Apple Hard- und Software an Schulen

Das steckt hinter Apples Bildungsoffensive

Google ist die Nummer eins im US-amerikanischen Bildungsmarkt. Apple schickt sich mit einem erneuten „Education Event“ dagegenzuhalten und stellt neben jeder Menge neuer und akualisierter Software auch ein neues iPad – nicht nur für den Bildungsmarkt – vor.

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Was haben wir alle gelacht über Bilder, auf denen in Unversitäts-Seminaren hunderte Apple-Logos von MacBook-Rückseiten aufleuchteten und man irgendwo versteckt die eine arme Seele mit einem Dell-Laptop erspähen konnte. Weitestegehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit hat der Wind sich in den USA gedreht. Ausgerechnet Google ist gelinde gesagt im Aufwind und hat den Bildungsmarkt in weiten Teilen mit Chromebooks im Griff. Laptops, die voll und ganz auf die Cloud ausgelegt sind und nichtmal die lokale Installatation echter Apps vorsehen. Wobei dieser Aspekt inzwischen aufgeweicht ist: man kann mehr oder minder schlecht skalierte Android-Apps auch auf manchen Chromebooks laufen lassen.

Grund genug für Apple zur Attacke zu blasen. Lehrenden und Lernenden wird dabei nicht etwa das MacBook (Air) ans Herz gelegt, sondern das bei einer speziell dazu abgehaltenen Veranstaltung neu vorgestellte iPad. (Einen ausführlichen Test des neuen iPad lesen Sie ab Seite 25 in dieser Ausgabe.)

Es geht um Software!

Apple hat aber auch erkannt, dass es nicht ausreicht, erschwingliche Hardware anzubieten, um den „Education“-Markt zurückzugewinnen. Apple will sich um die echten Probleme von Schulen kümmert und bietet so auch eine neue App namens „Schoolwork“ an, mit der Lehrer Aufgaben verteilen, Hilfestellungen geben und Ergebnisse einsehen und bewerten können. Mit der neuen Schnittstelle ClassKit können außerdem App-Entwickler Ihre Software an Schoolwork andocken. Die App „Classroom“ rundet das Angebot ab und will der perfekte Assistent für Lehrer zur Verwaltung von Schulklassen und den iPads der Schüler sein.

Obendrein hat Apple dann auch noch das iCloud-Speicher-Inklusivvolumen für Accounts von Bildungseinrichtungen von 5 auf 200 Gigabyte erhöht. Das war auch bitter nötig, denn bislang konnte für „Managed Apple IDs“ kein zusätzliches Volumen gekauft werden. Schüler hatten 5 Gigabyte. Punkt.

Updates über Updates

Die größte Neuerung des Events war sicherlich das iPad mit Unterstützung für den Apple Pencil. Aber auch an anderer Stelle hat Apple sich nicht lumpen lassen. Apple hat die iWork Office-Suite, bestehend aus Numbers, Keynote und Pages um Apple-Pencil-Funktionen erweitert, von denen natürlich nicht nur, aber vor allem auch Schüler und Studenten pofitieren sollen. Erstmals können Anwender mit Apple Pencil direkt in den Anwendungen Pages, Numbers und Keynote Zeichnen, Skizzieren oder Schreiben. Ebenfalls neu: smarte Annotationen. Diese Funktion ermöglicht es iPad-Nutzern mit Apple Pencil Feedback einfach zu geben, zu empfangen und in ein Dokument zu einzubinden. Mit Smart Annotation werden Kommentare und Korrekturzeichen dynamisch im Text verankert. Und wenn ein Benutzer Feedback hinzufügt und das Dokument ändert, bleiben die bestehenden Anmerkungen bei dem Text, an den sie angehängt wurden, erhalten.

Tim Cook und sein Team versuchen das Ruder herumzureißen und Google im Bildungsmarkt die Stirn zu bieten.
Tim Cook und sein Team versuchen das Ruder herumzureißen und Google im Bildungsmarkt die Stirn zu bieten. (Bild: Apple)

„iWork ist ein leistungsstarkes Programmpaket für iPhone, iPad und Mac, das weltweit in Klassenzimmern eingesetzt wird", sagt Susan Prescott, Vice President of Apps Product Marketing bei Apple. "Mit der Unterstützung von Apple Pencil auf dem iPad ermöglichen die neuen Versionen von Pages, Numbers und Keynote den Schülern eine völlig neue Ebene der Kreativität in ihren Dokumenten, Tabellen und Präsentationen.“

Das Erstellen eigener Bücher ist jetzt auch direkt aus Pages möglich, so dass man nicht mehr auf „iBooks Author“ angewiesen ist. Letztgenannte Anwendung existiert zwar weiterhin, ihr Ende scheint aber absehbar. Zumindest hieß es in einem unserer Gespräche mit Apple-Mitarbeitern, das man derzeit nicht an einer neuen Version von iBooks Author arbeite.

An der Realität vorbei?

Der kanadische Tech-Journalist Rene Ritchie beschrieb das „Education Event“ als „Love letter to education”, einen Liebesbrief an die Bildung – und die entsprechenden Institutionen. Das mag stimmen, offenbart aber auch die Problematik. Bildungseinrichtungen brauchen keine Liebesbriefe, keine romantischen Nächte auf der Rückbank eines Autos und keine sommerlichen Flirts. Sondern viel mehr eine ernstgemeinte, langfristige Beziehung mit totaler gegenseitiger Offenheit und Verlässlichkeit.

Eine Beziehung mit Apple ist hingegen oft sehr einseitig. Schulen bringen finanzielle Mittel auf und kaufen sich in das Apple-Ökosystem ein und müssen dann hoffen, das Apple dran bleibt und gerade in Sachen Software weiter nachlegt. Zumal viele Schulen in den USA bereits auf Googles Plattform G-Suite mit Google Drive und Co. setzen – nicht zuletzt, weil man diese völlig unabhängig vom verwendeten Gerät nutzen kann.

Was Apple liefern muss

Für unsere Kollegen von 9To5Mac.com schreibt Bradley Chambers in einer wöchentlichen Serie über das Thema „Apple in Education“ und gilt als Experte in diesem Bereich mit Blick auf die USA. In seinem Bericht zum Apple-Event zitiert Chambers Tim Cook:

„Wir glauben daran, dass wir die wichtigsten Technologien hinter den Produkten, die wir anbieten, besitzen und kontrollieren müssen und nehmen nur an Märkten Teil, denen wir etwas signifikantes hinzufügen können."

Chambers fragt, ob dies denn in Sachen Bildung wirklich so sei. „Falls Apple glaubt etwas signifikantes für Schulen beitragen zu können, dann sollten sie 'all in' gehen und Schul-Technology grundlegend verändern. Sie sollten einen Schulbuchverlag kaufen und das Preismodell für Schulbücher ändern, wenn man eine Schule mit iPads ausstattet.

Sie sollten ein Schul-Informationssystem kaufen und mit all ihren Apps verknüpfen. Sie sollten eine echte Alternative zur [Google] G-Suite anbieten, die es einfach für Schulen macht, Kommunikation abzuwickeln.

Sie sollten dies zu einem Preis tun, zu dem auch die wirtschaftlich schwachen Distrikte genau so leicht partizipieren können wie die wirtschaftlich stärksten."

Kommentar

Es könnte alles so einfach sein, denkt man. Was Apple jetzt zur Verwaltung von Schulklassen anbietet (und auch schon einmal im Programm hatte: PowerSchool hieß die Software vor über 10 Jahren – und Apple hat sie 2006 an Pearson verkauft.), hat Google schon länger im Angebot. „Google Classroom“ gehört zum für edukative Einrichtungen angepassten Satz von „Google Apps for Business“, das inzwischen als „G Suite“ firmiert. Google möchte damit ein Rundum-sorglos-Paket anbieten und findet damit vor allem – aber nicht nur – in den USA großen Anklang. Denn: das Paket ist kostenfrei, was immer ein starkes Argument ist. Und spätestens mit dem Office-Dreisatz aus Docs, Tabellen und Präsentationen hat Google bewiesen, taugliche Software mit echtem Mehrwehrt für Schulen anbieten zu können. Das Problem ist natürlich der Datenschutz. So schreibt etwa der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz: „Wenn US-Anbieter von Cloud-Lösungen beauftragt werden, kann damit vor dem Hintergrund US-amerikanischer Rechtsvorschriften ein Zugriff durch US-Stellen verbunden sein, der mit europäischen Datenschutzgrundsätzen nicht im Einklang steht (nähere Informationen hierzu siehe 23. Tätigkeitsbericht des LfDI Kapitel I.1.3 und 25. Tätigkeitsbericht, Kapitel III.14.2).

Damit kommt aus Sicht des Landesbeauftragten ein Einsatz von Lösungen, wie Google Classroom nur insoweit in Betracht, als keine personenbezogenen bzw. personenbeziehbaren Daten der Nutzerinnen und Nutzer anfallen. Dies bedeutet, dass eine Verfahrensweise zu wählen ist, bei der die Schule (und nicht etwa einzelne Schülerinnen und Schüler) einen eigenen Account anlegt. Hierbei müssen die Schulen mittels pseudonymisierten Daten arbeiten.“
Genau das wäre ein Punkt, an dem Apple aber beispielsweise auch Microsoft auf sich aufmerksam machen könnten und auch an deutschen Schulen auf Gegenliebe stoßen könnte. Schließlich wirbt Apple immer stärker mit dem Thema Datenschutz für sich und seine Angebote. Microsoft betreibt sogar deutsche Rechenzentren, so dass die Daten im Land bleiben.

Bekenntnisse eines Abtrünnigen

(Bild: Apple, Screenshot, Montage)

Browser statt Finder. Play Store statt App Store. Chrome OS statt macOS. Ich bekenne: Wenn ich meinen iMac im Büro abschalte, öffne ich zu Hause seit knapp zwei Jahren ein Chromebook. Was zunächst aus reiner Neugier auf Neues geschah, ist mittlerweile weitestgehend der Überzeugung geschuldet. Denn Google ist zusammen mit seinen kooperierenden Hardware-Partnern gelungen, was Apple in der Berauschung der Smartphone-Absatzzahlen schlicht entgangen ist: eine zeitgemäße Vision der Idee Laptop, die ihre Daten federleicht in der Cloud allgegenwärtig verfügbar hält und die wie Blei lastenden Ballast aus der „Urzeit“ der Computertechnik selbstbewusst über Bord wirft.

Dass Apple immer noch nicht Mac, iPhone und iPad enger zusammengeführt hat, könnte sich indes als einer der größten Fehler der letzten Jahre erweisen. Denn an die Colleges und Universitäten drängt die erste Generation von Schülern und Studenten, die mit dem Smartphone groß geworden ist. Und die will beim Schritt auf den Laptop eben mit genau den Apps weiterarbeiten, die sie schon kennt. Google schlägt hier mit der Möglichkeit, Android-Programme auf aktuellen Chromebooks zu nutzen, sehr clever die Brücke. Apple sollte sich beeilen, die Idee universeller Apps für iOS und macOS voranzutreiben, um diese Generation nicht für immer zu verlieren.

Thomas Raukamp

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