Zwischen 100 und 200 Millionen Dollar – das soll Microsoft laut Wall Street Journal für den Berliner App-Entwickler 6Wunderkinder gezahlt haben. Ein stolzer Preis, vor allem, wenn man bedenkt, dass 6Wunderkinder laut der Webseite Techcrunch in der jüngst bekannt gewordenen Finanzierungsrunde im November 2013 noch mit 60 bis 65 Millionen Dollar bewertet worden war.
Microsofts Ziele
6Wunderkinder reiht sich damit in die immer länger werdende Liste der Unternehmen ein, die von Microsoft in jüngster Zeit übernommen worden sind. Unter der Leitung von Satya Nadella hat Microsoft vor allem Start-ups gekauft, die mobile Apps für E-Mail-Dienstleister (Acompli) oder digitale Kalender (Sunrise) entwickelt haben. Dabei konzentrierte sich Nadella darauf, Apps zu übernehmen, die auf allen Plattformen laufen, nicht nur auf Windows-Geräten. So auch bei Wunderlist, das für iOS, Mac, Android und Windows erhältlich ist.
Dahinter verbirgt sich die Idee, dass sich die Nutzer durch die beliebten Apps und Dienste möglicherweise dazu verleiten lassen, weitere Windows-Produkte, wie zum Beispiel Computer oder Tablets zu kaufen. Dies verdeutlicht außerdem Nadellas Fokus darauf, die Anzahl von mobilen Anwendungen im Hause Microsoft zu vergrößern. Es zeigt aber auch, dass Microsoft selbst nicht viele eigene mobile Apps auf den Markt gebracht hat, die über große Reichweiten verfügen. Beliebte Apps wie Skype oder Minecraft hatte Microsoft alle von anderen Entwicklern übernommen.
Was passiert mit Wunderlist?
Microsoft-Manager Eran Megiddo schrieb in einem Blog-Post zur Übernahme von 6Wunderkinder, dass die To-do-Liste Wunderlist zu Microsofts Portfolio passe und zu den Ambitionen von Microsoft, Produktivität in einer Welt neu zu erfinden, die auf mobilen Geräten und Cloud-Diensten basiere. Und der Gründer und CEO von 6Wunderkinder, Christian Reber, betonte, dass sein Unternehmen durch die Übernahme den Zugang zu reichhaltiger Erfahrung, Technologie und Personen ermögliche, von denen ein kleines Unternehmen wir 6Wunderkinder sonst nur träumen könnte.
Was bedeuten diese Lobeshymnen für 6Wunderkinder und vor allem für die beliebte Anwendung Wunderlist? Reber sagte kurz nach Bekanntwerden der Übernahme, dass sich vorerst nichts ändern werde. Das Team von 6Wunderkinder werde seine Arbeit an Wunderlist fortführen. Jedoch plane man im Laufe der nächsten Monate, neue Funktionen einzuführen. Dies klingt zunächst sehr positiv. Klar ist aber auch, dass sich durch die Übernahme durch Microsoft früher oder später doch Veränderungen auftun werden. Eher unwahrscheinlich ist nach Ansicht von Experten, dass Microsoft einfach die Technologie und das Team von 6Wunderkinder übernimmt und dann stattdessen eine eigene, neue To-Do-App veröffentlicht.
Dies ist in ähnlicher Form bei der übernommenen E-Mail-App Acompli passiert, die inzwischen nicht mehr eigenständig besteht, sondern zu Outlook Mobile, Microsofts Outlook-App, umbenannt wurde. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass Microsoft bei Wunderlist ähnlich verfahren wird, wie zum Beispiel bei Skype oder der Kalender-App Sunrise. Das heißt, Wunderlist wird wahrscheinlich eng in eigene Dienste wie OneNote oder Outlook integriert, aber als eigenständige App erhalten bleiben. Es könnte jedoch durchaus dazu kommen, dass sich Neukunden von Wunderlist ein Microsoft-Konto anlegen müssen, um die App nutzen zu können. Dies wiederum dürfte bestehende Nutzer wenig interessieren, neue Nutzer, die zum Beispiel Apple-Produkte bevorzugen, könnte dies hingegen stören.
Beziehung zu Apple
Und wird sich durch die Übernahme die Beziehung zwischen Apple und 6Wunderkinder ändern? Nur wenige Wochen vor Bekanntgabe der Übernahme durch Microsoft betonte Benedikt Lehnert, der Chief Marketing Officer (CMO) bei 6Wunderkinder, in einem Gespräch gegenüber der Wirtschafts-Website Business Insider, dass die beiden Unternehmen ein gutes Arbeitsverhältnis verbinde.
Tatsächlich ernannte Apple die Wunderlist-App bereits im Juni 2011 zur „iPhone App der Woche“. Im März 2015, nur wenige Monate vor der Übernahme durch Microsoft, kündigte 6Wunderkinder Wunderlist for Apple Watch an, die eine persönliche Interaktion des Nutzers mit Wunderlist auf der Apple Watch ermöglichen sollte. Mit dem Launch der App am 24. April, dem offiziellen Verkaufsstart der Apple Watch, war Wunderlist auch eine der ersten Apps, die auf der Apple Watch erhältlich waren – eine große Ehre für Wunderlist. Und laut Lehnert ist Wunderlist eine der wenigen Apps, die wirklich Sinn auf der Apple Watch machen. Wunderlist und Apple Watch passen perfekt zusammen: Wunderlist als eine sehr persönliche App für die Apple Watch, einem sehr persönlichen Gerät. In Kombination miteinander seien diese beiden Produkte der perfekte Begleiter, um tägliche Dinge zu organisieren und zu erledigen.
Die wichtigsten Übernahmen der letzten Jahre:
- Juni 2015: BlueStripe Software (Application Management)
- Juni 2015: 6Wunderkinder (To-Do-Liste)
- April 2015: Datazen Software (Visualisierungslösungen)
- März 2015: LiveLoop (Kollaborationswerkzeug für Office)
- Februar 2015: N-trig (Hersteller von Eingabestiften)
- Februar 2015: Sunrise Atelier (Kalender-App)
- Dezember 2014: Hockeyapp (Testplattform für Apps)
- Dezember 2014: Acompli (E-Mail-App – im Januar 2015 als Outlook relaunched)
- November 2014: Mojang (bekannt für das Spiel Minecraft)
- September 2013: Nokia Mobiltelefone (Smartphone-Hersteller)
- Mai 2011: Skype Technologies (Internet-Telefonie)
Das Team von 6Wunderkinder
Die beliebte To-Do-App Wunderlist wurde von 6Wunderkinder mit Sitz in Berlin entwickelt. Der CEO und Gründer von 6Wunderkinder, Christian Reber, hatte im Jahr 2009 auf der Jobbörse XING zur Entwicklung einer neuen To-Do-App aufgerufen und gemeinsam mit seinem Team und dem Entwickler Frank Thelen die Idee für Wunderlist erarbeitet. Im August 2010 wurde 6Wunderkinder schließlich von sechs Freunden gegründet. Eine erste Version der Wunderlist-App wurde im November 2010 veröffentlicht und war zunächst nur für Desktops-PCs, Windows, Linux und OS X erhältlich. Erst 2011 kam die Freigabe für die iPhone-App.
Wunderlist ist kostenlos erhältlich. Mit Wunderlist Pro ist für eine monatliche Gebühr von 4,49 Euro oder 44,99 Euro im Jahr das Teilen der Listen und Bearbeiten mit Anderen möglich. Wunderlist für Unternehmen kostet 4,49 Euro pro Nutzer im Monat oder 44,99 pro Nutzer im Jahr.
Fazit
Gilt dasselbe also für 6Wunderkinder und Apple? Angesichts der immer noch sehr engen Verzahnung von 6Wunderkinder und Apple ist nicht davon auszugehen, dass sich daran in naher Zukunft Größeres ändern wird. Vielmehr werden die Veränderungen, die durch die Übernahme durch Microsoft in kleinen, unscheinbaren Schritten erfolgen, wie zum Beispiel nach dem Kauf von Skype. Es bleibt zudem abzuwarten, ob Microsofts Strategie, durch die Übernahme beliebter Apps auf lange Sicht mehr Käufer von weiteren Microsoft-Produkten zu gewinnen, wirklich aufgehen wird.
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