Leica-Lux-App im Test

Die Leica für die Hosentasche

Gestochen scharf, brillante Farben und eine perfekte Helligkeit: Der Leica-Look steht bei Fotografinnen und Fotografen als Synonym für höchste Qualität. Eine App soll iPhone-Schnappschüsse nun entsprechend veredeln. Klappt das? Der Test.

Von   Uhr
7 Minuten Lesezeit

In unserer digitalen Welt sind Bilder und Videos technisch meist perfekt – und daher vielen Menschen inzwischen oft schon wieder zu langweilig. Sie streben nach Individualität, wollen ihren Bildern Charakter verleihen. Mit Farbfiltern etwa. Die Leica-Lux-App bietet elf dieser Tönungen – und zwar ganz besondere: „Leica Looks“, also spezielle Farbprofile, sollen Schnappschüssen die unverwechselbare Ästhetik der legendären Kameras und Objektive des renommierten deutschen Herstellers verleihen.

Die App ist in der Basisversion kostenfrei. Voraussetzung für die Installation ist iOS 17.1 oder höher. Das bedeutet: Ältere iPhone-Modelle wie das 2017 veröffentlichte iPhone X bleiben außen vor. Der Funktionsumfang der kostenfreien Version ist begrenzt. Er umfasst fünf Leica-Looks, ein emuliertes Objektiv (Summilux-M 28 mm ƒ/1.4 ASPH) und die grundlegende Belichtungssteuerung.

Manuelle Einstellungen – etwa ISO und Verschlusszeit – lassen sich ausschließlich im Photo-Modus justieren.
Manuelle Einstellungen – etwa ISO und Verschlusszeit – lassen sich ausschließlich im Photo-Modus justieren. (Bild: Udo Lewalter)


Die Pro-Version (8 Euro pro Monat oder 80 Euro pro Jahr) schaltet zusätzliche Funktionen frei. Sie bietet unter anderem elf Leica-Looks und fünf emulierte Objektive des Unternehmens: Summilux-M 28 mm ƒ/1.4 ASPH, Summilux-M 35 mm ƒ/1.4, Noctilux-M 50 mm ƒ/1.2 ASPH und Noctilux-M 75 ƒ/1.25 ASPH. Das APO-Telyt-M 135 mm ƒ/3.4 lässt sich ausschließlich auf dem iPhone 15 Pro Max auswählen, da nur dieses Modell über ein Teleobjektiv mit einer entsprechenden Brennweite verfügt. Dafür steht das Noctilux-M 75 bei Apples Top-Smartphone nicht zur Wahl. Ferner finden sich in der kostenpflichtigen Variante erweiterte manuelle Kontrollen (ISO, Verschlusszeit, Weißabgleich, manueller Fokus) und die Möglichkeit, Aufnahmen im ProRAW-Format aufzunehmen.

‎Leica LUX: Manuelle Pro Kamera
‎Leica LUX: Manuelle Pro Kamera
Entwickler: Leica Camera AG
Preis: Kostenlos+

Benutzeroberfläche und Bedienung

Die App bietet sowohl in der Gratis- als auch in der Pro-Version zwei Modi: den Photo- und den Aperture-Modus, also Blendenmodus. Die Umschaltung zwischen ihnen erfolgt über ein Menü, das du über einen Button am unteren rechten Bildschirmrand aufrufst. Dort sind auch die wichtigsten Bedienelemente zu finden: Du schaltest im jeweiligen Modus unter anderem den Blitz ein, aktivierst den Timer, blendest ein Histogramm, einen künstlichen Horizont oder Rasterlinien ein. Auch Objektiv- und Filterauswahl erfolgen dort. Die Bedienung geht intuitiv von der Hand.

Die Apple-Leica

Apples ehemaliger Chefdesigner Jony Ive hat zwischen 1992 und 2019 für den US-Konzern nicht nur die Designs richtungsweisender Geräte – darunter iPhone und iMac – entworfen, sondern zusammen mit dem preisgekrönten australischen Designer Marc Newson und Leica an einer ganz besonderen Kamera gefeilt: Die Leica M (RED) ist kein simples Fotogerät, sondern ein Kunstwerk aus Aluminium – minimalistisch und doch voller Leidenschaft gestaltet. Wie der Produktname es bereits verrät, entwarfen die beiden Design-Ikonen die edle Knipse für die Wohltätigkeitsorganisation (RED). Die Auktion dieses Einzelstücks brachte 2013 in New York satte 1,8 Millionen US-Dollar ein. Die Spendengelder setzte die Organisation unter anderem für den Kampf gegen Aids ein. Der Käufer ist bis heute nicht bekannt.

Im Photo-Modus hast du unter anderem die Möglichkeit, an der Belichtungskorrektur zu drehen und die Brennweiten einzustellen. Hierbei stehen etwa im Fall des iPhone 14 Pro Max die Optionen 13 Millimeter, 24 Millimeter, 48 Millimeter und 77 Millimeter zur Auswahl bereit. Beim 15-Pro-Max-Modell entfällt die 77-Millimeter-Option, dafür bietet die Software eine 120-Millimeter-Brennweite an. Zudem schaltest du auf Wunsch auf die Selfie-Kamera um. Etwas versteckt finden sich die Menüs zu ISO, Weißabgleich, Fokus und Belichtungszeit. Um die manuellen Einstelloptionen einzublenden, musst du auf einen kleinen hellen Balken tippen, der je nach Ausrichtung des iPhone (Hoch- oder Querformat) am unteren oder rechten Rand des Sucherbilds eingeblendet ist – kaum erkennbar und alles andere als selbsterklärend. Das ist unverständlich, denn diese Einstellungen sind nicht nur für Profis wichtig – und es findet sich dort so manche Besonderheit.

Je nach Bildmotiv versteckt: Um die manuellen Einstellungen aufzurufen, musst du auf einen kleinen hellen Balken tippen.
Je nach Bildmotiv versteckt: Um die manuellen Einstellungen aufzurufen, musst du auf einen kleinen hellen Balken tippen. (Bild: Udo Lewalter)


Die Verschlusszeit beispielsweise lässt sich mit der serienmäßig installierten Kamera-App des iPhone nur im Nachtmodus verändern. Mit der Lux-Applikation hingegen stellst du Belichtungszeit jederzeit und schrittweise nach Belieben ein – von einer 1/8.000 bis zu einer Sekunde. Der Vorteil: Du hast eine präzisere Kontrolle über die Bildgestaltung, etwa bei der Bewegungsdarstellung: Mit kurzen Belichtungszeiten (beispielsweise 1/8.000) lassen sich sehr schnelle Bewegungen einfrieren, der Flügelschlag eines Vogels etwa. Schade: Langzeitbelichtungen von mehr als einer Sekunde sind nicht drin. Mit der Kamera-App des iPhone hingegen stellst du die Belichtungszeit im Nachtmodus auf bis zu 30 Sekunden – sofern das iPhone auf einer stabilen Oberfläche oder einem Stativ platziert ist.

Auf Wunsch lässt sich vor dem Speichern oder Teilen eines Fotos ein Rahmen, der „Leica Frame“, einblenden, auf dem technische Daten zu finden sind.
Auf Wunsch lässt sich vor dem Speichern oder Teilen eines Fotos ein Rahmen, der „Leica Frame“, einblenden, auf dem technische Daten zu finden sind. (Bild: Udo Lewalter)

Der Aperture-Modus erinnert an den Portätmodus aus Apples Kamera-App. Er wirkt auf den ersten Blick abgespeckt im Vergleich zum Photo-Pendant, denn dort stehen weder die Selfie-Kamera noch die genannten manuellen Einstelloptionen zur Verfügung. Dafür hast du Zugriff auf die Emulation der eingangs genannten Leica-Objektive sowie auf die Blendenöffnung – je nach gewählter Linse von ƒ/1.2 bis ƒ/8. Damit regelst du die Schärfentiefe. Mit einer großen Blende (also einer kleinen Blendenzahl) erzeugst du eine geringere Schärfentiefe. Dies bedeutet, dass nur ein kleiner Bereich des Bildes scharf ist, während Vorder- und Hintergrund verschwommen sind. Dies ist ideal für Porträts oder Makrofotografie, wo das Hauptmotiv hervorgehoben werden soll.

Starke Leica-Looks

Sowohl im Aperture- als auch im Photo-Modus lassen sich die Farbprofile anwenden, die Schnappschüssen die charakteristische Leica-Ästhetik verleihen sollen. Besonders gelungen ist die „Leica Eternal“-Option. Sie spendiert Bildern einen sehr starken Kontrast, eine hohe Sättigung und eine spezielle Tönung – das Zusammenspiel verleiht den Schnappschüssen eine besondere Tiefe und Intensität sowie einen individuellen, fast schon künstlerischen Ausdruck. Ebenfalls teils äußerst ästhetisch wirken Bilder, die mit dem Schwarz-Weiß-Filter „Leica BW High Contrast“ aufgenommen sind. Durch die starke Betonung von Kontrasten und die satteren Schwarztöne vermitteln Fotos oft eine große emotionale Tiefe und Dramatik. Möchtest du es natürlicher haben, ist der „Leica Natural“-Look der Filter der Wahl. Der zielt darauf ab, die natürlichen Farben und Töne einer Szene zu betonen, mit nur leichten Verbesserungen gegenüber dem Standardbild. Der „Leica Vivid“-Look wirkt ebenfalls ungekünstelt, peppt die Farben und Kontraste aber minimal auf.

Drei tolle Filter (v.l.n.r.): Leica Eternal, Leica BW High Contrast, Leica Sepia.
Drei tolle Filter (v.l.n.r.): Leica Eternal, Leica BW High Contrast, Leica Sepia. (Bild: Udo Lewalter)


Das Experimentieren mit den Looks macht Spaß – und die Ergebnisse können sich sehen lassen. Im Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Objektivsimulationen liefern die Filter tolle Fotos. Vor allem im Aperture-Modus lassen die Algorithmen ihre Muskeln spielen, sie arbeiten beim Freistellen von Motiven in einigen Situationen noch ein Stück besser als die des Porträt-Modus von Apples Kamera-App. Der Unschärfeeffekt wirkt bei den Lux-Bildern oft natürlicher als bei den iPhone-Shots. Unschöne Ausfransungen an feinen Strukturen wie Haaren kommen seltener vor und der Unschärfeeffekt verläuft realistisch in die Tiefe, während bei Bildern der Kamera-App der Hintergrund oft stufenlos komplett verschwimmt. Einen Schönheitsfehler gibt es aber: Fokussierst du ein weiter entfernt platziertes Motiv, sind Gegenstände im Vordergrund selten richtig unscharf, selbst wenn eine kleine Blendenzahl gewählt ist. Das klappt mit Apples Portät-Modus besser.

Während der Porträt-Modus der Kamera-App (unten) den Hintergrund komplett verschwimmen lässt, bieten die Bilder der Leica-Lux-Anwendung Abstufungen bei der Unschärfe – gut zu erkennen am linken Blatt. Das Bokeh wirkt dadurch echter.
Während der Porträt-Modus der Kamera-App (unten) den Hintergrund komplett verschwimmen lässt, bieten die Bilder der Leica-Lux-Anwendung Abstufungen bei der Unschärfe – gut zu erkennen am linken Blatt. Das Bokeh wirkt dadurch echter. (Bild: Udo Lewalter)


Das ist nicht der einzige Makel: Wie beschrieben, fehlen zahlreiche manuelle Einstellungsmöglichkeiten im Aperture-Modus (Version 1.0.2 (41)). Mit einem künftigen Update will Leica aber zumindest die Belichtungskorrektur für den Blendenmodus nachreichen. Was sich hingegen nicht patchen lässt: Das RAW-Format ist nur im Photo-, nicht aber im Aperture-Modus verfügbar. Nach Angaben der Entwicklerinnen und Entwickler ist dies technisch auf dem iPhone nicht umsetzbar. Schade, denn dank des Rohdatenformats lässt sich bei der Bildbearbeitung noch ein bisschen mehr aus Fotos herausholen.

Eine starke Alternative

Bildbearbeitungsprogramme mit Filtern gibt es fürs iPhone in Hülle und Fülle. Die VSCO-App ist ein beliebter Klassiker. Sie bietet mehr als 200 Farbprofile zum Aufpeppen von Schnappschüssen und hat auch darüber hinaus einiges auf dem Kasten: Mit der App lassen sich Collagen anfertigen, Effekte wie Filmkorn (Grain) oder eine Vignette einbauen und sogar Videos bearbeiten. Und das zu einem im Vergleich zur Leica-Lux-App deutlich günstigeren Preis: Das empfehlenswerte Plus-Abo kostet 35 Euro jährlich.

‎VSCO: Foto- und Video-Editor
‎VSCO: Foto- und Video-Editor
Entwickler: Visual Supply Company
Preis: Kostenlos+

Fazit: Leica Light

Die Leica-Lux-App ist ein vergleichsweise teures, aber auch wunderbares Werkzeug für kreative Fotografinnen und Fotografen. Trotz kleinerer Einschränkungen erzeugt sie beeindruckende und ästhetisch ansprechende Fotos. Natürlich ersetzt sie nicht die Qualität einer echten Leica-Kamera – die mittels der App simulierten Objektive kosten (jeweils) immerhin bis zu 13.350 Euro. Die begrenzte Lichtstärke der iPhone-Sensoren lässt sich nicht mit Algorithmen ausgleichen. Tolle Shots etwa für Social-Media-Plattformen gelingen mit der App aber am laufenden Band.

Testergebnis
ProduktnameLeica Lux
HerstellerLeica Camera AG
Preis7,99 Euro pro Monat oder 79,99 Euro jährlich (Pro-Version)
Webseitehttps://leica-camera.com
Pro
  • übersichtliche Nutzermenüs, elf tolle Leica-Filter, fünf emulierte Leica-Objektive, zahlreiche manuelle Kontrollmöglichkeiten im Photo-Modus
Contra
  • teures Abo, fehlende manuelle Einstellungsmöglichkeiten im Blendenmodus, keine Langzeitbelichtung
Bewertung
1,9 gut

Mehr zu diesen Themen:

Diskutiere mit!

Hier kannst du den Artikel "Die Leica für die Hosentasche" kommentieren. Melde dich einfach mit deinem maclife.de-Account an oder fülle die unten stehenden Felder aus.

Die Kommentare für diesen Artikel sind geschlossen.