Sechs Open-Ear-Kopfhörer im Vergleichstest

Open-Ear-Kopfhörer im Test: Halt die Ohren offen!

Sechs Konkurrenten im ersten Open-Ear-Rennen: Diese Modelle versprechen Hörgenuss, ohne das Ohr abzudichten.

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15 Minuten Lesezeit

Es gibt sie, diese In-Ear-Verschmäherinnen und -Verschmäher. Meine Nachbarin gehört dazu: Musik unterwegs hören? Ja, bitte! Irgendetwas in den Gehörgang stecken? Niemals!

Medizinerinnen und Mediziner sollten an dieser Stelle Beifall klatschen. In einem Interview mit der Mac Life erklärte etwa Dr. Veronika Wolter, HNO-Chefärztin der Helios Hörklinik Oberbayern, in Ausgabe 09/2023 die Gefahren von In-Ear-Kopfhörern. Ihr Fazit: „Apple müsste den AirPods einen Warnhinweis beilegen!“

Wenn In-Ears keine gute Idee sind

Tatsächlich sind die seit der Einführung der ersten AirPods nahezu allgegenwärtigen In-Ear-Kopfhörer nicht unproblematisch. Aufgrund ihres Sitzes knapp eineinhalb Zentimeter vor dem Trommelfell gefährden sie bei langfristigem Gebrauch mit höheren Lautstärken die Hörgesundheit erheblich. Hinzu kommt der hygienische Aspekt: In-Ears schließen den Hörkanal fast vollständig ab und bieten somit Bakterienkolonien eine ergiebige Brutfläche – denn wer reinigt die kleinen Stecker schon täglich?

Hinzu kommen praktische Gründe, die für viele gegen den Gebrauch von In-Ear-Kopfhörern sprechen. Wer etwa mit dem Fahrrad, joggend oder schlicht zu Fuß im Straßenverkehr unterwegs ist, sollte (und muss) ein offenes Ohr für die Umgebungsgeräusche bewahren. Besonders Modelle mit aktiver Geräuschminderung fallen dabei flach; aber auch ohne eingeschaltetem ANC mindern abschließende In-Ears die akustische Teilnahme am Verkehr beträchtlich.

Nomen est omen: Open-Ear-Kopfhörer halten die Ohren im Straßenverkehr offen.
Nomen est omen: Open-Ear-Kopfhörer halten die Ohren im Straßenverkehr offen. (Bild: Sony)
Kopfhörer im Straßenverkehr

Grundsätzlich ist das Tragen von Kopfhörern im Straßenverkehr in Deutschland erlaubt – sowohl für Fahrrad- und Autofahrer als auch für Fußgänger. Allerdings dürfen sie nicht so laut sein, dass du Signaltöne, etwa ein Martinshorn oder eine Hupe, nicht hörst. Dann droht ein Bußgeld! Sollte es gar zu einem Unfall kommen, weil deine Wahrnehmung eingeschränkt war, kann dies vor Gericht rechtliche Konsequenzen bezüglich der Schuldfrage nach sich ziehen.

Doch auch bei der Arbeit sind abschottende Kopfhörer oft keine gute Wahl: Bist du etwa im Büro oder im Handwerk auf den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen angewiesen, ist das Starten und Stoppen der Musikwiedergabe auf Dauer eher störend.

Hinzu kommen – wie eingangs beschrieben – Menschen, die das Tragen von In-Ears schlicht als unangenehm empfinden oder die dazu neigen, sie aufgrund der individuellen Ausformung ihres Gehörgangs allzu leicht zu verlieren. Klassische Over-Ear-Kopfhörer sind häufig jedoch keine Alternative, da diese den Tragenden ähnlich stark von der Außenwelt abschotten.

Open-Ears als Alternative

Still und klammheimlich zeichnet sich in den vergangenen Monaten ein Trend ab, der obigen Herausforderungen mit einem neuen Ansatz begegnet: kabelfreie Open-Ear-Kopfhörer, die nicht in, sondern über dem Gehörgang liegen und diesen somit nicht abschließen. Damit entfallen die oben genannten Probleme weitestgehend. Denn Klang aus der Umgebung erreicht das Ohr auch bei laufender Audiowiedergabe und der Hörkanal bleibt hygienisch unverschlossen und gut belüftet.

Zudem können sich offene Kopfhörer sogar als Segen im Straßenverkehr erweisen: Bei der Navigation oder beim Telefonieren unterwegs – immerhin bleiben so die Hände und Ohrkanäle gleichsam frei.

Open-Ears für Radfahrer

Das auf Fahrrad- und Skihelme spezialisierte Unternehmen Livall hat mit dem LTS21 Pro ein besonderes Modell im Programm: Der Open-Ear-Kopfhörer liefert eine Helmhalterung mit, die mit nahezu allen Fahrradhelmen kompatibel sein soll. Du setzt die Hörer vor der Fahrt lediglich in die Halterung ein. Abseits des Radsports lassen sich die 110 US-Dollar teuren Livall-Geräte mithilfe eines Nackenbügels tragen.

Für die Klangübertragung kommt die aus der Hörgeräteindustrie entstammende Air-Conduction-Technologie zum Einsatz. Dieser Marketingsprech bezeichnet im Grunde nichts anderes als die normale Schallübertragung: Die Luft transportiert Klangwellen zum Gehörgang, wo sie das Trommelfell in Schwingungen versetzen. Diese Schallwellen wandern durch die Mittelohrknochen zur Cochlea im Innenohr, wo die Haarzellen sie in elektrische Signale umwandeln und über den Hörnerv an das Gehirn weiterleiten, das den Klang „dechiffriert“ und wahrnehmen lässt.


Ein weiterer Vorteil von Open-Ears: Bei Telefonaten hörst du ungefiltert deine eigene Stimme – das ist jedem vermumpften In-Ear-Gespräch vorzuziehen. —   Thomas Raukamp

Offener Hörgenuss mit Einschränkungen

Neben den vielen Vorteilen hegen Open-Ear-Kopfhörer jedoch auch echte Einschränkungen. Die offensichtlichste: Der Klang kann konzeptbedingt nicht gänzlich mit hochwertigen In-Ears oder gar Over-Ears mithalten – es fehlt schlicht an der geschlossenen Übertragung von den Treibern zum Ohrkanal. Besonders die Basswiedergabe fällt meist hinter anderen Konzepten zurück.

Vergleichbar ist dies mit den originalen AirPods oder den nach wie vor erhältlichen kabelgebundenen EarPods von Apple, die streng genommen nur in der Ohrmuschel liegen, um von dort aus den Ohrkanal zu beschallen. Besonders die in der Folge zahlreich erschienenen, kostengünstigen „Copycats“ zeigen auf, dass sich so nicht der satteste Klang entwickeln kann.

Doch bevor du resigniert weiterblätterst: Es ist bemerkenswert, wie weit sich die Technologie seitdem weiterentwickelt hat. Und so klingen besonders die Modelle von Markenherstellern erstaunlich gut – viele nutzen den zusätzlichen Abstand sogar zu einer angenehmeren räumlichen Abbildung.

Brillenträger sollten hingegen genauer hinsehen, wenn es um die Auswahl des passenden Open-Ear-Hörers geht: Winden sie sich mit einem Bügel um die Ohrmuschel, streitet sich dieser um den Platz mit dem Brillengestell. Die Modelle von Bose, Huawei und Sony liefern hier die passenderen Ansätze.

Umweltfreundlich geht anders!

True-Wireless-Kopfhörer gelten als denkbar reparaturresistent. Für Apples AirPods-Modelle etwa vergeben die Tüftler von iFixit in Sachen Reparierbarkeit regelmäßig glatte null von zehn Punkten. Bei Open-Ear-Geräten sieht es leider nicht besser aus: Ist etwa der Akku platt, kannst du in der Regel den ganzen Kopfhörer entsorgen. „FairPods“ gibt es bedauerlicherweise noch nicht.

Viele Open-Ear-Kopfhörer kombinieren Treiber und Akku in einem Tragebügel.
Viele Open-Ear-Kopfhörer kombinieren Treiber und Akku in einem Tragebügel. (Bild: Shokz)

Die Auswahl wächst

Es ist schon auffällig, dass immer mehr große Hersteller offene Kopfhörermodelle in ihrem Sortiment führen; unsere Recherche gestaltete sich daher umfangreicher als erwartet. Wie immer gilt: Guter Klang kostet Geld. Möchtest du dich aber zunächst über den Nutzwert im Klaren werden, den das Open-Ear-Konzept für dich tatsächlich hat, tut es vielleicht erst einmal ein Billighörer. Beim Onlinehändler Amazon findest du etwa die Truefree-F1-Kopfhörer – für einen Preis von 32 Euro. Dafür darfst du selbstverständlich nicht zu viel erwarten!

In unserem Test haben wir uns jedoch auf Open-Ear-Modelle konzentriert, die deutlich über 100 Euro liegen – und daher eine echte Entscheidungshilfe benötigen.

Der beste Klang

Erstaunlich, wie gut Open-Ear-Kopfhörer klingen – immerhin „kleben“ sie nicht direkt im Gehörgang. Legst du jedoch etwas mehr Geld an, können sie aber durchaus mit vielen In-Ears mithalten und mittelpreisige Modelle in der Räumlichkeit teilweise sogar noch übertreffen.

Klanglich sind generell die Geräte im Vorteil, die direkt an den Gehörgängen anliegen. Für unseren Geschmack tun sich hier besonders die Sony Linkbuds mit ihrem originären Treiberkonzept und viel intelligenter DSP-Technologie hervor. Positiv überrascht haben uns die Aerofit Pro von Soundcore: Als „echte“ Open Ears lassen sie viele Umgebungsgeräusche passieren, wissen aber dennoch mit einem ansprechenden Sound zu überzeugen.

Der beste Sitz

Bei Open-Ear scheinen sich zwei Konzepte zu etablieren: die Unterbringung von Treibern und (größeren) Akkus innerhalb eines sich um die Ohrmuschel windenden Bügels und das „Anclippen“ an das Ohr. Beide Ansätze bieten einen identisch sicheren Halt. Die Präferenz ist somit individuell. Uns gefallen die Bügel-Lösungen etwas besser, da sie sich noch unauffälliger tragen lassen – oft haben wir schlicht vergessen, dass sie am Ohr anliegen.

Die Sony Linkbuds stellen mit ihrem Ansatz eine Besonderheit dar – und ähneln konzeptuell eher klassischen In-Ears. Das birgt klangliche Vorteile, der Sitz ist jedoch nicht ganz so sicher wie bei der Konkurrenz.

Der smarteste Open-Ear

Sony scheint in seine Linkbuds derzeit alles „hineinzukippen“, was technisch möglich ist – und übertrifft in dieser Hinsicht sogar noch locker Apples Innovationslust bei den AirPods. Klar, über den Nutzwert vieler Funktionen lässt sich streiten: Ob etwa die Haut um das Ohr als Touchbereich dienen muss, sei dahingestellt – cool ist die Idee aber trotzdem. Zweifellos sinnvoll ist jedoch das Pausieren der Audiowiedergabe beim Sprechen.

Und so sind die Linkbuds WF-L900 die „smartesten“ Kopfhörer überhaupt. Übrigens sind die Hörer selbst und das Ladecase zu mehr als 85 Prozent aus wiederaufbereitetem Kunststoff der Automobilindustrie gefertigt und die Umverpackung komplett aus Pappe. Das macht ihre Auswahl noch cleverer.

Open-Ear-Kopfhörer im Bügeldesign sitzen besonders sicher – und eignen sich daher nicht zuletzt für den Sport.
Open-Ear-Kopfhörer im Bügeldesign sitzen besonders sicher – und eignen sich daher nicht zuletzt für den Sport. (Bild: Soundcore)

Die Kontrahenten

Die Bose-Open-Ears sitzen wie modische Accessoires als Clip in den Ohren.
Die Bose-Open-Ears sitzen wie modische Accessoires als Clip in den Ohren. (Bild: Bose)

Bose Ultra Open Earbuds

Ein gutes Zeichen für einen sich entfaltenden Markt: Die „Großen“ mischen mit. So etwa Bose bei den Open-Ear-Kopfhörern. Mit den „Ultra Open Earbuds“ wagt der US-Audiospezialist ein besonderes Design: Ein flexibler, mit weichem Silikon beschichteter Klemmarm verbindet die Treiber mit einem tonnenförmigen Batteriefach, das auf seiner Oberseite die Touchflächen zur Bedienung bereithält. Auf den ersten Blick lassen sich die in Schwarz und Weiß erhältlichen Bose-Hörer leicht mit einem modernen Ohrschmuck verwechseln. Ein weiterer Vorteil der originären Gestaltung: Die Ultra Open Earbuds sind mit Brillengestellen und Fahrradhelmen kompatibel.

Die Audiotreiber sitzen direkt an den Gehörgängen, ohne diese abzuschließen. Umgebungsgeräusche und Gespräche lassen sich also weiterhin recht entspannt wahrnehmen – bei höheren Lautstärken jedoch weit weniger gut als bei „gänzlich offenen“ Varianten wie den JVC Nearphones. Der damit verbundene Umkehrschluss: Die Ultra Open entwickeln die höchste Lautstärke von allen Geräten im Test. Treibst du es allzu wild, neigen jedoch die Mitten und Höhen zum Verzerren.


Bose startet mit einem dank seines Ohrkanal-nahen Sitzes wohlklingenden Open-Ear in den noch jungen Markt. —   Thomas Raukamp

Sowieso, der Klang: Bose kommt dem In-Ear-Erlebnis am nächsten – einmal mehr spielt sich hier der Sitz nahe am Ohrkanal aus. Will sagen: Auch basslastige Musik darfst du guten Gewissens „auflegen“, zumal ein in der Begleit-App vorhandener Bassverstärker für nochmals mehr Wumms sorgt.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: Die Ultra Open Earbuds verfügen über sogenanntes „Immersive Audio“ – bei den aktuellen AirPods „3D-Audio“ genannt. Die Richtung der Audioquelle ist also von den Kopfbewegungen des Tragenden abhängig, um ein möglichst natürliches Klangempfinden zu gewährleisten. Bose unterscheidet dabei zwischen Still- und Bewegungsmodi, beide Ergebnisse sind gleichsam räumlich befriedigend.

Der einzige Minuspunkt betrifft das Ladecase: Dieses lässt sich nicht kabelfrei auf einer Qi-Fläche aufladen – bei einem 350 Euro „schweren“ Kopfhörer ein Versäumnis.

Fazit: Das fängt ja gut an – Bose startet mit einem dank seines Ohrkanal-nahen Sitzes wohlklingenden Open-Ear in den noch jungen Markt und kann gar mit vielen In-Ears mithalten. Er bietet sich wegen der Ohrclip-Gestaltung nicht zuletzt Radfahrenden an. Übertreib es aber im Straßenverkehr besser nicht mit der beeindruckenden Lautstärke, denn dann kannst du auch gleich zu In-Ears greifen!

Konzeptbedingt ist das Case der JVC Nearphones so groß wie eine Bonbonbox.
Konzeptbedingt ist das Case der JVC Nearphones so groß wie eine Bonbonbox. (Bild: JVC)

JVC Nearphones HA-NP50T-B

Das japanische Traditionsunternehmen JVC hat seinen kabelfreien HA-NP50T-B einen passenden Beinamen verliehen: Bei den „Nearphones“ ist der Name Programm. Denn statt im oder am Eingang des Gehörgangs platziert, schweben sie an der Ohrmuschel quasi über selbigem und gewähren so Platz zwischen den eigentlichen Hörern und den Ohreingängen.

Um trotzdem fest anzuliegen, lassen sie sich von einem Bügel halten, der sich von hinten um die Ohrmuschel windet. Das klappt erstaunlich gut: Die Kopfhörer sitzen auch bei schnellen, ruckhaften Bewegungen äußerst sicher und eignen sich somit bestens für nahezu alle Sportarten (außerhalb des Schwimmbeckens). Das erste Anlegen kann aufgrund der relativ steifen Bügel ein wenig fummelig sein; mit etwas Übung liegen sie jedoch schnell in ihrer richtigen Position.

Klein sind die Bügel indes nicht: An ihrer Bauform ist zu erkennen, dass sie an ihrem Ende jeweils den Akku beinhalten. Trotzdem sind sie mit ihren je 4 Gramm kaum spürbar: JVC ist einer der unauffälligsten Kopfhörer im Test gelungen.


Die Nearphones eignen sich dank ihrer Offenheit für Umgebungsgeräusche als sicherer Kopfhörer für den Straßenverkehr. —   Thomas Raukamp

Bist du Brillenträger, solltest du die Nearphones allerdings vor dem Kauf unbedingt zur Probe tragen: Breite Brillenbügel konkurrieren mit denen der Ohrhörer, selbst feinere Modelle hebeln Letztere beim Absetzen nur allzu schnell aus ihrer Position. Wahrscheinlich sind die HA-NP50T dann nicht das Richtige für dich.

Doch was ist klanglich von Hörern zu erwarten, die einige Millimeter über den Ohreingängen liegen? Stellt sich raus: erstaunlich viel. Zunächst einmal: Der vielleicht auch von dir befürchte „Bass-Einbruch“ fällt weg. Tatsächlich stellen die HA-NP50T die Bässe gegen jede Erwartung präsent dar – obwohl sie natürlich konzeptbedingt keine Wunder vollbringen und nicht mit In-Ears konkurrieren können.

Überraschend gelungen ist zudem die Räumlichkeit der JVC-Hörer: Anders als viele billige In-Ears erschaffen die HA-NP50T eine weitläufige Bühne.

Fazit: Erstaunlich ist das Adjektiv, das in diesem Text bereits gefallen ist. Es beschreibt das Musikhören mit den HA-NP50T aber auch am besten. Die Nearphones eignen sich dank ihrer Offenheit für Umgebungsgeräusche als sicherer Kopfhörer für den Straßenverkehr. Die spritzwasserresistenten, fest sitzenden Ohraufsätze sind zudem leichter zu reinigen als echte In-Ears und eignen sich daher bestens für den Sport. Und dabei klingen sie auch noch gut. Nicht bombastisch, aber gut.

Ein ganz eigenes Konzept: Die Sony Linkbuds unterteilen sich in einen ringförmigen Treiber und eine Kapsel, die Akku und Elektronik enthält.
Ein ganz eigenes Konzept: Die Sony Linkbuds unterteilen sich in einen ringförmigen Treiber und eine Kapsel, die Akku und Elektronik enthält. (Bild: Sony)

Sony Linkbuds WF-L900

Elektronik-Spezialist Sony wagt mit den Linkbuds WF-L900 einen durchdachten Spagat zwischen klassischen In-Ears und Open-Ear-Kopfhörern. Ein offener Ringradiator liegt vor dem Gehörgang und gewährt so die Wahrnehmung von Außengeräuschen, während die Elektronik, der Akku und die Mikrofonie in einem fest damit verbundenen kugelförmigen Gehäuse in der Ohrmuschel Platz finden. Damit der Ring komfortabel anliegt, liefert Sony fünf verschiedene Passstücke mit. Das klappt gut, allerdings sitzen die jeweils vier Gramm leichten Sony-Hörer nicht ganz so fest wie bei der Bügel oder Clips nutzenden Konkurrenz. Bei allzu schnellen Kopfbewegungen fielen sie im Test schon einmal heraus. Statt in die Aufsätze von In-Ears solltest du bei den Linkbuds also etwas Zeit in die Auswahl des richtigen Silikonrings investieren, um das für dich beste Ergebnis zu erzielen.

Die Sony-Hörer belohnen die einmalige Fummelei mit einem erstaunlich stimmigen Sound, der sich hinter vielen In-Ear-Geschwisterchen nicht verstecken muss. Besonders bei Nutzung des Bassverstärkers in der heute nahezu obligatorischen Begleit-App gleichst du die konzeptbedingt schwächeren Tiefen zu weiten Teilen aus. Auch das Stereopanorama kann überzeugen. Sony liefert zusammen mit Bose den wohl besten Klang im Test – der Ohrkanal-nahe Sitz spielt seinen Vorteil bei beiden Geräten aus.


Die Linkbuds WF-L900 verbinden smarte Funktionen mit einem gelungenen Klang. —   Thomas Raukamp

Die Linkbuds vermögen zudem recht laut zu werden, büßen dann aber streng genommen die Vorzüge eines Open-Ears ein. Denn etwa Gespräche kannst du so nicht mehr einwandfrei verfolgen, auch die gefahrlose Teilnahme am Straßenverkehr ist fraglich.

Als umso praktischer empfanden wir daher die in der App zu aktivierende „Speak-to-Chat“-Funktion: Erkennt der Kopfhörer deine Stimme, stoppt er automatisch die Audiowiedergabe. Nach einigen Sekunden Stille setzt er sie fort. Das ist clever, Sony!

Apropos App: Die Beschäftigung damit lohnt sich, eröffnet sie doch zahlreiche originäre Sonderfunktionen. So etwa das adaptive Volumenverhalten, das die Lautstärke an die Umgebungsgeräusche anpasst. Oder das Erweitern der Touchfläche auf den Bereich zwischen Wangen und Ohrmuscheln (was in unserem Test eher semi gut funktionierte).

Fazit: Die Linkbuds WF-L900 verbinden smarte Funktionen mit einem gelungenen Klang, der für unseren Geschmack die Bose-Hörer noch übertrifft. Konzeptuell ist das Sony-Gerät jedoch einem In-Ear näher als einem Open-Ear-Kopfhörer – das hat klanglich viele Vorteile, im Verkehr ist es aber nicht ganz so sicher.

Die Soundcore Aerofit Pro sind in vier Farben erhältlich.
Die Soundcore Aerofit Pro sind in vier Farben erhältlich. (Bild: Soundcore)

Soundcore Aerofit Pro

Die im Vergleich relativ junge Kopfhörer-Marke Soundcore gehört zum chinesischen Elektronikunternehmen Anker, das vielen Apple-Nutzenden aufgrund seiner reichen Auswahl an Ladestationen und externen Akkus bekannt sein dürfte. Mit dem Aerofit Pro hat Soundcore einen Open-Ear-Kopfhörer im Portfolio, der auf ein Bügeldesign setzt.

Und ähnlich wie bei den Shokz- und JVC-Geräten ist dies die richtige Wahl: Der flexible Bügel formt sich sehr komfortabel um die Ohrmuschel, drückt nicht und lässt sich daher stundenlang tragen. Wer es beim Sport noch sicherer mag, trägt den Aerofit Pro mit dem beiliegenden – unserer Ansicht nach aber überflüssigen – Nackenbügel.

Gleichzeitig isoliert die knapp einen Zentimeter über dem Gehörgang schwebende Kuppel weniger von der Umgebung als direkt am Ohrkanal sitzende Lösungen. Die aufmerksame Teilnahme am Straßenverkehr sowie an Bürokonversationen ist damit weitaus besser sichergestellt – auch bei laufender Musik.

Und die klingt gut beim Aerofit Pro: Die 16,2-Millimeter-Treiber zaubern ein erstaunlich komplettes, räumlich ansprechendes Klangbild. Sogar die Wiedergabe anspruchsvoller Chormusik vermochte im Test durchaus zu überzeugen.


Der Aerofit Pro ist die Überraschung unseres Vergleichs. —   Thomas Raukamp

Die zugehörige Begleit-App liefert vier Klangvoreinstellungen. Das mutet zunächst etwas mager an, zudem fehlt eine dedizierte Anhebung des Bassbereichs. Mit der „Soundcore Signature“-Einstellung liefert der Kopfhörer jedoch ein rundum gelungenes Gesamtbild, das auch die Tiefen für unseren Geschmack bestens platziert. Will sagen: Auch basslastige Musik bewältigt der Aerofit Pro ansprechend – mit den gewohnten konzeptbedingten Abstrichen.

Weniger gelungen ist das zuschaltbare „räumliche Audio“: Dieses 3D-Audio macht den Klang spürbar dünner – Soundcore sollte hier mit einem Software-Update nachlegen.

Die Steuerung erfolgt mithilfe je eines gut erreichbaren Tippschalters an den dem Ohrkanal zugewandten Treiberelementen. Uns gefällt diese mechanische Lösung. Denn im Gegensatz zu den ansonsten allgegenwärtigen Touchflächen bieten sie eine klare haptische Rückmeldung.

Von ihren im Bügel üppig zur Verfügung stehenden Raum profitieren indes die verbauten Batterien: 14 Stunden halten sie ohne „Boxenstopp“ durch – das ist rekordverdächtig.

Fazit: Der Aerofit Pro ist die Überraschung unseres Vergleichs. Sie liefern einen für einen Open-Ear-Kopfhörer wirklich guten Klang, überzeugen mit einer hohen Sprachverständlichkeit beim Telefonieren sowie einem langen Atem beim Akku.

Die Openfit ergänzen Shokz‘ Knochenschallkopfhörer um ein wohlklingendes Open-Ear-Modell mit Luftübertragung.
Die Openfit ergänzen Shokz‘ Knochenschallkopfhörer um ein wohlklingendes Open-Ear-Modell mit Luftübertragung. (Bild: Shokz)

Shokz Openfit

Shokz? Sind das nicht die mit dem Knochenschall? Stimmt, mit dem Openfit hat das chinesische Audiounternehmen jedoch auch einen Open-Ear-Kopfhörer mit klassischer Klangübertragung im Sortiment. Dieser bedient sich des Bügeldesigns: Der flexible Ohrbügel aus Flüssigsilikon legt sich um die Ohrmuschel und gewährt so einen sicheren und ermüdungsfreien Sitz. Auch nach einem zweistündigen Tragen in der Redaktion – inklusive einer kurzen Mittagspause auf dem Sofa – drückt nichts.

Dabei ist die Konstruktion dezenter als die der Konkurrenz von JVC und Soundcore. Das lässt den Kopfhörer noch etwas unauffälliger erscheinen, allerdings ist der hinter dem Ohr liegende Akku baubedingt auch etwas kleiner: Auf maximal sieben Stunden Laufzeit bringt er es trotzdem.

Ein kurzer Moment der Verwirrung, gefällig? Der Openfit besitzt eine Geräuschunterdrückung. Allerdings packt diese KI-unterstützte Funktion gezielt bei Wind- und Störgeräuschen während des Telefonierens an. Und tatsächlich: Das Shokz-Gerät liefert eine der besten Verständlichkeiten im Test.

Doch auch klanglich überzeugt der Openfit: Die Räumlichkeit ist ausgewogen, der Gesamtsound stimmig. Einmal mehr fällt die befürchte Bassschwäche weitestgehend aus – besonders nach dem Betonen der Tiefen mithilfe der Begleit-App. Dann neigt der offene Kopfhörer bei basslastigen Stücken jedoch zu tieffrequenten Verzerrungen.


Open-Ear Spezialist Shokz liefert mit dem Openfit eine gelungene Ergänzung für alle, denen die Knochenschallkopfhörer zu flach klingen. —   Thomas Raukamp

Letztlich ist die Klangpräferenz vom persönlichen Geschmack abhängig; trotzdem empfinden wir den Soundcore Aerofit Pro bei einem ähnlichen Designkonzept als noch etwas lebendiger – besonders bei symphonischer Musik und bei Soundtracks. Allerdings solltest du letztere Richtungen ohnehin lieber mit einem guten Over-Ear-Kopfhörer genießen. Aktuelle Musik bewältigt der Openfit jedoch mit den konzeptbedingten Einschränkungen ansprechend.

Die Steuerung erfolgt mithilfe von je einer Touchfläche an den Hörern. Ein kleines, aber für uns nicht unwichtiges positives Detail: Die Funktionen verlangen jeweils ein doppeltes Tippen oder ein längeres Halten – ein versehentliches Auslösen beim Aufsetzen oder Zurechtrücken der Ohraufsätze ist somit nahezu ausgeschlossen.

Fazit: Open-Ear Spezialist Shokz liefert mit dem Openfit eine gelungene Ergänzung für alle, denen die Knochenschallkopfhörer zu flach klingen. Der Klang weiß durchaus zu überzeugen. Etwas ärgerlich sind jedoch die gelegentlichen Verzerrungen im Bassbereich.

Klingen toll, sitzen toll, sehen toll aus: Die Huawei Freeclip sitzen wie ein modischer Ohrclip in der Ohrmuschel.
Klingen toll, sitzen toll, sehen toll aus: Die Huawei Freeclip sitzen wie ein modischer Ohrclip in der Ohrmuschel. (Bild: Huawei)

Huawei Freeclip

Déjà-vu: Der Huawei Freeclip teilt sich mit den „Bose Ultra Open Earbuds“ das Konzept. Die kabelfreien Kopfhörer klemmen sich mit einem flexiblen Arm in die Ohrmuschel, das wie eine Bohne wirkende tonnenförmige Batteriefach hält sich hingegen hinter dem Ohr. Die Treiber sitzen so relativ nahe am Gehörgang und nicht wie bei den meisten anderen Modellen in einiger Entfernung.

Beide Hörer sind identisch gestaltet – was Huawei zu einer kleinen Innovation anregte: Die Einsätze erkennen selbstständig, in welchem Ohr du sie einsetzt und ordnen den Stereoklang entsprechend zu. Das ist ungemein praktisch: Lässt du die Freeclip-Hörer etwa offen auf dem Schreibtisch liegen, sparst du dir die Suche nach den allzu kleinen Seitenmarkierungen.

Sowieso lässt sich das Nutzungserlebnis äußerst positiv bewerten: Beide Ohrstücke rutschen quasi selbsttätig in ihre richtige Position und halten sich dort auch bei schnellen Bewegungen sicher fest. Und das äußerst komfortabel: Selbst ein stundenlanges Tragen ist problemlos möglich – das verwendete TPU-Material vermeidet jegliches Drücken.


Huawei gibt dem Freeclip einige clevere Ideen mit auf den Weg. —   Thomas Raukamp

Nerven dich auch die zum Teil kleinen, schwer zu ertastenden Touchflächen vieler In-Ears? Huawei zeigt sich großzügig: Praktisch der gesamte Außenbereich von der Treiberkugel über den Bügel bis hin zur Akku-„Bohne“ lässt sich in Teilbereiche für eine individualisierte Gestensteuerung einteilen. Etwas schade ist, dass sich die Lautstärke hier nicht verändern lässt – der Bügel böte für ein stufenfreies Wischen genug Fläche.

Klanglich setzt das chinesische Elektronikunternehmen wie Shokz bei seinen Openfit-Kopfhörern auf die sogenannte Direct-Sound-Technologie. Die Umkehrung der Schallwellen innerhalb der Treiberkugel soll Klangverluste bei der offenen Übertragung minimieren und die Ausrichtung auf den Ohrkanal unterstützen.

Tatsächlich ist der Klang im Ergebnis lebendig und überzeugt mit einer guten Räumlichkeit. Auch die Bässe sind präsent, zumal sie sich mit einer entsprechenden Unterstützung in der Begleit-App weiter unterstützen lassen. Besonders im mittleren Hörbereich gelingt dem Freeclip ein harmonischer Gesamtsound.

Fazit: Schön, dass das noch junge Open-Ear-Konzept die Hersteller offensichtlich herausfordert: Huawei gibt dem Freeclip einige clevere Ideen mit auf den Weg – allem voran die automatische Ohrerkennung. Auch klanglich spielt der elegante Kopfhörer ganz weit vorn mit.

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