Rechtslage bei Dashcams

„Von Rechts wegen“: Dashcam vor Gericht

Mit der passenden App ist das iPhone auch als Verkehrsüberwachungsinstrument nutzbar. Aber darf es auch, was es kann? Anwalt Stephan Dirks klärt auf, was erlaubt ist und mit welchen Folgen Nutzer von Dashcams womöglich rechnen müssen.

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Egal, ob Meteoriteneinschlag, Flugzeugabsturz oder Glatteis-Unfall: Aus dem Auto aufgenommene Videoaufnahmen mit, sagen wir „Nachrichtenwert“, werden immer häufiger. Vor allem in Russland scheint die so genannte „Dashcam“ zur Serienausstattung vieler PKW zu gehören. Die auf dem Armaturenbrett befestigte Kamera läuft immer mit und liefert ebenso wackelfreie wie spektakuläre Aufnahmen aus Augenzeugen-Perspektive.

Die Sache scheint auf den ersten Blick also etwas für Osteuropäer oder für Nerds zu sein. Aber auch hierzulande erfreut sich die private Verkehrsüberwachung steigender Beliebtheit. Nicht zuletzt könnte das daran liegen, dass die nötige technische Grundausstattung ohnehin in der Jackentasche vieler Autofahrer schlummert. Mit der passenden App aus dem App Store und einer Halterung kann es losgehen mit der Verkehrsüberwachung. Was kann schon schiefgehen?

Knöllchen-Horst

Leider kann natürlich doch was schiefgehen. Schuld sind wieder einmal die Spielverderber vom Dienst aus der Datenschutzabteilung. Inzwischen existieren eine Reihe von Urteilen zur Dashcam-Thematik, die die private Verkehrsüberwachung, wenn überhaupt, nur unter strengen Voraussetzungen zulassen. Eines davon wurde vom VG Göttingen (Beschluss vom 12.10.2016, Az. 1 B 171/16) gegen einen Mitbürger erlassen, der es unter seinem Presse-Pseudonym „Knöllchen Horst“ zu einiger Bekanntheit brachte. Das Gerichtsverfahren hatte die Verfügung einer Datenschutzbehörde zum Gegenstand, die Knöllchen-Horst den Betrieb seiner eigenen PKW-Überwachungskamera untersagte, mit der er die Verkehrsverstöße seiner Mitmenschen durch das Heckfenster filmte. Wann auch immer Horst ein Verkehrsrüpel begegnete, musste der damit rechnen, dass sein Verhalten zur Anzeige gebracht wurde.

Dieses Hobby ist Horst nach der Entscheidung des Gerichts nun erst einmal los. Denn die anlasslose, permanente Verkehrsüberwachung stellt eine einwilligungsbedürftige Verarbeitung personenbezogener Daten dar, die sich nicht so einfach rechtfertigen lässt. Schon gar nicht mit der Aufdeckung von Verstößen Dritter, die den Betreiber nichts angehen. Aber wohl auch nicht mit dem Selbst- und Eigentumsschutz des Betroffenen. Die permanent mitlaufende Dashcam ist nach dieser Entscheidung erst einmal verboten.

Es gehört zu den Merkwürdigkeiten des deutschen Rechts, dass damit noch nicht alles dazu gesagt ist. Denn in Deutschland folgt nicht jedem Beweiserhebungsverbot (dem Verbot, mit der Dashcam Aufnahmen herzustellen) auch ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot (das Verbot, die hergestellten Aufnahmen in einem Prozess zu verwenden). Hier findet nämlich erneut eine Abwägung zwischen den durch das Beweiserhebungsverbot geschützten Interessen und, vereinfacht gesagt, dem Interesse an der Wahrheitsfindung statt. Und am Ende dieser kann durchaus das Ergebnis stehen, dass eine rechtswidrig hergestellte Aufnahme trotzdem als Beweismittel taugt.

Wer sich auf diese recht unsicheren Aussichten bei der Nutzung der Aufnahmen aus der Dashcam nicht verlassen möchte, der muss noch einmal einen Blick auf die Entscheidung gegen Knöllchen-Horst werfen und dort bei den Begriffen „permanent“ und „anlasslos“ ansetzen. Wer nämlich nur anlassbezogene Aufnahmen herstellt, also die Kamera in bestimmten Situationen per Hand einschaltet, ist rechtlich auf der wesentlich sichereren Seite als derjenige, der die Kamera ständig mitlaufen lässt. Und natürlich spielt auch eine Rolle, wie lange die entsprechenden Aufnahmen gespeichert werden. Das Landgericht Traunstein (Urt. v. 01.07.2016 -Az.: 3 O 1200/15) sah zum Beispiel die Aufnahmen aus einer Dashcam als rechtmäßig an, die jeweils nur eine Zeitspanne von 30 Sekunden aufzeichnete und diese danach wieder überschrieb.

Das Fazit lautet trotzdem: Wer den öffentlichen Raum mittels Kamera beobachtet, bewegt sich in einer Grauzone. Wer dennoch nicht darauf verzichten mag, sollte, dem Motto „weniger ist mehr“ folgen.

Zum Autor

Stephan Dirks ist Fachanwalt für Urheberrecht und Medienrecht in der Kanzlei Dirks und Diercks mit Sitz in Hamburg und Kiel. Im Web finden Sie ihn unter www.dirks.legal.

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Wieder ein typische Beispiel dafür wie weltfremd, realitätsfern und widersprüchlich sowie unsinnig unsere Rechtsprechung ist.
Datenschutz?? Wo denn noch heute? Facebook, Google+, Smartphones, Webcams, staatliche Kameras im öffentlichen Raum, jeder Laden hat mittlerweile eine Kameraüberwachung, jeder Tourist rennt mit nem Fotoapparat herum und knipst selbstverständlich frei herum, was auch absolut richtig wäre. Anstatt, dass unsere Winkeladvokaten völlig sinnentleert Paragraphen zwanghaft anzuwenden versuchen... gefühlt offenbar nur beim Bürger, weniger bei Unternehmen oder wenn es dem staatlichen Interesse dient, sollte man sich mal darauf besinnen aktuelle Lebenssituationen und Technologien sowie aktuelle Realität miteinzubeziehen und das Gesetz sinnvoll abändern, damit wir ein klares und vernünftiges Miteinander haben. Aktueller Klassiker ist auch Fotos von Flugmodellen... der Staat darf, dem Bürger wird es so schwer wie irgend möglich gemacht. Alles Grauzone und fleissig verbieten.... wie wäre es mit solidarischem Denken und weniger Angst :-)

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