Musikproduktion „Made in Berlin“

Test: Bitwig Studio, das neue Programm zur Musikproduktion

Der Markt für Software zur Musikproduktion ist hart umkämpft, Mac-Anwender haben die Qual der Wahl. Gestaltet sich die Kaufentscheidung mit Veröffentlichung von Bitwig Studio noch schwieriger? Wir haben die neue Musikproduktionssoftware aus Berlin in der Praxis getestet.

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Der Berliner Entwicklerteam Bitwig wurde 2009 gegründet, eine erste Version von Bitwig Studio wurde 2012 angekündigt. Zwischen Firmengründung und der Veröffentlichung des ersten Produkts im Frühjahr 2014 vergingen somit insgesamt rund 5 lange Jahre, die Sequenzer-Software galt eine kleine Ewigkeit als das geheimnisumwitterte „Duke Nukem Forever“ der Branche.

Warum aber war das Interesse vorab der Veröffentlichung so groß? Hierfür gibt es zahlreiche Gründe, allen voran jedoch die versprochene Kombination aus Elementen traditioneller Sequenzer mit denen moderner Performance-orientierter Konzepte. Um in Bildern zu sprechen: Auf den ersten Blick wirkt Bitwig Studio wie das Kind aus einer leidenschaftlichen Liaison zwischen den beiden etablierten Programmen Logic und Live: Es bietet sowohl die klassische, an Bandmaschinen orientierte lineare Arrangement-Ansicht herkömmlicher Sequenzer als auch den aus Ableton Live bekannten Clip-Launcher, welcher sich eher als eigenständiges Instrument statt als Sequenzer versteht.

Um das Programm in der Praxis zu testen, wurden in der Software viele Songideen skizziert und ein Song so weit wie möglich fertig gestellt. Dabei lässt sich in Bitwig Studio auf Wunsch ähnlich wie in Live arbeiten: Ideen lassen sich als Clips festhalten, welche sich live in ein Arrangement einspielen und so zu einem Song formen lassen. Diese Arbeitsweise ist vor allem im Bereich der elektronischen Musik sehr effektiv. Aber auch wer ganz klassisch Rock und Pop produziert, kann den dahinterstehenden linearen Ablauf in Bitwig Studio umsetzen. Sprich: Bitwig ist sehr flexibel und vereint mehrere Herangehensweisen, die sich zudem gewinnbringend kombinieren lassen!

Die Stärken

Rund 50 Instrumente, Effekte und sogenannte Container befinden sich im Lieferumfang. Neben Software-Klangerzeugern, etwa dem virtuell-analogen Synthesizer Polysynth und einem schnörkellosen Sampler-Instrument, bietet Bitwig Studio eine Basisausstattung gängiger Studio-Standards.

Ganz besonders interessant sind die Container-Devices, mit denen sich auch ausgefallene Effekte und Sounds realisieren lassen: Wer mag kann beispielsweise die Höhen und Tiefen eines Klangs getrennt durch zwei verschiedene Effekte bearbeiten lassen. Mit ein wenig Geduld lassen sich so nicht nur technisch interessante sondern vor allem auch musikalisch sinnvolle Effekte erzielen. Auch hinter dem XY-Instrument steckt eine clevere Idee: Dieser Container nimmt via Drag and Drop bis zu vier verschiedene Klangerzeuger auf, zwischen deren Sounds sich dynamisch innerhalb einer XY-Matrix überblenden lässt. Spannend ist auch die Arbeit mit interaktiven Parameterhistogrammen – mit nur wenigen Mausklicks lassen sich hier im Handumdrehen sehr lebendige Modulationen erzielen.

Weitere nennenswerte Features: VST-Plug-Ins laufen in einem separaten Prozess, der Absturz eines Plug-Ins reißt nicht gleich die gesamte Software in den Tod. Bitwig Studio arbeitet mit Tabs. So lassen sich nicht nur mehrere Projekte zur gleichen Zeit offen halten, sondern es können auch Elemente ganz einfach via Drag and Drop getauscht werden.

Die Schwächen

Weniger üppig und ganz ohne Überraschungen geht es bei den mitgelieferten Sample-basierten Klängen zu. Die rund 3 GB im Lieferumfang befindlichen Sounds decken mit Drums, E-Piano-Klängen und diversen Loops nur wenige Standards ab, an die Klangvielfalt eines Logic Pro X oder Ableton Live in der Suite-Ausgabe kommt Bitwig Studio ganz klar nicht heran.

Die Version 1.0 einer neuen, komplexen Software hat immer auch Schwächen. Im Falle von Bitwig Studio sind diese in der Summe recht überschaubar. Mac-Anwender ärgern sich eventuelll über die fehlende Unterstützung von AudioUnit-Plug-Ins – ob diese per Update nachgereicht wird, stand zum Redaktionschluss noch nicht fest. Zudem ist ein weiteres und sehr interessantes Feature lediglich angekündigt: Durch den laut Bitwig streng modularen Aufbau von Effekten und Instrumenten sollen sich im Handumdrehen eigene Kreation erstellen lassen, ähnlich wie man es bereits von Max/MSP, Reaktor oder Creamware Scope her kennt. Ebenfalls unter „coming soon“ verbucht: Die kollaborative Arbeit am gleichen Projekt im lokalen Netzwerk und über das Internet. Und das sogar über Plattform-Grenzen hinweg, denn Bitwig Studio ist als einzige kommerzielle DAW-Software sowohl für Windows-, Mac- und Linux-Systeme erhältlich.

Fazit

Das Fundament ist gelegt: Bitwig haben mit Version 1 ihrer Sequenzersoftware solide Arbeit geleistet, selten war die erste Version eines solch komplexen Programms so durchdacht und auf Hochglanz poliert. Lobenswert ist auch die Frequenz und Qualität der Updates: In den ersten Tagen nach Veröffentlichung wurden diverse Fehler überraschend schnell und gründlich behoben. Das macht Hoffnung, bislang nur angekündigte Funktionen wie etwa das Modularsystem werden hoffentlich schnell den Weg in das fertige Produkt finden.

Bitwig Studio vermag bei der kreativen Arbeit zu inspirieren. Langjährige Anwender etwa von Ableton Live oder Logic wird das Programm bei derzeitigem Entwicklungsstand dennoch nicht zum Umstieg bewegen können, denn dafür fehlt es nicht nur an einigen Standards sondern auch und vor allem an wirklich revolutionären, neuen Funktionen – die aber sind eben lediglich für die Zukunft versprochen, ein Termin steht nicht fest. Sowohl Neueinsteigern als auch potenziellen Umsteigern empfehlen wir den Selbstversuch: Eine kostenlose Demoversion von Bitwig Studio steht auf der Hersteller-Website zum Download bereit.

Testergebnis
ProduktnameBitwig Studio
HerstellerBitwig
Preis330 Euro (Box), 300 Euro (Download)
Webseitewww.bitwig.com
Pro
  • kombiniert mehrere Sequenzerkonzepte
  • clevere Container-Plug-Ins
  • für Mac
  • Windows und Linux verfügbar
Contra
  • wenig mitgelieferte Sounds
  • kein Rewire
  • keine VST-Multiout- und AU-Unterstützung
  • diverse Features lediglich angekündigt
SystemvoraussetzungenOS X 10.7, 64-Bit-Intel CPU, 2 GB RAM, 2 GB
Bewertung
2,3gut

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