Das iPad hat einen langen Weg hinter sich. Die erste Generation präsentierte noch Firmenchef Steve Jobs persönlich vor versammelten Publikum: Im Frühjahr 2010 stellte er es gemütlich im Ledersessel vor. Dabei ging es vor allem um die vielfältigen Einsatzzwecke als digitales Lesegerät: Internetseiten ansurfen, E-Books lesen und später auch in Comics blättern, all dies war nun komfortabel möglich. Durch das farbenfrohe Retina-Display ist es auch heute noch ein Allzweckgerät auf dem Markt der E-Book-Reader. Das iPad kann also in vielen Fällen das gedruckte Papier bereits ersetzen. Anders sieht es hingegen mit dem unbedruckten Papier aus. Eigentlich sollte der Anwendungsfall als digitales Notizbuch ebenfalls naheliegend sein. Doch Apple tat sich in den vergangenen Jahren und iPad-Generationen eher schwer mit dem Konzept. Dabei bietet das Tablet dank großem Touchscreen, umfangreichen Netzwerkfunktionen und dem App Store mit mehr als einer Million iPad-Programmen theoretisch alle nötigen Voraussetzungen, um Klebezettel und Notizbücher von modernen Schreibtischen zu verbannen.
Handschriftliche Notizen macht man noch immer am besten mit einem Stift. Der Apple Pencil kostet schlappe 100 Euro. Wem das zu teuer ist, sollte einen Blick auf den neuen Crayon von Logitech werfen. Mehr zu dem Stylus auf Seite 64.
iPad statt Klebezettel
Einer der wichtigsten Anwendungsfälle für das gute alte Papier sind schnelle Notizen. Ob als Klebezettel am Kühlschrank, als Schmierzettel auf der Schreibtischablage oder als Einkaufszettel in der Hosentasche: Die kleinen Zettelchen sind immer noch überall zu finden.
Für Notizen ist das iPad der ideale Ersatz. Sie müssen noch nicht einmal eine App herunterladen: Apples Erinnerungen-Programm ist auf jedem iPad, iPhone und Mac vorinstalliert. Dank iCloud-Integration sind die verschiedenen Anwendungen auch immer auf demselben Stand. Angelegte Notizen können dabei zeit- und ortsabhängig erscheinen, damit Sie stets zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort die passenden Daten mit sich führen. Für weitere Kontexte versehen Sie die Erinnerungen mit eigenen Notizen.
Leider ist Apples Standardanwendung alles andere als praktisch und kein Ersatz für Stift und Papier. Das Problem: Das schnelle Hinzufügen simpler Erinnerungen dauert durch die vielen Untermenüs viel zu lang. Im Alltag ist das nervig. Stattdessen ist die Siri-Integration die bessere Benutzerführung. Anstatt selbst Hand an die App zu legen, diktieren Sie dem Sprachassistenten einfach Ihre Erinnerung.
Daneben gibt es aber noch weitere Alternativen im App Store. Wer simple Aufgabenlisten erstellen möchte, greift zum Beispiel zu Todoist. Die App ist kostenfrei im App Store für iPhone, iPad und Mac erhältlich. In der Basisversion sortieren Sie Ihre Aufgaben in verschiedenen Projekten, Labels und Filtern. Todoist liefert eine Tages- und Wochenansicht Ihrer Aufgaben.
Besonders praktisch ist das Erstellen neuer Erinnerungen. Durch die Texterkennung müssen Sie lediglich Ihre Aufgabe eingeben, die App erkennt alle wichtigen Infos wie Uhrzeiten und Labels und sortiert die Aufgabe entsprechend. So wird aus „Morgen Abend um 19 Uhr einkaufen gehen“ eine Aufgabe, die am folgenden Tag um 19 Uhr fällig ist – das erspart nervige Einstellungen in Untermenüs wie bei Apples Erinnerungen.
Leider sind viele sinnvolle Funktionen erst im Premium-Abo für 32 Euro jährlich verfügbar – zum Beispiel Push-Nachrichten zur Erinnerung an Ihre Aufgaben. Für weniger zeitkritische Aufgaben und Erinnerungen ist die App aber eine gute Alternative.
Wer hingegen einen Alleskönner sucht, wird bei Evernote fündig. Hier geht es weniger um Aufgaben, sondern um umfangreiche Notizen. To-dos können ein Teil dieser Notizen sein. Neben simplen Texteinträgen überzeugt die App mit vielen Medien, die Sie zu den Notizen hinzufügen können – das können Bilder, Sprachaufnahmen oder auch Skizzen sein. Damit ist die App im Vergleich zu ihren Alternativen besonders umfangreich. Ihre Notizen können Sie mit anderen Evernote-Nutzern teilen und so gemeinsam bearbeiten. Das kann zum Beispiel für den privaten Einkaufszettel in der Familie oder im Job mit den Arbeitskollegen für einzelne Projekte und Aufgaben nützlich sein. Leider ist die App ein wenig unübersichtlich. Viele Funktionen verstecken sich hinter zu vielen Menüs.
Die Premium-Version kostet 7 Euro pro Monat beziehungsweise 60 Euro pro Jahr. Dafür erhalten Sie einen umfangreicheren Notizspeicher, die Möglichkeit des Datenaustauschs auf mehr als zwei Geräten sowie erweiterte Textfunktionen. Für das schnellen Aufschreiben kurzer Gedanken ist Evernote kaum eine Konkurrenz zum Schmierzettel – für die Organisation der eigenen Notizen aber eine gute Alternative!
Kreative Notizbücher
Notizbücher haben sich im produktiven Kontext mehr als bewährt – egal ob im Job, für eigene Projekte oder an der Uni. Ein simples Notizbuch ist flexibel bei Meetings, für schnelle Kritzeleien und erste grafische Entwürfe oder als Sammlung wichtiger Aufgaben einsetzbar. Das weiß auch Moleskine, der Hersteller der simplen schwarzen Notizbücher. Neben den analogen Papierbüchern bieten die Italiener eine Vielzahl digitaler iPad-Anwendungen an.
Mit den Apps Actions und Timepage kümmern Sie sich um Ihre Aufgaben und Termine. Die beiden Programme sind eng miteinander verzahnt und funktionieren am besten in Kombination.
Moleskine Actions verwaltet Ihre Aufgaben und To-do-Listen. Besonders schön ist dabei das Design der App: Auf der rechten Bildschirmseite sehen Sie Ihre Aufgabenlisten. Diese erscheinen in großen und schönen Karten. Innerhalb der Listen finden Sie die einzelnen Aufgaben. Auf der linken Bildschirmseite finden Sie entweder alle erledigten Aufgaben oder eine formschöne Kalenderansicht. Diese greift auf Wunsch auf alle Ihre Kalender zu, Sie müssen also keine neuen erstellen.
Die Kalenderansicht öffnet die Timepage-App, wenn Sie diese ebenfalls installiert haben. Hier verwalten Sie Ihre Termine. Die App arbeitet ebenfalls mit mehreren Spalten. Rechts sehen Sie eine Tagesübersicht aller Termine sowie das lokale Wetter, links eine Auflistung der nächsten Tage. Mit einem Wisch nach rechts öffnen Sie die Monatsansicht.
Die beiden Apps überzeugen vor allem durch übersichtliche Ansichten und schnelle Interaktionen. Für beide benötigen Sie ein kostenpflichtiges Abo, das jeweils 2 Euro pro Monat oder knapp 12 Euro jährlich kostet.
Die wichtigste App ist jedoch Moleskine Notes. In Kombination mit dem Moleskine-Stift Pen+ Ellipse (siehe Kasten) und den Tablet-Notizbüchern aus Papier können Sie Ihre analogen Notizen automatisch in der App digitalisieren. Das geht direkt beim Schreiben – Sie müssen keine Seiten einscannen. Das gesamte Paket aus Stift, Notizbuch und App kostet aber rund 230 Euro und ist damit nichts für den kleinen Geldbeutel.
Moleskine-Smartpen
Oftmals suchen App-Entwickler nach Lösungen, um analoge Papiererlebnisse in ihren digitalen Apps nachzubilden. Der Apple Pencil ist ein gutes Beispiel dafür. Es geht aber auch anders: das Papier nicht ersetzen, sondern weiterhin nutzen und das Aufgeschriebene automatisch ins Digitale umwandeln.
Mit dem Pen+ Ellipse beziehungsweise dem Livescribe 3 werden Ihre analogen Notizen beim Schreiben digitalisiert. Leider benötigen Sie dazu ein spezielles Papier. Die Notizbücher kosten rund 30 Euro pro Stück. Und die Stifte starten preislich bei 200 Euro. Somit sind diese Kombinationen aus Stift, Papier und digitalem Back-up vor allem einen Blick für Designer und Architekten wert. Für simple Textnotizen sind die Preise hingegen zu hoch.
Wer hingegen auf der Suche nach einer App für Zeichnungen und Designentwürfe ist, greift zu Paper. Das Programm simuliert das titelgebende Blatt Papier am besten. Zur Auswahl stehen mehrere Schreib- und Malwerkzeuge wie Tusche, Tinte und Stift. Mit dem Finger zeichnen Sie einfach direkt auf dem Touchscreen. Simple Touchstifte funktionieren jedoch ebenso wie der eigens entwickelte Pencil. Die kostenpflichtige Pro-Variante bietet für knapp 6,50 Euro halbjährlich oder 10 Euro jährlich weitere Zeichenwerkzeuge, Ausschneidefunktionen sowie Verwaltungsmöglichkeiten. Schnelle Textnotizen können Sie ebenfalls mit der Hand schreiben oder per Tastatur eingeben.
Notizbücher sind aber nicht nur für schnelle Notizen oder kleine Kritzeleien gedacht, sondern manchmal verirrt sich auch ein längerer Text auf das Papier. Das kann das iPad natürlich auch und vielleicht sogar viel besser verarbeiten – mit dem richtigen Schreibwerkzeug zumindest. Der iA Writer ist so ein Werkzeug. Die App kostet 5,50 Euro im App Store und liefert ein bewusst minimalistisch gehaltenes Layout. Im Kern geht es der App um eine fokussierte Schreibumgebung ohne lästige Bedienelemente, stattdessen gibt es einige sehr sinnvolle Funktionen. Mit der eingebauten Versionierung haben Sie immer ein Back-up Ihres Texts zur Hand. Mit simplen Bedienelementen wie der Cursor-Navigation springen sie schnell durch den Text. Die Exportfunktionen sind umfangreich: PDF, HTML, Markdown und sogar Microsoft Word stehen zur Auswahl. Wer also einen schnellen Textentwurf oder sogar ganze Aufsätze mit dem iPad verfassen will, ist mit dem iA Writer gut bedient. Eine gewisse Eingewöhnung braucht es aber im Vergleich zum leeren Blatt Papier und dem Kugelschreiber schon.
Private Tagebücher
Ein weiterer beliebter Einsatzzweck für das unbedruckte Papier sind Tagebücher. Auch hier kann das iPad einiges leisten – vor allem durch die Multimedia- und Netzwerkfähigkeiten des Geräts. Ein gutes Beispiel dafür ist die Tagebuch-App Dayone. Mit ihr können Sie einzelne Tagebucheinträge mit der Tastatur des iPad eintippen. Besonders praktisch sind aber die vielen Metadaten: Dayone kann Ihren Standort während der Nutzung, die Uhrzeit und das Wetter automatisch hinterlegen. Bilder können Sie als Teil eines Tagebucheintrags ebenfalls ergänzen.
Darüber hinaus besitzt die App weitere sinnvolle Details. Sie können Ihre Daten zum Beispiel mit einem Passwort beziehungsweise per Touch ID oder Face ID des iPhone schützen, damit niemand unbemerkt in Ihrem Tagebuch stöbert. Wer nicht komplett auf Papier verzichten will, kann aus den eigenen Dayone-Tagebüchern gedruckte Exemplare bestellen. Das geht direkt mithilfe der App, setzt aber Apple Pay voraus. Ein weltweiter Versand ist möglich.
Moleskine hat ebenfalls eine klassische Notizbuch-Anwendung im App Store. Die Journal-App bildet das analoge Moleskine-Notizbuch digital ab. Sie können mit dem Finger auf dem Touchscreen zeichnen und schreiben. Neben Stift und Pinsel können Sie auch Farben und Strichbreite verändern. In den Einstellungen konfigurieren sie die Papierart, importieren Bilder und exportieren Ihr Notizbuch.
Leider sind die Exportfunktionen nicht besonders nützlich: Neben E-Mail stehen Ihnen nur Twitter und Facebook bereit. Nutzer von Evernote und der Adobe Creative Cloud können sich hingegen über eigene Exportfunktionen freuen. Als In-App-Käufe stehen weitere Buchvorlagen zum Download bereit. Leider ist die App durch ihr Design und die starke Orientierung am gedruckten Moleskine-Buch altbacken und eingeschränkt.
Fazit
Das iPad ersetzt in der Theorie jeden Stift und und jedes Blatt Papier. Es ist leichter als so manches Notizbuch, die Multimediafähigkeiten bereichern jede Notiz und dank Online-Anbindung tauschen Sie die Daten schnell aus. In der Praxis scheitert Apples Tablet aber oftmals an den Apps. Zu umständliche Nutzerführung oder altbackene App-Designs versperren dem iPad den alleinigen Platz im Büro. Das iPad hat den Stift und das Papier also noch lange nicht abgeschafft. Vielleicht kann Apple in den kommenden Jahren aber mit dem Pencil und weiteren Neuerungen im iPad-Betriebssystem daran arbeiten.
Erinnerungen mit Siri
Sie können Ihre To-do-Listen auch ohne die mühsame Eingabe mit der Bildschirmtastatur verwalten. Dazu nutzen Sie einfach Apples Sprachassistenten Siri. Ein längerer Druck auf den Home-Button aktiviert das Interface. Mit Befehlen wie „Neue Erinnerung“ sagen Sie Siri, was Sie möchten. Ergänzungen wie Uhrzeiten fügt Siri der Erinnerung hinzu. Der Befehl: „Neue Erinnerung: heute um 18:00 einkaufen gehen“ erstellt zum Beispiel eine Einkaufserinnerung. Mit „Neue Liste“ erstellen Sie eine Liste für mehrere Erinnerungen wie zum Beispiel einen Einkaufszettel.
Diese Steuerung per Sprache funktioniert besonders gut mit Apples Erinnerungen-App. Wer hingegen auf andere Apps setzt, muss unter Umständen auf Siri verzichten. Apps wie Todoist unterstützten aber ebenfalls Apples Sprachassistenten.