TextMate 1.5.3

Der frisch gekürte Gewinner des Apple Design Awards 2006 in der Kategorie Entwickler ist längst nicht so taufrisch wie der Würfel, der auf der Preisverleihung überreicht wurde. Doch TextMate ist gereift und hat sich inzwischen eine treue Anhängerschaft erobert. Wie üblich heißt Texteditor das, was es auch heißen sollte: Keine Textattribute, sondern unbändiger, roher Text, mehr wäre zum Entwickeln von Anwendungen und Websites auch nicht nötig.

Schlank

Schlicht präsentiert sich das Programm auch dann noch, wenn ein ganzer Ordner auf das Programmsymbol gezogen wird: Dann legt TextMate ein neues Projekt mit allen Dateien in diesem Ordner an. Zu diesem Projekt können noch weitere Ordner hinzugefügt werden, die dadurch ihre Position nicht zwangsläufig verändern, es sei denn, sie werden im Projektfach verschoben. Frei von einer Werkzeugleiste bietet das Editorfenster Platz für Zeilennummern, eine kurze Textstatistik und einiges mehr. Neben der Option, Funktionen im Quelltext direkt anzuspringen, erweist sich besonders das Falten von Textblöcken als unverzichtbar: Logische Blöcke (Schleifen, Bedingungen) oder Selektionen verschwinden so in einer Zeile. Web-Entwickler bekommen eine Vorschaufunktion serviert, die jedoch nur für reine HTML-Dokumente ohne serverseitige Skriptsprachen nützlich ist.

Die mehrzeilige und mit einem „Gedächtnis“ ausgestattete Suchen/Ersetzen-Funktion verrichtet ihre Arbeit wahlweise im aktuellen Dokument oder im ganzen Projekt. Zu den Selbstverständlichkeiten eines modernen Editors gehört die Syntaxfärbung: Einige Themen sind vorgegeben, weitere können eingegeben werden, mit genauer Angabe des jeweiligen Wirkungsbereichs. Für insgesamt 36 Sprachen liefert TextMate die Unterstützung mit, weitere können nachgerüstet werden: In der zweiten Reihe nehmen Sprachen wie Logo und Inform (Textadventure-Entwicklungssprache) Platz. Eine direkte Schnittstelle zum Terminal gibt es auch, und die Ausgabe des Kommandos kann gleich in den Text übernommen werden.

Tastaturakrobatik

Zwar macht sich TextMate zunächst nicht verdächtig, besonders auf Tastenkombinationen zu setzen, aber dennoch kann es zum großen Teil per Tastatur bedient werden. Praktisch sind beispielsweise Textschnipsel (Snippets): So reicht die Eingabe von do gefolgt von der Tabulator-Taste, um einen ganzen do…while-Block einzufügen und eine Tastenkombination, die alle Tastenkombinationen anzeigt, existiert natürlich auch. Wer Schnipsel selbst hinzufügt, kann Variablen, Platzhalter und sogar Shellcode verwenden, um sie dynamisch zu halten. Stellenweise haben aber auch gewohnte Kombinationen andere Funktionen bekommen: Befehlstaste+T ruft beispielsweise nicht den Schriftendialog auf, sondern die Dateinavigation. Einen Großteil der Tastenkombinationen belegen nicht die normalen Programmfunktionen, sondern die Makros.

Makrobiotisch

Der klassische Makrorekorder befindet sich im Menü Bundles. Dieses Menü bietet aber noch einiges mehr: Fein säuberlich in Programmiersprachen geordnet, finden sich dort etliche nützliche Kommandos. Da wird beispielsweise ein AppleScript gestartet oder kompiliert, die Dokumentation für die aktuelle CSS-Eigenschaft aufgerufen oder die Gültigkeit eines PHP-Codeblocks überprüft. Editiert werden diese Funktionserweiterungen im Bundle-Editor, mit Ausnahme der Makros, die dort nur betrachtet werden können. Hinter den Kommandos stecken Skriptsprachen wie Ruby, die eine Handvoll TextMate-spezifischer Variablen nutzen dürfen.

Fazit

Auch wenn es wie Majestätsbeleidigung klingen mag: Im Vergleich zum Urahn (und immer noch beliebten) BBEdit sieht TextMate aufgeräumter und moderner aus. Schwächen zeigt TextMate noch bei proportionalen Zeichensätzen (asiatische Zeichen), der fehlenden FTP-Unterstützung und der noch zu einfach gestrickten Web-Vorschau.