Doku-Film „Objectified“: Industriedesign zum Anfassen

Ein Leben für das perfekte Design

Das neueste Werk des „Helvetica“-Regisseurs Gary Hustwit ist nicht nur eine Ode an alle Designer, die unsere Gebrauchsgegenstände zu Kunstwerken erheben. Es ist auch eine brillante Dokumentation über Industriedesign, die den kreativen Prozess hinter den Kulissen für den Zuschauer lebendig werden lässt. Begleiten Sie Jonathan Ive in seine geheime Welt: Apples Designwerkstatt.

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Hinter allem, was Sie heute schon in die Hand genommen haben, steckt mehr als nur die Idee, etwas Nützliches und Funktionales herzustellen. Schön soll es sein, ästhetisch und unaufdringlich, zeitgemäß und wiedererkennbar. Keine Zahnbürste, kein Frühstücksteller, keine Fernbedienung verlässt heute eine Herstellungshalle, ohne dass ein sogenannter Industriedesigner zuvor Hand und Herz angelegt hat. Doch wer sind diese Leute, die den für uns so alltäglichen Gegenständen einen Charakter verleihen?

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In dieser Branche ein Gesicht, einen Namen oder gar einen Wiedererkennungswert zu bekommen, ist ausgesprochen selten. Gefeiert zu werden wie ein Star, ist womöglich gar einem einzigen Mann dieser Zunft überlassen: Jonathan Ive hat es schon lange geschafft, aus Apples Schatten zu treten und neben dem Fan-Idol und CEO Steve Jobs als derjenige genannt zu werden, der aus dem Computerunternehmen Apple eine Stilikone hat werden lassen. Entsprechend groß fällt das Interesse der Öffentlichkeit aus, mehr über diesen Mann und seine Arbeit zu erfahren.

Einblicke in Apples Designwerkstatt

Um seine Neugier und die des Publikums zu befriedigen, wagte sich nun kein Geringerer als der bekannte Dokumentarfilmemacher Gary Hustwit auf die Suche nach den Geheimnissen der Welt der Industriedesigner. In seinem Film „Objectified“ gibt Hustwit umfassenden Einblick in die Arbeit hinter den Kulissen und öffnet hierfür Türen, die als für immer verschlossen galten: Ein bisschen wie „Charlie aus ‚Willi Wonka & die Schokoladenfabrik‘“, scherzt Hustwit, besuchte er unter anderem Jonathan Ives Arbeitsplatz – Apples Designwerkstatt.

Ein bisschen entzaubernd, aber dafür umso emotionaler schwärmt Ive in „Objectified“ von seinen Ideen und den täglichen Kreativprozessen. Dabei stellt er exemplarisch die Arbeit am Unibody- MacBook, dem neuesten, aus einem Stück Aluminium gefertigten Modell der Produktreihe, in den Vordergrund. Kein Wunder, dass Hustwit gerade ihm den Auftakt in „Objectified“ gewährt, noch bevor alle anderen namhaften Designer im Film zu Wort kommen. Denn der gebürtige Brite startete bereits zu Beginn seiner Karriere als Industriedesigner voll durch: Nach seinem mit verschiedenen Auszeichnungen versehenen Abschluss an der Northumbria University in Newcastle, Großbritannien, probierte er verschiedene Designrichtungen aus. Seine Innovationsfreude und Kreativität wurden sogar mit dem Royal Society of Arts Award ausgezeichnet. Mit dem kurz darauf gegründeten eigenen Designstudio namens „Tangerine“ betreute er unter anderem Kunden wie dem Sanitärbedarfhersteller Ideal Standard – mit anderen Worten: Ive entwarf Toilettenbecken.

Nicht lange ließ jedoch der erste Kontakt zu Apple auf sich warten: Das damals schwer angeschlagene Unternehmen, das gerade seinen Mitbegründer Jobs entlassen hatte, schleppte sich um Hilfe bittend in Ives Studio. Obwohl Ive mit Computern früher kaum etwas am Hut hatte und sich, wie er in einem Interview zugab, für technisch unbegabt hielt, funkte es in der Zusammenarbeit mit Apple, und Ive verließ 1992 die Insel, um fest nach Cupertino zu ziehen. Doch erst mit der Rückkehr von Steve Jobs in das Unternehmen entfaltete sich Ives Talent in voller Breite. Sein Durchbruch gelang schließlich mit dem transparenten iMac G3-Modell im Bonbon-Design, mit welchem Ive ein Anti-Konzept zum miefigen PC-Design setzen wollte. „Wir wussten, dass der iMac der schnellste ist, wir hatten keinen Grund ihn hässlich zu machen“, kommentierte er damals schon sehr selbstbewusst. An dieser Stelle begann für Apple die Aufwärtsspirale zu einem heute so erfolgreichen Unternehmen. Jonathan Ive trug mit seinen Designs entscheidend dazu bei und kann inzwischen Prominente wie Bono, die Queen und George W. Bush zu seinen persönlichen Fans zählen.

Wie emotional kann eine Zahnbürste sein?

Neben Ive lässt Regisseur Gary Hustwit auch zahlreiche weitere namhafte Industriedesigner zu Wort kommen und setzt diese brilliant in Szene. Der Film kommt ohne einen Erzähler und ganz ohne klassische Interviewsituationen aus und verwöhnt den Zuschauer dafür mit ausdrucksstarken Bildern und emotionalen Sprechern. So erzählen unter anderem der deutsche Braun-Designer Dieter Rams oder Karim Rashid über ihre legendärsten Entwürfe, oder es berichten David Kelley und Tim Brown von IDEO über die Schönheit von Erbstücken und das perfekte Zahnbürsten-Design.

Hustwits Film erschöpft sich jedoch nicht in der Hervorhebung und Glorifizierung der kreativen Köpfe, die unserer Konsumwelt zu facettenreicher Ästhetik verhelfen. Im zweiten Teil der Dokumentation schwenkt der Regisseur nämlich über zu einem Thema, welches das Publikum „körperlich krank“ zu machen vermag. So erging es jedenfalls dem Publikum, das in diesem Frühjahr der Premiere von „Objectified“ beiwohnen durfte. Denn Hustwit zeigt auch die Kehrseite des immer härter und schneller werdenden Wettbewerbs um das neueste, schönste und beste Produkt auf dem Markt: Riesige Müllberge aus Elektroschrott, alte Zahnbürsten, die an bisher unberührte Strände angeschwemmt werden, und die durch unseren Konsum geförderte Vergänglichkeit von Produkten.

Ohne wirklich zu klagen oder mit dem Finger zu zeigen, philosophieren unter anderem die Designer von IDEO über Sinn und Möglichkeit, das perfekte Produkt zu entwerfen. Denn letztlich, da sind sich die Designer einig, spielen auch die Assoziationen und Emotionen des Konsumenten eine entscheidende Rolle für die Unsterblichkeit eines Produkts. „Stell dir vor, es zieht ein Hurricane auf. Welche Gegenstände schnappst du dir, um sie zu retten?“ fragt Hustwit in seinem Werk. Egal, ob das Erbstück vom Großvater oder doch das iPhone gerettet werden, die Antwort auf diese Frage verrät in den Augen des Filmemachers viel über den Stellenwert von Design in unserer Gesellschaft.

Filmzitate

„Schlechtes Design erkennt man daran, dass der Konsument sich selbst die Schuld gibt, wenn ein Produkt nicht funktioniert. Die Leute sollten mehr von den Dingen erwarten, die sie kaufen, zumindest aber, dass sie funktionieren.“ – David Kelley, IDEO

Der Regisseur: Gary Hustwit

Der Independent-Filmemacher Gary Hustwit lebt und arbeitet in New York und London. Seine bisherigen Werke konzentrierten sich eher auf die Musikbranche – so begleitete er unter anderem die US-amerikanische Rockband „Death Cab for Cutie“ auf ihrer Tour. Weltweiten Respekt als Dokumentarfilmer verdiente sich Hustwit jedoch mit dem im Jahr 2007 erschienen Werk „Helvetica“, ein Film über Typographie und Grafikdesign. Hustwits Geschichte über den Ursprung, die Verbreitung und Anwendung der Schrift ist inzwischen als DVD erhältlich, wurde mehrfach im Fernsehen ausgestrahlt und für Auszeichnungen nominiert. Mit dem derzeitigen Projekt „Objectified“ schickt sich der ehrgeizige Filmemacher an, erneut weltweite Beachtung für seine künstlerisch und inhaltlich anspruchsvolle Arbeit zu finden.

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