nicht mehr nur für Profis, sondern auch für neugierige Amateure interessant ist.
Die Kandidaten
Für iPhone-Besitzer kommen zwei Modelle infrage: die Seek Compact und die Flir One. Flir ist einer der ganz großen Namen im Bereich der Wärmebildkameras und seit vielen Jahren mit Dutzenden Modellen bei den Profis im Geschäft. Die Flir One ist das einzige Modell, mit dem sich der Messgerätespezialist auch in den unteren Preisbereich wagt, während die anderen Produkte ganz auf spezifische und meist professionelle Anwendungen von Bauinspektion bis zum Militäreinsatz ausgerichtet sind.
Seek wiederum ist ein klassisches Start-up-Unternehmen, das die Idee der minimalistischen Wärmebildkamera als Smartphone-Accessory erst populär machte. Seek hat mittlerweile zwei Modelle für iPhone-Besitzer und ein Stand-alone-Modell auf Basis des gleichen Sensors im Programm.
Flir One und Seek Compact ähneln sich zwar durch ihre grundsätzlichen Fähigkeiten, doch es gibt auch Unterschiede. Während sich die etwas kleinere Seek über das iPhone mit Strom versorgt, besitzt die Flir einen eigenen Akku, der eine gute halbe Stunde Betriebszeit ermöglicht und das Gehäuse etwas größer macht, aber auch öfter geladen werden muss.
Wärme statt Licht
Die größte Gemeinsamkeit ist natürlich die Fähigkeit, Wärme in Form infraroter Strahlung statt Licht zu erfassen. Die dafür eingesetzten Mikrobolometer-Arrays haben mit normalen Bildsensoren fast nichts gemein, und auch die Linsen der Objektive bestehen aus ganz anderen Materialien als bei optischen Kameras.
Das Messen von Wärme ist nicht ganz einfach, denn nicht alle Materialien strahlen Wärme gleich ab, und deswegen zeigen die Bilder nicht immer das, was man erwartet: Fensterscheiben sind für Wärmestrahlen undurchsichtig und reflektieren Infrarot genauso, wie es auch viele Metalloberflächen tun. Nicht bei allen Materialien ist die Temperaturmessung also exakt, doch bei etwas matteren Gegenständen ist sie sehr genau. Das entstehende Bild ist natürlich nicht farbig, sondern enthält nur Temperaturinformationen. Doch alle Wärmebildkameras bieten eine Vielzahl an Farbpaletten, die beispielsweise Hitze in Gelb und Kälte in Blau zeigen.
Sorgenkind Auflösung
Wer nun allerdings von Wärmebildsensoren ähnliche Auflösungen, wie von Digitalkameras gewohnt, erwartet, wird reichlich enttäuscht sein: Die Seek Compact ist mit 206 mal 156 oder 32 000 Pixeln noch die höher auflösende Variante, Flir hingegen macht aus der thermalen Auflösung ein ziemliches Geheimnis, doch vermutlich liegt sie nur bei 160 mal 120 Pixeln. Höher auflösende Sensoren, die wenigstens an historische Digitalkameras herankommen, findet man allenfalls in sehr teuren Kameras – Wärmebilder in HD-Qualität sind also Profis vorbehalten.
Beide Testkandidaten rechnen die Bilder in der Auflösung zwar deutlich hoch, doch da die Bilddaten andererseits recht stark vom Rauschen befreit werden, ist der Schärfeeindruck nicht gerade hoch. Doch wenn man Wärmebilder nicht nach ästhetischen Gesichtspunkten beurteilt, sondern als ein Messverfahren ansieht, ist eine geringe Auflösung in vielen Fällen kaum ein Nachteil. So erkennt man Wärmebrücken an Fenstern oder heiße ICs auf Platinen problemlos auch bei sehr geringen Auflösungen, und auch Tiere in der Dunkelheit lassen sich erkennen. Wer aber wirkliche Details sehen möchte, braucht in der Tat eine höhere Auflösung, als unsere preisgünstigen Kandidaten sie bieten.
Die sehr geringe Auflösung macht es manchmal schwierig, die Bereiche im Bild klar zu identifizieren. Dafür hat Flir eine sehr gut funktionierende Lösung: Zusätzlich zum Wärmebildsensor besitzt die One eine optische Kamera in VGA-Auflösung direkt daneben. Mit dieser werden Umrisslinien erzeugt, die über das Wärmebild geblendet werden und enorm bei der Orientierung sowohl bei der Aufnahme als auch beim Sichten der Bilder helfen. Trotz der formal geringeren Wärmebildauflösung wirken die Bilder der Flir viel detailreicher und schärfer als die flaueren der Seek. Da die Kameras der Flir One aber einen kleinen Abstand zueinander haben, sind die Bilder nicht automatisch deckungsgleich, sodass man mit einem Schieberegler bei jedem Abstandswechsel nachkorrigieren muss.
Alles im Fokus
Den Trick mit der Überblendung kann Seek nicht bieten, dafür lässt sich auf Wunsch der Bildschirm teilen, um das Bild der iPhone-Kamera zum Vergleich zu zeigen. Da Bildwinkel und Position der Kamera aber recht stark abweichen, ist der Nutzen deutlich geringer. Das Objektiv der Seek muss manuell fokussiert werden, was durch die generelle Kontrastarmut von Wärmebildern und die ziemlich niedrige Bildrate des Vorschaubildes recht fummelig ist.
Dafür kommt man aber auch sehr nah ans Motiv heran. Während der Bildwinkel der Flir One etwa dem der iPhone-Kamera entspricht, ist der Bildwinkel der Seek Compact etwas enger. Für rund 50 Euro mehr gibt es alternativ die Seek Compact XR mit noch engerem Bildwinkel und entsprechend höherer Reichweite, die sich im Außeneinsatz bewährt, wenn man etwa im Wald nach Tieren sucht. In Innenräumen ist man mit dem breiten Bildwinkel der normalen Variante dagegen meist besser bedient.
Flir One und Seek Compact sind nicht die einzigen Wärmebildkameras, die ein Smartphone als „Wirt“ und dessen Display und Rechenleistung nutzen. Doch die zwei Alternativen sind bislang nur für Android-Geräte verfügbar, iOS-Versionen sind nur geplant. Die Therm-App der israelischen Firma Opgal bietet eine wesentlich höhere Auflösung von 384 mal 288 Pixeln und eine sehr gute Temperaturauflösung, ist aber natürlich auch nicht mehr zum Schnäppchenpreis zu haben. Eine ähnliche Performance bei kompakterer Bauweise verspricht die Thermal Expert von i3Systems aus Korea, die noch brandneu, aber ebenfalls nur für Android-Telefone verfügbar ist. Beide Kameras richten sich eher an Profis.
Ungewohntes Handling
Beide Kameras werden über eigene Apps gesteuert, die jeweils spezielle Features ermöglichen. Die Seek-App ist simpel und leicht zu durchschauen. Es gibt einen Foto- und einen Videomodus, außerdem lässt sich die Farbpalette auswählen. Drei Messmodi lassen sich wählen: Ein Fadenkreuz zeigt die Temperatur in der Bildmitte an, alternativ markiert die App die kühlste und wärmste Stelle im Bild. Ein dritter Modus färbt alle Bereiche, die oberhalb einer einstellbaren Temperatur sind, was nützlich sein kann. Leider muss man die Einstellungen nach jeder Justage explizit verlassen, was auf die Dauer nervig ist. Wer Fotos schießen möchte, muss die richtige Farbpalette dazu vorher auswählen, denn nachträglich lassen sich die Aufnahmen nicht mehr verändern.
Die Flir-App ähnelt der Kamera-App von Apple und bietet sogar einen Zeitraffer- und Panoramamodus, dessen Ergebnisse uns allerdings nicht sehr überzeugten. Bei den direkten Messmöglichkeiten beschränkt sich die App auf das Fadenkreuz für die Temperatur in der Mitte. Was keine der beiden iPhone-Kameras bietet, ist eine Farbskala mit Temperaturen neben dem Bild, obwohl dies für Wärmebildkameras Standard sein sollte, zumal der Platz auf dem Display reichen würde.
Mit den CMOS-Bildsensoren normaler Digitalkameras haben die sogenannten Mikrobolometer-Arrays, mit denen die kleineren Thermografiekameras Wärme messen, nichts gemein. Bildsensoren lassen sich wie ein gewöhnlicher Halbleiter fertigen und zählen die Photonen des Lichts, Bolometer ähneln eher je einem Thermowiderstand pro Pixel, das Temperaturdifferenzen messen kann und aus zwei Schichten besteht, die in geringem Abstand zueinander angeordnet sind. Dazwischen herrscht ein Vakuum, was die Fertigung auch nicht gerade vereinfacht. Mikrobolometer-Arrays müssen alle paar Sekunden kalibriert werden, um exakt zu messen. Beide Kameras fahren dazu mit leisem Klicken einen Verschluss vors Objektiv und halten währenddessen das Bild an – leider auch während der Videoaufnahme, doch nur so ist eine recht genaue Temperaturmessung überhaupt möglich.
Allerdings gibt es bei der Flir eine Abhilfe: In die separate Flir-Tools-App lassen sich die Bilder etwas umständlich einzeln importieren, doch dann hat man sehr viele Möglichkeiten: Realbild und Wärmebild lassen sich trennen oder nur teilweise übereinanderblenden, auch die Farbpaletten kann man nachträglich verändern. Und aus den aufbereiteten Bildern lassen sich professionell wirkende Berichte generieren – kein Wunder, denn die App kann auch von den Profikameras von Flir benutzt werden.
Was geht und was fehlt
Wenn die meisten eigenständigen Kameras wesentlich teurer sind, ohne eine bedeutend höhere Auflösung zu haben, fragt man sich natürlich, ob man nicht mit den iPhone-Kameras auskommt. Aber die professionellen Kameras können vieles besser: Sie sind viel solider als die fragilen Aufsätze und überstehen auch mal einen Sturz, sie blenden eine Temperaturskala ein, und ihre Sensoren können oft wesentlich höhere Temperaturen erkennen, rauschen weniger und zeigen besser kleinere Differenzen an. Damit lassen sich etwa die Ständerwerke hinter Trockenbauwänden erkennen, was mit der Flir One oder der Seek Compact eher nicht geht. Doch dafür muss man schon tief in die Tasche greifen und kommt nicht mehr mit 300 Euro davon. Und für dieses Geld überzeugen beide Testkandidaten.
Die Flir Compact überzeugt durch ihre Einfachheit. Die App bietet nicht viel Komfort, und das Scharfstellen ist etwas lästig, doch dafür darf man sehr nah ans Motiv. Die reinen Wärmebilder sind weich und als Fotos schlecht zu verwerten. Doch dafür eignet sich die Kamera im Live-Einsatz sehr gut, weil dann ihre Messmöglichkeiten besser sind als die der Flir, zudem muss man sich nicht um die Stromversorgung kümmern. Die Flir bietet die besser erkennbaren Bilder und dank der zwar umständlichen, aber möglichen nachträglichen Auswertung auch professionellere Nutzungsmöglichkeiten.
Wertung
Hersteller: Seek
Preis: 299 Euro
Web: www.thermal.com
Kompatibilität: ab iPhone 5
+ leicht und kompakt, einfache Bedienung
- manuelle Fokussierung, verwaschene Bilder
Bedienung (25 %):2,0
Genauigkeit (20 %):1,9
Bildqualität (55 %):2,4
Note: 2,2
Fazit: Kleine und leistungsfähige Wärmebildkamera mit hohem Spaßfaktor.
Wertung
Hersteller: Flir Systems
Preis: 280 Euro
Web: www.flir.de
Kompatibilität: ab iPhone 5
+ klare Bildqualität, Nachbearbeitung möglich
- geringe Auflösung, Handarbeit bei Überblendung
Bedienung (25 %):2,1
Genauigkeit (20 %):1,8
Bildqualität (55 %):2,0
Note: 2,0
Fazit: Wärmebildkamera fürs iPhone, die Spaß und ernste Anwendungen ermöglicht.
Beide Kameras machen eine Menge Spaß: Personen heben sich draußen deutlich vom Hintergrund ab, Wärmeabdrücke auf Stühlen und Tischen halten sich oft minutenlang, heiße und kalte Getränke sind gut sichtbar, und das Spiel mit den verschiedenen Farbpaletten ermöglicht herrlich surreale Bilder. Es geht aber auch sinnvoller: Das Wärmebild enttarnt Stromfresser und undichte Fenster, schlecht funktionierende Bauisolierungen und fehlerhafte Bauteile, dazu sind die Kameras sehr akkurate Thermometer. Es gibt schlechtere Möglichkeiten, knapp 300 Euro auszugeben, als für ein iPhone-Zubehör, das Sinn und Spaß verspricht.
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