Scrivener

Für den Mac gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Programmen, die zum Ziel haben, den kreativen Schreibprozess zu fördern. Ein Ansatz, den beispielsweise der Editor WriteRoom (Mac Life 04.2007) verfolgt, ist die Ausblendung aller störenden Einflüsse, sprich Fenster anderer Programme. Etwas weniger puristisch gehen die Programme vor, die eine halbe Projektverwaltung um den Text aufbauen und auch Platz für Recherche-Ergebnisse bieten (beispielsweise Ulysses). Am stärksten durchgesetzt haben sich spezielle Drehbuch-Editoren (Final Draft, Montage), was allerdings vor allem an den Layout-Vorgaben dieser Texte liegt.

Massiv kreativ

Scrivener ist weder puristisch veranlagt, noch hoch spezialisiert und richtet sich an alle, die in irgendeiner Form kreativ schreiben. Diese erwartet nach dem Start eine Projektverwaltung, welche in die Bereiche Vorlage (Draft) und Recherche aufgeteilt ist. Im Recherche-Bereich wird alles abgelegt, was für den Text irgendwie von Belang ist, sei es eine Notiz, Grafik oder PDF-Datei. Die Corkboard-Ansicht stellt diese wie Zettel auf einer Pinnwand dar; weniger hübsch, aber dafür informativer ist der Outliner, in welchem die Elemente in Textform aufgelistet werden.

Ganz so streng ist die Trennung zwischen Vorlage und Recherche nicht, für jedes einzelne Kapitel lässt sich ein Eintrag für Notizen aller Art erstellen. Die einfachste Möglichkeit, den Text zu unterteilen, ist, ihn auf mehrere Ordner zu verteilen. In diesen Ordnern können wiederum mehrere Texte vorhanden sein, für jeden Text lässt sich eine Kurzzusammenfassung schreiben, die dann in der Ordnerübersicht erscheint. Die Ordner- und Textsymbole zeigen durch ihre Färbung das Etikett an, außerdem kann allen Elementen ein Status zugewiesen werden. Eine Ordner-Einteilung ist auch hinterher einfach mit der Gruppieren-Funktion möglich, und da derart zerstückelte Texte beim Bearbeiten manchmal unpraktisch sind, lassen sich selektierte Einträge mit „Edit Scrivenings“ am Stück editieren.

Bitte lächeln

Wenn ein Kapitel komplett überarbeitet werden soll, empfiehlt sich eine Momentaufnahme mit der Snapshot-Funktion. Diese merkt sich den Text in seinem aktuellen Zustand und erlaubt jederzeit wieder zu diesem zurückzukehren oder auch nur Teile daraus zu kopieren, falls die Neufassung wider Erwarten doch nicht gelungen sein sollte. Als halbtransparentes Fenster zeigt sich die Liste der Schlüsselwörter: Sie werden von der Scrivener-Suchfunktion erfasst und stellen ein weiteres Instrument zur Kapitelbeschreibung dar. Das gewünschte Stichwort muss auf den entsprechenden Eintrag in der Projektliste (dem „Binder“) oder den Inspektor geschoben werden.

Seit Ulysses gehört ein Vollbildmodus zum guten Ton. Die Scrivener-Variante erinnert etwas an iPhoto, hauptsächlich wegen der Werkzeugleiste, die am unteren Bildschirmrand ausklappt. Dort kann auch die Transparenz des Hintergrunds eingestellt werden, eine Option, welche in den Programmeinstellungen fehlt. Im Vollbildmodus ist außerdem der Inspektor und die Schlüsselwortliste erreichbar, mit einem voll aufgedrehten Regler für die Papier-Breite entsteht ein wahrhaft bildschirmfüllender (wenn auch unübersichtlicher) Text. Abgerundet wird das Programm durch eine umfangreiche Export-Funktion mit HTML-, MultiMarkDown- und LaTeX-Unterstützung, welche auch die Brücke zu Final Draft schlägt.

Fazit

Alle Funktionen von Scrivener lassen sich kaum auf einer Seite beschreiben und da diese Funktionen auch noch gut miteinander verknüpft sind, ist das Fazit trotz kleiner Schwächen (kein Ziehen & Ablegen vom Finder direkt in den Outliner) ein positives: Jeder, der kreative Texte jenseits von vier Schreibmaschinenseiten schreibt, sollte sich Scrivener einmal anschauen.