Ambitionierte Amateur- und Profifotografen sind anspruchsvolle Kunden. Gutes Geld geben sie für Apparate, Objektive, Hard- und Software – und sind dem qualitätsorientierten Computerkonzern Apple eine ideale Zielgruppe. Nicht umsonst ist er mit ihr seit über 25 Jahren verbunden, seit die digitale Bildbearbeitung im Desktop-Publishing zu Hause ist. Mitte Oktober letzten Jahres erschien das erste eigene professionelle Bildbearbeitungsprogramm von Apple: Aperture, zu deutsch „Blende“. Aperture sollte die RAW-Datenverarbeitung, das unbehandelte 8- bzw. 12-Bit-Rohformat der digitalen Profikameras, revolutionieren. Anders als die bereits auf dem Markt befindlichen RAW-Datenverarbeiter (siehe Vergleichstest „RAW aber herzlich“ in Mac Life 06.2005, S. 46-49) sollte sich Aperture dem Arbeitsablauf des Digitalfotografen auf bisher nie da gewesene Weise – eben optimal – anschmiegen.
Der Ansatz, den Apple dazu gewählt hat, ist dem analogen Alltag der Fotografen abgeschaut: Von der Jagd zurück, müssen die Fotos gesichtet, sortiert, optimiert und präsentiert bzw. verkauft werden. Unter kommerziellen Bedingungen mit hohem Zeitdruck und höchster Qualität. Revolutionäres enthält Aperture wenig, auch die verlustfreie Rohdatenverarbeitung hat Apple trotz vollen Werbemundes nicht erfunden. Das bemerkenswerte Konzept besteht jedoch aus vielen praktischen Lösungen, die für den unter Zeitdruck stehenden Profi Gold wert sein können. Es beginnt mit dem Laden der Bilder über die Organisation, über das Sortieren und Aussortieren und logische Gruppieren, die Arrangements auf dem Leuchttisch bis zum Verschlagworten und endet mit der Ausgabe (farbtreue Index-Prints, Fotobuch-Layouts, Präsentation, Web-Publishing).
Dem gleichen Prinzip folgte Adobe Anfang des Jahres mit der Betaversion seines „Lightroom“. Zwar etwas geringer ausgestattet als Aperture, hat Lightroom dafür jedoch einen ausgefeilten RAW-Konverter unter der Haube: Adobe Camera Raw (ACR) von Photoshop CS. Am mangelhaften RAW-Konverter und an der Bearbeitungsgeschwindigkeit von Aperture entzündete sich die Kritik der eigentlich wohlwollenden Gemeinde: Zu schön war die Idee, zu gefällig der digitale Leuchttisch – allein, die Qualität der RAW-Bearbeitung reichte nicht aus. Anderen RAW-Konvertern wurde der Vorzug gegeben, und Fotoreporter konnten auf Nachbearbeitung in anderen Programmen nicht verzichten.
Rauschfreier RAW-Konverter
Mit der neuen Version 1.1 hat Apple gezeigt, dass der Hersteller seine Kunden und ihre Kaufkraft ernst nimmt. Der bewährte Workflow ist unverändert, der RAW-Konverter wurde dagegen neu geschaffen – und der Preis erfreulicherweise reduziert. Und tatsächlich: Das Ergebnis lässt sich sehen. Während unter Aperture 1.0 einfarbige Flächen und dunkle Bildpartien hässliche Artefakte aufwiesen, harte Kanten unsauber und gezackt erschienen, sind die Zeiten der Klötzchenbildung unter 1.1 offenbar vorbei. Die Testbilder verschiedener Kameratypen zeigen deutliche Verbesserungen – wesentliche Farbverschiebungen kommen nicht mehr vor. Auch das „weiße Rauschen“ in Schatten ist verschwunden, das Entrauschen wird verbessert durch die „Auto Noise Reduction“, Farbrauschen lässt sich über einen Regler fein dosiert unterdrücken („Chroma Blur“). Ausgefressene Lichter gehören der Vergangenheit an, der neue „Boost“-Regler zur Einstellung des Bildkontrasts macht es möglich.
Verbessert wurde auch der Schärfungsgenerator, dessen frühere Wirkung in den Anwenderforen verhöhnt wurde. Hier lässt sich neben dem Radius nun auch die Kantenschärfe regeln. Immer noch kann Aperture hier Boliden wie Capture One nicht das Wasser reichen, wer höchste Qualität will, muss mit Noise Ninja nachschärfen. Das neue Colorimeter zeigt die RGB-Werte im Einstellungsfenster und auf Wunsch auch in der Lupe. Mit „Color Monochrome“ lassen sich Bilder nun auch in anderen Farbtönen als Sepia einfärben. Weitere Änderungen hat Apple beim Dateiimport zugelassen: Auch Photoshop-Dateien mit Ebenen werden nun akzeptiert, und IPTC- und EXIF-Daten lassen sich erhalten, im Master jedoch nicht verändern. Erstmals lassen sich auch die RAW-Finetuning-Einstellungen als Kamera-Setting speichern und laden. Gestapelte Bildhaufen muss man nicht mehr auflösen, um ihren Inhalt in Publishing-Projekten zu verwenden. Der Bildexport wird nun beschleunigt durch die Möglichkeit, dateiformatabhängige Vorgaben für Bildgröße, Qualität und RGB-Farbprofile anzulegen.
Die Mängelliste des Profisoftware-TÜVs ist aber immer noch lang. So werden alle RAW-Dateien in eine Zentralbibliothek gezwungen und damit dem Zugriff anderer Verwaltungsprogramme entzogen. Weiterhin gilt: Öffnen nur mit „Öffnen mit“-Funktion. Extern als CMYK-konvertierte Bilder können lediglich als RGB bearbeitet werden. Das „Zukunftsformat“ DNG kann nur gelesen, nicht aber geschrieben werden. Gerade bei großer Monitorauflösung ist die Schrift viel zu klein. Nach wie vor fehlen Gamutwarnungen für Lichter und Schatten. Ebenso wünscht man sich die Anzeige der Dateiendungen bei der Arbeit am Leuchtpult. Gradationskurven wie bei ACR wären nicht wenig sinnvoll, es fehlen immer noch typische Blendenkorrektur-Werkzeuge wie Entzerren und solche gegen Vignettierung und Farbsäume. Viele Profis vermissen auch die selektive Farbkorrektur und „Unscharf maskieren“. Zu guter Letzt lässt die Performance zu wünschen übrig, sie scheint zurzeit sogar das größte Akzeptanzproblem zu sein.
Performance-Probleme
Denn das Herz Apertures, der RAW-Konverter, ist zwar sehr zum Vorteil des Programms verbessert worden, aber offenbar auf Kosten der Verarbeitungsgeschwindigkeit. Gerade auf G4-/G5-Systemen klagen Anwender über den „Beachball“, der intensive Prozessorarbeit anzeigt – schließlich werden alle Änderungen in „Echtzeit“ vorgenommen, während z. B. Photoshop erst beim Speichern des Bildes die Änderungen berechnet. So treten nach 20-minütiger Aperture-Tätigkeit Lähmungserscheinungen des Programms auf, die sich nur durch Neustart beheben lassen – kein feiner Zug einer frischen Apple-Software. Das „Straighten“ (Gerade ausrichten)-Werkzeug ließ sich an einem Doppelherz-G5 mit 1500 MB RAM und 2x2,0 GHz nicht ertragen, so ruckelig und damit unbrauchbar fasste es sich an. Zudem ist es wie der „Fleckenentferner“ äußerst umständlich zu bedienen. Apple: So geht es nicht! Besser sieht es geschwindigkeitsmäßig dagegen bei den Intel-Mac-Besitzern aus, dem neuen Prozessor und optimiertem Universal-Binary-Code sei Dank.
Die hohen Systemanforderungen an Speicher und Grafikkarte haben sich dennoch nicht verschmälert – obgleich Aperture auch auf Intel Mac minis zum Laufen zu bringen ist, ist es doch die richtige Software, um den Absatz künftiger gut ausgestatteter Power-Mac-Nachfolger auf Intel-Basis zu fördern. Apertures Update kommt zur rechten Zeit, es war bitter notwendig. Selbst wenn die Wunschliste noch lang ist, kann der eine oder andere Profi sämtliche Schritte nun ausschließlich und zuverlässig mit Aperture erledigen – und auf weitere Programme eventuell verzichten – unter günstigen Bedingungen. Der Komfort der Auswahl- und Sortierfunktionen ist Apple-typisch unerreicht ergonomisch, andere Hersteller werden jedoch gleichziehen. Deswegen ist auch die Preisreduktion von 479 Euro auf 299 Euro nur konsequent, sehr fair dann der Gutschein über 180 Euro für bisherige Käufer, den man bereits für den Erwerb eines Intel Mac zur Seite legen kann. Eine baldige Lokalisierung der bisherigen englischsprachigen Version steht nach diesem Update auf der Agenda des Herstellers, wie man hört.
Produktname | Aperture 1.1 |
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Hersteller | Apple |
Webseite | www.apple.de |
Pro |
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Contra |
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Systemvoraussetzungen | Mac OS X 10.4.6, Universal Binary, ab G5, 1 GB RAM, unterstützt ATI- oder NVIDIA-Grafikkarte |
2,3gut |
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