Mehr Szenenrealismus

Cinema 4D Release 9.5

Maxons 3D-Profiprogramm Cinema 4D ist zweifelsohne eine ausgereifte Applikation. Dass sich die Entwickler bei der aktuellen Version 9.5 vor allem um den Aspekt Veredelung gekümmert haben, ist da nur folgerichtig. Günter Schuler berichtet, was es Neues gibt.

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Geht es um den Aspekt Produktpflege, lässt Cinema 4D-Hersteller Maxon kaum etwas anbrennen. Die typische Versionssprung-Zeitspanne beträgt bei der im hessischen Taunusörtchen Friedrichsdorf beheimateten Firma etwas mehr als ein Jahr. Typisch für die Weiterentwicklung von Cinema 4D sind darüber hinaus die halben Versionssprünge: von Version 7 auf Version 8, von 8 auf 8.5, von 8.5 auf 9, und nunmehr von 9 auf 9.5. Angesichts der teilweise substanziellen Neuerungen lässt sich die herkömmliche Unterscheidung in „ganzes“ und „halbes“ Upgrade da nur noch bedingt aufrechterhalten.

Für Anwender, die bereits länger mit der 3D-Lösung „made in Friedrichsdorf“ arbeiten, ist darüber hinaus auch der technologische Fortschritt in ihrem Programm nicht uninteressant. Zwar ist Cinema 4D mittlerweile eindeutig in der Profi-Oberliga positioniert. Geblieben ist jedoch der für eine 3D-Software unüblich einfache Zugang. Typisches Aha-Erlebnis von Einsteigern: Das Programm ist zwar sehr komplex; die Basics jedoch erschließen sich auf vergleichsweise einfache Weise. Dies gilt – zumindest zum Teil – auch für jene Bereiche, die seit Version 7 hinzugekommen sind oder verbessert wurden: Radiosity (Version 7), Materialien und Shader (Version 8.5) sowie der Workflow (Version 9). Typisch für Cinema 4D sind auch die in die diversen Bundle-Angebote integrierten Zusatzmodule. Version 8.5 brachte hier das Sketch-Tool Sketch and Toone; Version 9 schließlich den Bekleidungsgenerator Clothilde.

Nun ist die neue Version raus. Erster Eindruck: Der Mix aus Innovationen innerhalb des Basisprogramms sowie einem erweiterten Modulsortiment charakterisiert auch den aktuellen Versionssprung. Als zusätzliche Plug-in-Einheit präsentiert Maxon diesmal den Himmels- und Atmosphärengenerator Sky. Die eigentlichen Programmneuerungen sind, wie auch schon bei Version 9.5, schwerpunktmäßig vorgenommen. Stand bei der Vorversion 9 die Verbesserung des Workflows im Mittelpunkt, widmet sich die aktuelle Programmversion vor allem den Möglichkeiten, (noch) bessere Ergebnisse zu erzielen.

Lightning & Rendering

Ins Auge fallen zunächst die zahlreichen Detailüberarbeitungen im Bereich des Renderings, der Lichtgebung sowie der Schattengenerierungen. Die zuvor nur über unterschiedliche Tabs ausdifferenzierbaren Lichtquellen-Grundarten können nun separat aufgerufen werden. Die entsprechenden Icons im Objektmanager zeigen sogar an, ob eine Schatteneinstellung zugewiesen wurde oder nicht. Bei den Feineinstellungen sind einige neue Optionen hinzugekommen. Die Liste der Lichttypen ermöglicht auch das Zuweisen von Spline-Formen wie etwa Rechteck oder Kreis. Konkret von einer Form begrenzte Lichtquellen-Ursprünge, wie etwa Neonröhren oder Lampen, erfordern so weitaus weniger Workarounds wie in der Vergangenheit. Weitere Detailneuerungen: die Option „Verlauf“ statt „Innerer Farbe“ sowie Möglichkeiten, die Qualität der renderaufwändigen Flächenschatten näher zu spezifizieren. Die neue Option „Schattenwerfer“ bei den Schatteneinstellungen erlaubt es, Lichtquellen lediglich für Schattenwürfe zu verwenden. Günstig ist dies dann, wenn die erstellte Szenenausleuchtung zwar in sich stimmig ist, der Richtung sowie der Ausprägung von Schattenwürfen jedoch separat nachgeholfen werden soll.

Bei den Rendereinstellungen taucht als neuer Effekt Ambient Occlusion auf – was so viel wie Umgebungsausschluss bedeutet. Die noch bei Version 7 gerühmten Verfahren zum Generieren von Radiosity gehen im übergeordneten Punkt Global Illumination auf; hier finden sich die für realistische Lichtverteilung so wichtigen Einstellungsmöglichkeiten für die High-End-Rendermethode Radiosity. Weitere Neuigkeit: Subpolygon Displacement und Globale Helligkeit sind auch für komplette Szenarien aktivierbar. Einen Quantensprung macht Cinema 4D 9.5 hinsichtlich der Farbtiefe. Ähnlich wie Adobes Bildbearbeitungsstandard Photoshop erweitert Cinema 4D die unterstützte Farbtiefe für Texturen: vorerst auf 16 Bit. Anvisierter Effekt sind zum einen noch detailhaltigere, realistischere Texturierungen. Darüber hinaus ermöglicht die Unterstützung von 16 Bit auch das Einstellen besserer Renderergebnisse. Weitere Konsequenz: Klassische HDR-Formate wie OpenEXR werden von Cinema 4D jetzt auch unterstützt. Unabhängig von der Farbtiefe bietet die neue Cinema-Version einen weiteren praktischen Vorteil: Auch Photoshop-Ebenen und -Ebenenkomps lassen sich aus Texturen auslesen.

Backen, Browsen, 3D-Reliefs

Dass Cinema 3Ds Render-Engine angesichts der beschriebenen neuen Funktionen noch mehr ins Schwitzen gerät als zuvor, leuchtet ein. Um die Algoritmen insbesondere bei der Materialberechnung zu vereinfachen, wurden die Möglichkeiten, Texturen zu backen, weiter ausdifferenziert. Vereinfacht beschrieben, ermöglicht das Backen von Texturen deutliche Geschwindigkeitssteigerungen – allerdings auf Kosten der Qualität. In Kauf genommen wird diese Qualitätseinbuße vorwiegend im Animationsbereich – dort also, wo es nicht um qualitativ hochwertige Einzelbilder geht, sondern um komplette Bildsequenzen, deren Aufrendern einigermaßen zügig über die Bühne gehen soll.

Anders als die für Standbilder weniger interessanten Baking-Verfahren kommen einige weitere Neuerungen insbesondere den klassischen Cinema 4D-Sektoren Szenen-Ausgestaltung und Texturierung zugute. Der Materialmanager wartet mit einem neuen Unterpunkt namens Normale auf. Ähnlich wie Displacement, versetzt auch Normale Texturwerte abhängig von einer geladenen Textur. Anders als Displacement orientiert sich Normale jedoch nicht an Form, Position und Anzahl tatsächlich vorhandener Objekt-Polygone, sondern arbeitet unabhängig davon. Ein Vergleich mit dem Photoshop-Filter Versetzen wird zumindest Bildbearbeitern einen kleinen Eindruck nahe bringen. Bei den Kameraeinstellungen neu ist die Option „Nahes Clipping“. Sie ermöglicht das Einsetzen von virtuellen Schnittebenen in Szenerien und damit das optische „Durchschneiden“ von Szenen. Allerdings: Für klassische Durchschnitt-Präsentationen, etwa bei geografischen Info-Abbildungen, ist „Durchschneiden“ weniger geeignet. Da das Clipping stets abhängig von der Position der Kamera bleibt und aufgeschnittene Objekthüllen nicht in jedem Fall der beabsichtigte Effekt sind, bleiben klassische Modelling-Funktionen wie die Boole’schen Operatoren weiterhin unverzichtbar.

Der Bereich der Arbeitsökonomie steht beim aktuellen Release zwar nicht im Mittelpunkt, wurde jedoch ebenfalls mit weiteren Funktionen bedacht. Bei den Ansichtsmodi wurde die Liste erweitert: Während Konstantes Shading das Drahtgittergerüst weglässt, ermöglicht Konstantes Shading (Linien) das Beibehalten dieser rein der Orientierung dienenden Funktion. Die diversen Manager lassen sich temporär als Vollbild aufrufen, möglich macht es die Option „Vollbild“ oder das Betätigen der Tastenkombination Ctrl + Tab. Eine weitere Option namens „Hauptfenster“ erleichtert das Anordnen der diversen Manager auf zwei Monitoren. Ausgelöst wird sie von derselben Tastenkombination – nur dass der aktive Manager diesmal stante pede das volle Zweitmonitor-Fenster veranschlagt.

Ein besonderes Goodie der neuen Cinema 4D-Programmversion ist der über Fenster ansteuerbare Content-Browser. Ansatzweise war eine Browsingfunktion zwar bereits in der Vorversion enthalten. In der aktuellen Programmversion präsentiert sich diese Managereinheit jedoch als veritable Organisations- und Ansichtszentrale für alle Komponenten, welche für eine Cinema 4D-Szenerie benötigt werden. In vielem gleicht der Content Manager dem Dateibrowser in Photoshop CS1: Auf der linken Seite befindet sich die Ordnerstruktur der Festplatte, auf der rechten hingegen werden die im jeweiligen Ordner befindlichen Dateien angezeigt. Per Vorschau visualisiert werden dabei nicht nur Hilfsdateien wie etwa Texturen oder Grafiken, sondern auch die Szenarien selber. Die Speicherverwaltung dieses Tools funktioniert intelligent, so dass sich der Content Browser bereits erstellte Voransichten „merkt“. Folge: Kein langes Warten, sondern eine recht zügige Anzeige der benötigten Komponenten.

Himmel und Erde: Sky

Neuzugänge sind auch bei den Plug-ins zu verzeichnen. Lieferten die Vorversionen zusätzliches Know How für abgespeckte Cartoon-Darstellungen sowie realistische Kleiderfalten, stellt Cinema 4D 9.5 mit Sky ein Zusatzmodul für die Generierung realistischer Szenenumgebungen zur Verfügung. Sky-Umgebungen machen sich an zwei Programmstellen bemerkbar: zum einen als Objekt im Objektmanager, zum anderen als Sky-Material im Materialmanager. Ein zusätzlicher Shader ist diese Einheit allerdings nicht. Sky stellt vielmehr einen separaten Funktionsbereich zur Verfügung, mit dem sich Wolken, Mond, Sterne, Regenbogen, Nebel, Sonneneinstrahlung und weitere Wetter-Erscheinungsformen einstellen lassen. Die zentrale Cockpit-Einheit, der Sky-Manager, kommt einigermaßen komplex, enthält jedoch einen Extra-Konfigurationsmodus für Anfänger: Wird unter dem Punkt Objekt der entsprechende Modus angewählt, reduziert sich die Anzahl der Manager-Tabs von dreizehn auf vier.

Im Praxistext erweist sich Cinema 4Ds neueste Plug-in-Einheit, wenn auch mit etwas Einarbeitung, als recht effizient funktionierende Lösung, mit der sich verblüffende Ergebnisse erzielen lassen. Die Wirkungsweise lässt sich so charakterisieren, dass Szenen von Sky-Umgebungen mit einem spezifischen Umgebungsambiente aufgepeppt werden. Am faszinierendsten erweist sich dabei das Einstellen konkreter Tageszeit- und Wetterbedingungen, sogar das Einbeziehen konkreter Ortsbedingungen ist möglich. Ein Manko der aktuellen Sky-Version sind die fehlenden weichen Schatten; als Sonnenstrahlentyp unter Illumination angeboten werden lediglich Keiner, Hart und Fläche. Auch sonst erfordert Sky etwas Beschäftigung mit seinen Möglichkeiten – und auch Grenzen. Insbesondere das Austarieren der zu Szenen passenden Licht- und Schattenverhältnisse gestaltet sich, da Sky-Ausleuchtung und allgemeine Szenenlichter unter einen Hut gebracht werden müssen, mitunter als etwas kniffelig. Tipp: Auftunen lassen sich Sky-Umgebungen durch ein oder mehrere zusätzliche Szenenlichter, welche mit der neuen Option Schattenwerfer versehen sind. Das Szenenlicht ist in diesem Modus lediglich für die weichen Schattenwürfe verantwortlich; die unterschiedlichen Lichtursprünge morgens, mittags und abends allerdings müssen manuell nachjustiert werden – wie in den Beispielabbildungen zu sehen.

Trotz einiger Kritiken im Detail erweist sich Sky als wertvolle und nicht allzu schwer anwendbare Bereicherung im Cinema 4D-Programmverbund. Die restlichen Upgrade-Neuerungen sind in sich nicht spektakulär, bereichern das Programm jedoch durch eine Reihe weiterer Optionen. Vorwiegend zugute kommen diese diesmal der Ausgabequalität – auch wenn das Arbeiten mit 16-Bit-Texturen vorerst weniger praxisrelevant sein dürfte. Einen guten Eindruck hinterlässt darüber hinaus auch der neue Content Browser. Last but not least: Lobenswert wie immer sind die angenehm verständlich geschriebenen Handbücher. Fazit: Wer mit Cinema 4D anspruchsvolles 3D betreiben möchte, erhält mit der neuen Programmversion eine rundherum ausgereifte Lösung. Flankiert wird der Programmkern von einem Modulsortiment, dass mittlerweile ein sehr breites Spektrum von Spezialanforderungen abdeckt. Angesichts dieses Sortiments darf man gespannt sein, was sich die Maxon-Entwickler noch alles einfallen lassen werden – beispielsweise für die als nächstes anstehende – und vermutlich 2006 erscheinende – runde Version.

Testergebnis
ProduktnameCinema 4D 9.5
HerstellerMaxon
PreisVollversion Release 9.5: 699 Euro. XL: 1999 Euro. Studio Bundle: 3249 Euro. Upgrades von Version 9: Vollversion Release 9.5: 199 Euro. XL- und Studio-Bundle: 299 Euro.
Webseitewww.maxon.de
Pro
  • verständliches Handbuch
Systemvoraussetzungenkeine
Bewertung
1,9gut

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