Recht

„Von Rechts wegen“: Von Hass und Hetze

Hass und Hetze im Internet. Online-Foren, Kommentar-Spalten und Facebook-Postings: Überall wo es politisch wird, bricht sich Unschönes Bahn. Zeit für einen Blick auf das Strafrecht in sozialen Medien.

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Verehrte Leserschaft, Sie leben in bewegten Zeiten. Wer die letzten sechs Monate nicht zufällig auf einer Weltumseglung verbracht hat oder die Peruanischen Anden zu Fuß erkundete, wird dies bereits mitbekommen haben: In den deutschen Medien und vor allem den in sozialen, soweit sie sich in deutscher Sprache verbreiten, tobt eine Schlacht, wie sie dieses Land und auch das deutschsprachige Internet kaum zuvor erlebt hat.

Diese Schlacht schwappt nicht nur vom Internet in die reale Welt (wo aus dem Kommentar-Mob ein ganz realer wird, der sogar zum Brandsatz greift), sie verändert auch die Sprache. Wir durften jüngst Zeugen werden, wie ein neuer Begriff geboren wurde: Der Begriff des „Hasskommentars“ nämlich. Im „Duden“ steht er noch nicht, dafür ist er noch zu neu. Aber der Begriff strebt nach Höherem, er ist nämlich – seit selbst der Justizminister ihn verwendet – dabei, zum Rechtsbegriff zu werden.

Juristisch wie sprachlich ist die Sache also nicht uninteressant. Auch wegen der Entstehungsgeschichte des Begriffs. Dabei handelte es sich zunächst einmal um so eine Art Entlehnung. Das Ursprungswort stammt aus einer anderen Sprache und übrigens auch aus einer ganz anderen Rechtskultur, nämlich der amerikanischen: „Hasskommentar“ kommt von „Hate Speech“; allerdings handelt es sich dabei um eine eher holzschnittartige und auch nicht ganz zutreffende Übersetzung, denn „Hate Speech“ meint nicht einfach nur eine von irgendeinem Hass getriebene Äußerung. Es geht dabei vielmehr schon begrifflich um das Aufhetzen von Volksgruppen. Also in etwa um das, was in Deutschland durch § 130 des Strafgesetzbuches als „Volksverhetzung“ unter Strafe gestellt ist.

Der Nicht-Jurist könnte jetzt fragen: „Hass“, „Hetze“, ist das nicht ein und dasselbe? Vielleicht mit Recht. Vielleicht aber auch nicht, denn „Hass“ ist ein innerer Tatbestand, eine innere Einstellung des Äußernden in Bezug auf jemand anders. Als „Volksverhetzung“ strafbare Äußerungen sind aber nicht deshalb strafbar, weil der sie Äußernde hasst, während er sie von sich gibt. Sondern weil die Äußerung objektiv „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“ oder näher definierte Personenkreise „beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“. „Hass“ ist als Tatbestandsmerkmal also weder notwendig noch hinreichend. „Hassen“ darf man erst einmal Jeden. Aus welchem Grund auch immer. Und man darf sogar schlecht über den- oder diejenigen reden, die man hasst, so lange die Äußerungen die Grenzen des § 130 StGB nicht überschreiten.

Bei dieser Feststellung geht es nicht um Relativierung: Sehr vieles, was über die sozialen Medien über Flüchtlinge – oder ganz unabhängig von der Frage, aus welchem Grund jemand nach Deutschland kam – Menschen anderen Glaubens geschrieben wird, ist entweder falsch oder widerlich oder beides; allein deswegen aber nicht in jedem Falle strafbar. Der Ruf nach der Strafbarkeit der „hässlichen“ Gesinnung spiegelt wohl den Wunsch und die Hoffnung wider, das Strafrecht sei dazu gedacht, wenigstens aber geeignet, diese „hässlichen“ Gesinnungen zurückzudrängen. Beides kann und will das Strafrecht aber nicht. „Hass“ lässt sich auch gar nicht verbieten.

In seiner „Zeit“-Kolumne formulierte Bundesrichter Thomas Fischer Anfang Februar, dass das Strafrecht seiner „Natur nach nur eine äußerste Grenze sozialer Toleranz“ definiere, und natürlich ist dies die denkbar treffendste Formulierung.

Da sich das Strafrecht in seiner Reichweite aber dazu auch noch nach der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz richten muss (und nicht etwa umgekehrt), folgt daraus, dass sich auch der hasszerfressenste Nazi und die besorgteste PEGIDA-Bürgerin ganz öffentlich haarscharf an die Grenze der Volksverhetzung heranpöbeln können muss, ohne dass er oder sie hierfür strafrechtlich belangt werden darf.

In einer freien Gesellschaft muss das auch so sein. Der Versuchung, diese rechtlichen Grenzen durch die Einführung von schwammigen Trendbegriffen aus vermeintlich guten Gründen zu verschieben, sollten wir deshalb auch widerstehen.

Rechtsanwalt Stephan Dirks

(Bild: Lisa Krechting)
Stephan Dirks ist Fachanwalt für Urheberrecht und Medienrecht in der Kanzlei DIRKS.LEGAL mit Sitz in Hamburg und Kiel. Web: http://www.dirks.legal

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