Mit der Vergangenheit ist es in der Computerwelt schon eine merkwürdige Sache. Auf der einen Seite können Sie beim Online-Versandhandel Amazon für knapp 10 Euro ein Floppy-Laufwerk kaufen, um die Disketten Ihres ersten Mac aus den Neunzigerjahren einzulesen. Auf der anderen Seite gibt es Programme für Mac OS X „Leopard“, die bereits knappe acht Jahre später unter Sierra nicht mehr funktionieren. Dokumente überleben in der Regel den Wandel der Zeit und den Aufstieg auf neue Rechner – sofern Sie kein Programm mit einem allzu exotischen Dateiformat gewählt haben. Trotzdem: Die Chancen, dass der unvollendete und in Macwrite geschriebene Roman und der liebevoll von Ihrem Vater in Filemaker Pro angelegte Familienstammbaum als Zerfallsprodukte in irgendeiner verstaubten Diskettenbox enden, ohne jemals auf einem aktuellen Mac zu inkarnieren, sind hoch.
Ein – teilweise – herber Verlust. Denn obwohl wir in einem Goldenen Zeitalter für Computerspiele leben, entstammen die wahren Klassiker den Achtzigern und Neunzigern. Dabei ist es nicht einmal nötig, den heißgeliebten Macintosh Plus aus seinem Kellerverlies zu befreien – ein heutiger Mac verfügt über mehr als genug „Pferdestärken“, um auch die komplexesten Anwendern des klassischen Mac OS zum Leben zu erwecken.
Der virtuelle PowerPC
Viele der Programme, die explizit für OS X 10.5 „Leopard“ oder 10.6 „Snow Leopard“ entwickelt wurden, versagen in späteren Betriebssystemversionen ihren Dienst – immerhin war Snow Leopard die letzte Version, die den damals im Mac eingesetzten PowerPC-Prozessor unterstützte. Besitzen Sie also Software aus dieser Zeit, endet ihr Einsatz oft bei einem Mac mit G5-Prozessor.
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Leider können Sie Snow Leopard nicht einfach als Alternative auf einem externen Laufwerk betreiben – schließlich verfügt ein sechs Jahre altes Betriebssystem nicht über die nötigen Treiber, um etwa ein Retina-Display oder die USB-3-Schnittstelle heutiger Macs anzusteuern. Einen Ausweg bieten sogenannte virtuelle Maschinen wie Fusion 8.5 von Vmware oder Parallels Desktop 12. Beide Lösungen erlauben die Installation unterschiedlicher Betriebssystemversionen innerhalb des aktuellen macOS. Die Softwareumgebung sorgt dabei für die Kommunikation mit der Hardware. Allerdings verbieten Apples Lizenzbedingungen den Betrieb der regulären Version von OS X 10.6 innerhalb einer virtuellen Maschine, sodass Sie um einen Kauf der Servervariante nicht herumkommen. Diese unterscheidet sich bis auf einige Funktionen zur Systemadministration nicht von der normalen Version und funktioniert zudem hervorragend unter Parallels Desktop und Fusion. Apple selbst verkauft keine alten OS-X-Versionen mehr, sodass Sie sich auf dem Gebrauchtmarkt umschauen müssen.
Ein Emulator bildet Teilaspekte einer Hardware nach, um dessen Software auf einem anderen Computersystem zu betreiben.
Um in Shapeshifter zwischen dem Fenster- und Full-Screen-Modus zu wechseln, halten Sie die [ctrl]- zusammen mit der Eingabetaste.
Classic Mac OS
Möchten Sie die Uhr noch weiter zurückdrehen und das „klassische“ Mac OS 9 betreiben? Besitzen Sie noch einen Mac mit OS X 10.4 „Tiger“ und einem PowerPC-Prozessor, bietet dieser bereits eine virtuelle Classic-Umgebung, die Apple frühen OS-X-Versionen beilegte. Auf modernen Intel-Macs funktioniert diese aber nicht, auch wenn Sie Tiger innerhalb einer virtuellen Maschine betreiben. Zum Glück gibt es die freie Software Sheepshaver, die eine PowerPC-Hardware auf Macs mit Intel-Architektur emuliert und so die Installation der klassischen Betriebssystemrevisionen OS 8 und 9 gestattet. Da Sheepshaver diesen Systemen eine komplett andere Hardware vorgaukelt, setzt es System-ROMs eines PowerPC-Mac voraus. Das Problem: Die Rechte daran liegen nach wie vor bei Apple – legal ist der Gebrauch also nur, wenn Sie tatsächlich den dazugehörigen Rechner besitzen. Allen moralischen Bedenken zum Trotz finden Sie die ROM-Inhalte jedoch auch im Internet, sodass Sie nicht extra in einen alten G3-Mac investieren müssen.
Wie Sie Mac OS 9 innerhalb einer Emulation zum Laufen bekommen, lernen Sie Schritt für Schritt auf der folgenden Doppelseite. Doch wie bekommen Sie alte Software auf Ihren Mac, wenn Sie kein Diskettenlaufwerk mehr herumliegen haben oder die Originaldisketten längst ihren Geist aufgegeben haben? In vielen Fällen sollten Sie in den Untiefen des Internets fündig werden: „Verlassene“ und nicht mehr gepflegte sogenannte Abandonware finden sich auf zahlreichen Liebhaber-Webseiten. Legal betrachtet begeben Sie sich damit natürlich wiederum in eine rechtliche Grauzone – andererseits wären viele antiquierte Programme sicher längst in Vergessenheit geraten, wenn sie niemand mehr anböte. Ein gute Anlaufstelle – auch für Spieleklassiker – ist die Webseite „Macintoshgarden.org“.
Die sogenannte Classic-Umgebung legte Apple seinem OS X bis zur Version 10.4 „Tiger“ bei, um Software aus dem klassischen Mac OS auch auf späteren Rechnern lauffähig zu machen.
Ein recht umfangreiches Archiv an Abandonware für System 1.0 bis hin zu Mac OS 8 finden Sie unter bit.ly/2ceWFMu zum Download.
Überraschung: Auch unter Mac OS 9 gab es bereits Webbrowser, um Programme herunterzuladen. Fast noch einfacher ist jedoch der Datenaustausch zwischen dem heutigen und dem emulierten Mac. Sheepshaver stellt dafür einen gemeinsamen Ordner bereit – platzieren Sie Dateien unter macOS hier hinein, können Sie in der Classic-Umgebung darauf zugreifen. Allerdings ist der Prozess etwas umständlich: Schließen Sie den „Unix“-Ordner unter OS 9, um neue Dateien anzuzeigen. Die meisten Programmpakete für das klassische Mac OS liegen im „*.sit“-Format des Stuffit Expander vor. Zum Entpacken benötigen Sie also die Software, die Sie frei im Internet finden. Ein Doppelklick unter macOS erzeugt ein „*img“-Laufwerksabbild, das Sie in den Einstellungen von Sheepshaver anmelden. Nach einem Neustart des Emulators erscheint das Abbild auf dem Finder von OS 9, um hier die Installationsroutine bereitzuhalten.
Wollen Sie noch weiter in der Geschichte zurückreisen und sogar die 68k-Programme und -Spiele der frühen Macintosh-Modelle starten? Um das damalige System 7 auf heutigen Macs laufen zu lassen, brauchen Sie nicht einmal ein zusätzliches Programm zu installieren: Der Webbrowser tut es auch. Unter der URL http://bit.ly/system_7 finden Sie einen Classic-Mac-Emulator, der Javascript nutzt. Allerdings finden nur wenige Programme Unterstützung. Wollen Sie Ihrer Retro-Leidenschaft ambitionierter nachgehen, sollten Sie den quelloffenen 68k-Mac-Emulator Basilisk II nutzen. Wie schon im Fall von Sheepshaver benötigen Sie den ROM-Inhalt des Systems, das Sie emulieren möchten. Diverse Versionen treffen Sie im Internet an. Der Aufwand hat durchaus historischen Wert: Theoretisch erweckt Basilisk sogar den ersten Mac aus dem Jahr 1984 zu virtuellem Leben. Die letzte von Apple für 68k-Rechner veröffentlichte Betriebssystemversion trägt indes den Namen System 6.
Ein System-ROM enthält die Firmware, die die grundlegenden Routinen des Betriebssystem für die Kommunikation mit der Hardware enthält.
Sie sollten dem virtuellen Laufwerk unter OS 9 reichlich Platz zugestehen – der Eintrag erfolgte damals noch in MB statt in GB.
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Sehr unsauber recherchiert...
Auf 68k Macs läuft eben nicht nur System 6, sondern entgegen dem Artikel sowohl System 7 als auch noch Mac OS bis Version 8.6
Erst ab OS9 wurde nur noch der PPC unterstützt
...mein Gott, dann haben Sie eben ein 'nur' vergessen. Ansonsten ein sehr interessanter und sinnvoller Beitrag!
Hier geht es eben nicht um ein "nur" was vielleicht vergessen wurde, sondern um die Behauptung dass auf 68k Rechnern bei System 6 Schluss gewesen sein.
"Die letzte von Apple für 68k-Rechner veröffentlichte Betriebssystemversion trägt indes den Namen System 6."
Und eben das stimmt nicht
Interessanter Beitrag.
Frage:
Wie heisst das oben abgebildete Spiel das als "8-bit-Space-Shooter" beuntertitelt ist und wo kann man es bekommen, wie heisst der aktuelle"Hersteller"?
Ich kannte es als Zaxxon von Sega , habe aber keine Idee, wo man es heute für macos bekommen kann :)
Würde es gern nochmal spielen.
lg