Als im Jahr 2015 der Spielfilm „Tangerine L.A.“ auf dem Sundance Film Festival lief, zog er mit seinen kontroversen Inhalten die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich. Der in der Transgender-Szene von Los Angeles spielende neunzigminütige Film erregte aber auch deshalb Aufsehen, weil er ausschließlich mit drei iPhone-5S-Modellen gedreht wurde; Regisseur Sean Baker besorgte sich für den Dreh ein Schwebestativ, die App Filmic Pro und sogenannte anamorphotische Linsen, mittels derer er mit den iPhones ein 32-Millimeter-Gefühl erzeugen konnte.
Bevor Sie nun Ihre Hoffnung auf einen eigenen iPhone-Hollywood-Streifen allzu hoch schrauben, sei erwähnt, dass Baker ein für Otto Normalverbraucher doch eher üppiges Budget von knapp 100.000 US-Dollar verfilmt hat, wovon er sich unter anderem eine ordentliche Postproduktion leistete.
Und dennoch: Weitere kurze und lange iPhone-Filme von Regisseuren wie Steven Soderbergh folgten. Inzwischen gibt es neuere, weiterentwickelte iPhone-Modelle mit besseren Kameras, und auch das Zubehör ist auf einem höheren Niveau. Hochwertige, professionellen Standards genügende Filme kann also eigentlich jeder drehen. Oder fast jeder, wie Sean Baker einst in einem Interview mit dem Onlinemagazin „The Verge“ klarstellte: „Ja, Sie können einen wunderbar aussehenden iPhone-Film mit einem Minimalbudget drehen – aber Sie sollten das Wissen von einhundert Jahren Filmemachen besitzen.“
Doch diese Aussage sollte Sie nicht davon abhalten, Ihre Filmideen mit Ihrem iPhone anzugehen. Da das Thema recht umfassend ist, haben wir uns entschlossen, es auf zwei Ausgaben zu verteilen. In diesem ersten Teil sagen wir Ihnen, welche Hüllen, Linsen und Filter Sie benötigen und wie Sie einen Gimbal einsetzen. Wir sprechen zudem mit einem Hersteller über die perfekte Ausrüstung.
Die Hülle als Grundstock
Bei Ihrem iPhone-Film geht es von Anfang an um grundsätzliche Entscheidungen. Möchten Sie mit verschiedenen Stilen herumspielen, sollten Sie auch unterschiedliche Linsen zum Einsatz bringen. Wollen Sie eine cineastische Anmutung erzielen, sollten Sie eine sogenannte anamorphotische Linse verwenden. Wir haben zwei Anbieter solcher Linsen für das iPhone gefunden, die wir etwas weiter hinten vorstellen.
Hitcase HC81400 Splash - Apple iPhone XS Max Schwarz
Gehen wir zunächst davon aus, dass Sie ein Video im herkömmlichen Stil anfertigen möchten. Eine stoßsichere Hülle ist für Außenaufnahmen ein Muss. Diese sollte zudem möglichst vielseitig sein, also den Einsatz der erwähnten Linsen überhaupt zulassen. Entsprechend hochwertige Produkte bieten derzeit nur eine Handvoll Firmen.
Unsere erste Empfehlung ist das Sortiment von Moment. Die von passionierten Filmemachern gegründete Firma produziert robuste Hüllen ab 30 Euro, die Sie hervorragend im Alltag nutzen, mit denen Sie aber auch in Sekundenschnelle filmen können. Diverse passende Linsen ab 100 Euro sind sprichwörtlich mit einem Dreh angebracht, und auch eine Hülle mit eingebautem Zusatzakku (90 Euro) hat Moment im Angebot. Der große Vorteil, wenn Sie auf ein kinoreifes Ergebnis abzielen: Das Unternehmen verkauft seit dem vergangenen Jahr auch eine anamorphotische Linse (150 Euro).
Gehören Sie zu den eher abenteuerfreudigen iPhone-Filmern, deren Ideen Sie des Öfteren an herausfordernde Orte führen, ergibt ein Ensemble der Firma Hitcase Sinn. Die Amerikaner haben wunderbar einfach zu montierende wasserdichte Hüllen ab 90 Euro im Programm, die selbst in Schnee, Eis und unter Wasser das iPhone schützen. An diesen bringen Sie – je nach verwendeter Hülle – mit einer Schiene oder magnetisch zusätzliche Linsen (ab 40 Euro) an. Überhaupt ist das Sortiment an Halterungen bis hin zu einem Brustgurt (50 Euro) bei Hitcase erstaunlich breit gefächert.
Das Unternehmen Sandmarc wiederum bietet sowohl eine Hülle (30 Euro) mit Linsen zum Anschrauben (ab 90 Euro), als auch einen Clip (70 Euro) an, mit dem Sie die Smartphone-Objektive an jedem beliebigen iPhone-Modell anbringen. Zusätzlich erhalten Sie bei Sandmarc in einer sogenannten Cinema Edition (ab 130 Euro) Polarisationsfilter und Neutraldichtefilter, die ebenfalls höchst einfach auf die Linsen geschraubt werden.
Eine wirklich praktische Idee haben die Macher der Shiftcam umgesetzt. Bei dieser iPhone-Hülle ab 70 Euro setzen Sie am oberen Ende eine Schiene ein, in der bereits Macro, Weitwinkel- und Fischaugen-Linsen implementiert sind. Möchten Sie nachträglich auf wirkungsvollere Linsen (ab 50 Euro) umschwenken, lassen sich auch solche in einer anderen Schiene einsetzen.
Anamorphotische Linsen
Das anamorphotische Verfahren bedeutet beim Filmen, eine Aufnahme mit einer entsprechenden Linse horizontal zu stauchen und beim Abspielen wieder zu entzerren sowie in die Breite zu ziehen. Das Ergebnis ist ein gemeinhin Cinemascope genanntes Breitbild, dessen weitere Charakteristiken ein elliptisches Bokeh sowie eine veränderte Tiefenschärfe sind. Geschickt gefilmte Szenen, die im richtigen Licht mit einer anamorphotischen Linse aufgenommen wurden, können der Anmutung eines Spielfilms tatsächlich recht nahe kommen.
Der Ursprung der Anamorphie reicht zurück bis in das 17. Jahrhundert, als man das Prinzip auf Gemälden an Deckengewölben anwendete, damit Betrachter diese vom Boden aus entzerrt wahrnehmen konnten. In den 1950er-Jahren ersetzte die Firma 20th Century Fox schließlich das zuvor ausprobierte 3D-Kino, welches aufwändig zu produzieren war und den Zuschauer zum Tragen einer entsprechenden Brille zwang, mit dem sogenannten Cinemascope. Dies wurde mit dem von Henri Chrétien erfundenen anamorphotischen Verfahren und günstigerer Technik realisiert. Das besonders breite Bild kommt dabei der menschlichen Wahrnehmung näher als zum Beispiel ein 4:3-Format. Zudem entstehen bei der Nutzung anamorphotischer Linsen die für das Hollywood-Kino charakteristischen Blendenflecken (Lens Flares) – gedehnte Schlieren also, die bei künstlichem oder sehr grellem Licht zur Geltung kommen.
Momentan stellen zwei Firmen solide und professionelle anamorphotische Linsen her: Moondog Labs und Moment. Der Vorteil des Linsenaufsatzes von Moondog (175 Euro) ist auch gleichzeitig sein Nachteil: Die Linse ist schnell auf das iPhone geschoben und mit einer kleinen Klappe arretiert. Dies bedeutet jedoch, dass sie nur auf dem nackten und somit ungeschützten iPhone zum Einsatz kommen kann. Auch muss das gefilmte Material im Anschluss de-squeezed, also mittels eines Programms entzerrt werden. Filmen Sie mit einer hochwertigen Anwendung wie Filmakr oder Filmic Pro, können Sie das jedoch unkompliziert innerhalb der App erledigen. Inzwischen gibt es zwar auch eine iPhone-Hülle im Moondog Labs Shop, für diese müssen Sie jedoch zusätzlich einen Adapter kaufen. Das An- und Abschrauben ist zudem eine Idee komplizierter.
Moment wiederum bietet gleich die Komplettlösung an: iPhone-Hüllen, auf die diverse Linsen (so auch die anamorphotische) angebracht werden können, sowie eine dazugehörige App, in der Sie die gestauchte Aufnahme sofort entzerren können. Dies lässt sich natürlich auch mit einem entsprechenden Programm am Mac im Nachhinein erledigen. Auch für das batteriefressende Filmen hat Moment mit einem Akkucase eine Lösung parat – sowie diverse Filter und Adapter für unterschiedliche Aufnahmesituationen.
Gimbals und Tripods
Die größten Vorteile, die ein iPhone beim Filmen bietet, sollten Sie ausgiebig nutzen: Sie vermeiden den langwierigen Aufbau einer professionellen Filmkamera und können die Objekte in Ihren Szenen mühelos und ohne schweres Zusatz-Equipment umkreisen und verfolgen.
Wollen Sie dabei sanfte, natürliche Fahrten und Szenen festhalten, sollten Sie Gimbals, Tripods oder wenigstens einen Griff verwenden. Das kleinste Accessoire kommt von der Firma Adonit. Ihr Photogrip (50 Euro) ist ein Griff, der Ihnen beim Filmen das Gefühl gibt, eine kleine Kamera in der Hand zu halten. Den Photogrip können Sie horizontal und vertikal aufstellen, er kommt mit einer herauslösbaren Fernbedienung und einem Stylus zur besseren Nachbearbeitung in Apps, einem kleinen Stativ, einem Band und einer Tragetasche daher. Die Firma Blackeye (die auch Linsen-Clips anbietet) führt in ihrem Sortiment einen Filming Handle (80 Euro), einen Griff also, der zugleich Tripod und Stick ist und zudem über einen Auslöser verfügt. In die Klammer von Black Eyes Filming Handle passt jedes gängige Smartphone – selbst in einer Hülle.
Noch geschmeidiger sehen Ihre Aufnahmen aus, wenn Sie einen Gimbal verwenden. Dabei handelt es sich um eine kardanische Aufhängung oder schlicht gesagt um eine elektronische Waage, in die Sie Ihr iPhone spannen und mit der Sie auch bei schnellen Bewegungen ausgewogene, ruckelfreie Aufnahmen machen. Der SPG 2 von Feiyutech (160 Euro) erwies sich in unseren Tests als zuverlässig und vielseitig. Mit dem Joystick steuern Sie den Gimbal. Die Verfolgung über alle drei Achsenbewegungen erleichtert Ihre Aufnahmen. Nette Idee: Ein an der Seite angebrachter Drehknopf dient dazu, wahlweise das iPhone oder den Gimbal zu steuern. Feiyutech hat zudem an einen beigefügten Tripod gedacht und mit 14 Stunden Akkulaufzeit langen Aufnahmetagen Rechnung getragen.
MOVI
Die Firma Freefly hat schon für diverse Hollywood-Filme Kamerazubehör gebaut und kann entsprechende Erfahrungen auf dem Gebiet vorweisen. Ihr Movi Gimbal (315 Euro) ist für cineastisch anmutende Aufnahmen der vielleicht beste Gimbal, da er vor allem jenseits der Technik diverse Vorteile bietet. Der erste ist die Klammer, in der Sie das iPhone spannen: Ein dehnbarer Griff macht das Befestigen zu einer sehr einfachen und schnellen Angelegenheit. Der zweite große Vorteil des Movi ist seine Bauweise: Mit einem breiten, auf der Unterseite flachen Steg sollten Sie während Ihres Drehs kein Problem bekommen, den Gimbal kurz abzustellen, was bei der Konkurrenz oft zu einem Balanceakt führt – wenn es überhaupt möglich ist. Ebenso können Sie den Movi arretieren, also kurz effektiv ruhen lassen, und haben ihn in Sekundenschnelle wieder einsatzbereit. Obwohl diese Fähigkeiten eher die Drehpausen betreffen, erleichtern sie das Filmen mit dem iPhone wesentlich. Der Steg dient auch der beidhändigen Steuerung Ihrer Kamerafahrten. Am Griff sind vorn und hinten diverse Knöpfe zur Steuerung angebracht, sodass Sie auch einhändig alle Befehle erteilen können.
Beachten müssen Sie, dass Sie bei großen iPhone-Modellen oder bei der Verwendung von Linsen ein Gegengewicht benötigen, das es jedoch mit der entsprechenden Halterung im Onlineshop von Freefly zu kaufen gibt.
Kino-Look mit Filtern
Auch ohne anamorphotische Linsen können Sie Ihrem Film eine cineastische Note verleihen. Polarisationsfilter zum Beispiel sättigen Ihr Bild merklich und verstärken den Kontrast. Das muss nicht immer gleichbedeutend mit einem schöneren Bild sein, kann aber die Intensität deutlich erhöhen.
Einen Neutraldichtefilter sollten Sie wiederum einsetzen, wenn Sie bei besonders hellen Motiven das Farbbild nicht verfälschen, jedoch etwas abblenden möchten. Auch ein UV-Filter kann in bestimmten Situationen helfen, wenn Sie den ultravioletten Anteil reduzieren wollen. Mit einem iPhone-Case, das sowohl Linsen als auch Filter zulässt, erhalten Sie entsprechend die maximale Flexibilität. Auch hier liegt Moment mit seinem Angebot an diversen UV-, CPL- und ND-Filtern sowie einem Filteradapter für die anamorphotische Linse vor der Konkurrenz. Ein weiteres Plus ist die hauseigene iPhone-App, mit der Sie weitere Einstellungen komplementär zum jeweils eingesetzten Filter festlegen können.
Essentiell notwendig für Drehs im freien Gelände sind Zusatzakkus. Das mag trivial klingen, jedoch raten wir dazu, möglichst viele Powerbanks mit möglichst hoher Leistung einzupacken, da neben dem iPhone auch das diverse Zubehör mit Strom versorgt werden muss. Filmaufnahmen auf dem iPhone beanspruchen die Batterie des Smartphones weit mehr als Fotos oder das Abspielen von Musik. Nutzen Sie zudem eine Film-App, kann das iPhone schon nach einer oder zwei Stunden nach neuem Saft verlangen.
Damit Ihnen nicht die Luft ausgeht, sind zwei äußerst kompakte und gleichzeitig leistungsstarke Akkus der Firma Xlayer, der Powerbank X-Charger 10.000 sowie das Modell Pure Carbon 7.500, sehr zu empfehlen.
Interview mit Erik Hedberg, Gründer von Moment
Mac Life: Nehmen wir an, ich will mit dem iPhone einen Film drehen, der besonders cineastisch wirken soll. Was muss ich beachten?
Erik Hedberg: Zunächst einmal sollten Sie die 180-Grad-Shutter-Regel befolgen, um sicherzugehen, dass Sie mit der richtigen Belichtungszeit drehen. Um Ihren Film so aussehen zu lassen, wie das menschliche Auge etwas wahrnimmt, sollten Sie nicht kürzer belichten als die halbe Standzeit eines Bilds (Cineasten schwören auf 24 fps (frames per second) und eine Belichtungszeit von 1/48 Sekunde pro Frame, Red.).
Zweitens sollte die Belichtung beim Drehen stimmen. In der Postproduktion können Sie von Smartphone-Aufnahmen in dieser Hinsicht wenig retten.
Und drittens sollten Sie niemals einen automatischen Weißabgleich einstellen. In unserer „Moment Pro Camera App“ können sie ihn Ihrer jeweiligen Szene anpassen.
Was würden Sie neben der üblichen Hüllen-Linsen-Kombination an zusätzlichem Equipment empfehlen?
Ich würde zu fünf zusätzlichen Elementen raten. Der Ton Ihres Films ist extrem wichtig. Nehmen Sie ihn niemals einfach so mit dem iPhone auf. Verwenden Sie ein externes Mikro, zum Beispiel jene von Shure oder Røde.
Um geschmeidige und gleichmäßige cineastische Szenen zu kreieren, sollten Sie einen Gimbal einsetzen. Unser Team bevorzugt die Modelle von Freefly, DJI und Evo. Nicht minder wichtig ist ein Stabilisator. Smartphones sind äußerst leicht, für eine vernünftige Aufnahme ohne Stativ benötigen Sie Gewicht, einen sogenannten Smartphone-Video-Rig oder eine Halterung mit Gewicht.
Für stationäre Aufnahmen sollten Sie entsprechend einen ordentlichen Tripod dabei haben. Alles vom kleinen Gorilla-Pod bis zu einem großen professionellen Stativ hilft.
Und letztlich muss natürlich auch das Licht stimmen. Kleine Lichtquellen wie jene von Litra oder Lumecube helfen Ihnen dabei, Ihr Objekt ins richtige Licht zu rücken oder nachts einen gewünschten Effekt herzustellen.
Zudem sind diese Accessoires angenehm klein und leicht zu transportieren.
Wie wichtig ist die Postproduktion bei einem iPhone-Film und was würden Sie dafür empfehlen?
Vorab: Die Postproduktion können Sie definitiv zu Hause erledigen. Es gibt heutzutage derart viele Online-Anleitungen, dass es relativ einfach ist, Programme wie Adobe Premiere Pro (das wir benutzen) oder Final Cut zu erlernen. Programme wie unsere Moment-App, mit der Sie gewisse Parameter manuell einstellen können, erlauben Ihnen mit unterschiedlichen Farbprofilen und Formaten aufzunehmen.
Das bringt Ihnen wiederum eine größere Vielseitigkeit in der Nachbearbeitung. Wenn Sie in 4K aufnehmen, benötigen Sie einen relativ leistungsfähigen Computer für den Schnitt. Das allermeiste werden Sie jedoch auf einem guten, modernen MacBook erledigen können.
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