Ein Nachruf

Der neue iPod touch: Das Ende einer Ära

Zugegeben, wirklich lebendig war der iPod in den vergangenen Jahren nicht mehr. Mit dem nun präsentierten iPod-touch-Update rettet Apple diese legendäre Produktkategorie aber nun halbherzig vor dem unausweichlichen Ende. Dabei hätte der iPod ein würdiges Ende verdient. Es wird Zeit für einen Nachruf.

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7 Minuten Lesezeit

Endlich, das Comeback des Jahres! Der iPod touch ist wieder da, denn Apple veröffentlicht die 7. Generation seines Musikplayers und verpasst ihm neue Hardware. Was auf den ersten Blick wie ein Neuanfang wirkte und bei einigen iPod-Freunden für Euphorie sorgte, ist in Wirklichkeit nur ein minimales Hardware-Update. Lediglich ein neuer (alter) Prozessor wird in das bekannte Gehäuse eingepflanzt. Ein größeres Display, bessere Kameras, ja sogar einen Touch-ID-Sensor sucht man vergebens. Und auch sonst sieht der iPod touch noch immer aus, wie er es seit 2012 tut. 

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Dass man sich dieser Tatsache in Cupertino wohl durchaus bewusst ist, beweist die quasi nicht vorhandene Platzierung auf der Apple-Webseite. Machen Sie sich mal den Spaß und suchen Sie den iPod auf der Startseite von Apple. Und auch die Ankündigung des Updates per Pressemitteilung bringt nicht wirklich Zuneigung zum Ausdruck. Eine Vorstellung der 7. Generation bei der Eröffnungspräsentation der Entwicklerkonferenz, es scheint undenkbar gewesen zu sein.   

Wahrscheinlich kam der A10 Fusion Chip auch nur in den iPod touch, weil dieser sonst im Herbst das neue Betriebssystem iOS 13 nicht unterstützt hätte. Dann hätte Apple den letzten iPod-Vertreter endgültig aus dem Programm nehmen müssen. Damit wäre aber nicht nur eine Produktbezeichnung in Rente gegangen, sondern auch gleich eine ganze Ära. Und ein Gerät, dem Apple viel zu verdanken hat, war es doch Anfang der 2000er Jahren ein wichtiger Baustein, um den Konzern wieder auf die Überholspur zu bringen. 

Auch wir haben den iPod unterschätzt

Wie groß dieser Erfolg werden würde, war auch uns nach der Vorstellung des ersten iPods noch nicht klar. Im Jahr 2001 schrieben wir in unserer Dezember-Ausgabe der Mac Life, dass wir nach der Präsentation des iPod etwas enttäuscht seien. Apple habe mit seiner Ankündigung für ein neues bahnbrechendes Produkt die Erwartungen zu sehr angeheizt. Am Ende sei der iPod eigentlich nichts anderes als ein Abspielgerät für MP3-Dateien, das mit 1.000 Mark schlichtweg zu teuer sei. Hier würden schlussendlich das teure Design und der Name Apple mitbezahlt. 

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Mal davon abgesehen, dass der letzte Punkt offensichtlich noch immer unverändert auf Produkte von Apple zutrifft, haben wir mit unserer damaligen Einschätzung gründlich daneben gelegen. Der iPod war, rückblickend betrachtet, deutlich mehr, als ein einfacher MP3-Player. Genau wie ein anderes Gerät 20 Jahre zuvor mehr war, als ein einfacher Kassettenrekorder.

Der Urvater

Mit dem ersten Walkman revolutioniert Sony nicht nur einen Markt, sondern erschuf auch eine neue Kultur
Mit dem ersten Walkman revolutioniert Sony nicht nur einen Markt, sondern erschuf auch eine neue Kultur (Bild: Sony)

Am 1. Juli 1979 präsentierte Sony der Welt den ersten Walkman, welcher auf die noch wenig aufregende Bezeichnung TPS-L2 hörte. Kaum einer ahnte damals, wie sehr diese technische Neuerung nicht nur den Musikmarkt verändern, sondern eine ganze Kultur schaffen sollte. Der Walkman stand damals und steht noch heute für eine neue Freiheit. Die Freiheit Musik nicht mehr nur in den eigenen vier Wänden zu hören, sondern diese überall hin mitnehmen zu können. 

Interessanterweise erblickte der Walkman nicht durch Pop- oder Rockmusik das Licht der Welt, sondern verdankt seine Existenz, zumindest der Legende nach, der klassischen Oper. Einer der Sony-Gründer wollte auf langen Flügen seine geliebten Arien hören und so baute die Sony-Entwicklungsabteilung einen entsprechenden Prototypen eines tragbaren Kassetten-Abspielgerätes. Dieser Prototyp schien den Sony-Chef überzeugt zu haben, produzierte die japanische Firma ihn doch schließlich in Serie. 

Zunächst wurden nur einige tausend Geräte verkauft, der Walkman schien ein Flop zu werden, niemand verstand im ersten Moment so wirklich, was das revolutionäre am Walkman war. Dank einer großen Marketingkampagne konnte Sony die hohe Nachfrage schon kurze Zeit später nicht mehr bedienen. Bis zu seiner Einstellung im Jahr 2010 entwickelte Sony rund 100 verschiedene Varianten des Walkman und verkaufte mehr als 200 Millionen Stück. Der Name Walkman lebt übrigens weiter, Sony verkauft mit ihm noch immer verschiedene MP3-Player. Von knapp 50 Euro für ein Einstiegsgerät, bis zum handgefertigten Edel-Modell für mehr als 3.000 Euro.


Noch mehr Freiheit

Am 23. Oktober 2001 stellte Steve Jobs dann schließlich den ersten iPod vor. Ausgestattet war diese erste Version mit einer 5 GB Festplatte und 32 MB RAM. Mit ihm war es möglich, bis zu 20 Minuten Musik zu puffern, was ein großer Vorteil gegenüber dem tragbaren CD-Player war und insgesamt bot er Platz für rund 1.000 Musikstücke.
Zwischen 2002 und 2014 wurden weltweit knapp 400 Millionen iPods verkauft, also rund doppelt so viele Geräte, wie vom Walkman.

Und auch wenn der iPod 22 Jahre nach dem Walkman am Prinzip der Musik für unterwegs grundsätzlich wenig änderte, so hatte dieser tragbare Musikplayer dennoch einen ähnlich großen Einfluss, denn er erweiterte die Freiheiten des Walkman noch einmal deutlich. War es beim Gerät von Sony möglich eine, beziehungsweise zwei LPs auf eine Musikkassette zu übertragen und so unterwegs zu hören, ermöglichte der iPod plötzlich eine ganze Plattensammlung in der Hosentasche mit sich zu führen. Immer und überall.

Die Marketing-Kampagne rund um den iPod ist inzwischen ein echter Klassiker
Die Marketing-Kampagne rund um den iPod ist inzwischen ein echter Klassiker (Bild: Apple)

Doch wer den Erfolg des iPod verstehen möchte, der muss noch einen anderen wichtigen Aspekt betrachten. Apple hat das MP3-Format und digitale Musik nicht erfunden, war nicht einmal die erste Firma mit einem MP3-Player. Solche Geräte wurden bereits seit 1995 von SanDisk entwickelt und erstmals 1999 in Deutschland verkauft. Nein, der iPod wurde zu einer eigenen Marke. Eine Marke, bei der sich Gleichgesinnte auf der Straße erkennen konnten, trugen sie doch alle die mitgelieferten weißen Kopfhörer. Das Apple genau das bezweckte, zeigt alleine schon die damalige Werbekampagne. Scherenschnittartig sind darauf Menschen zu sehen, die Musik hören. Da sie aber nur eine zweidimensionale schwarze Fläche darstellen, treten sie völlig in den Hintergrund. Stattdessen lag der Fokus auf den weißen Kabelkopfhörern und dem damit verbundenen weißen iPod in der Hand. Der iPod war das erste echte Lifestyle-Produkt von Apple und so wurde aus dem Hersteller von langweiligen Computern ein waschechtes Lifestyle-Unternehmen. 

Tod durch Streaming

Das iPhone war ohne Frage einer der Gründe für den langsamen Abstieg des iPod, war es damit doch auch möglich seine Musiksammlung zu hören – plus eine unendliche Vielzahl an neuen Funktionen. Wer ein Smartphone besitzt, braucht keinen MP3-Player mehr. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren noch eine weitere entscheidende Entwicklung im Musiksektor, die dem iPod das Wasser abgrub. Der Erfolg von Streaming-Diensten wie Spotify und Apple Music führt zu noch mehr Freiheit im Musik hören. Der Walkman machte Musik mobil, der iPod die gesamte Musiksammlung. Und die Streaming-Dienste machen riesige Musikbibliothek mobil, die so groß sind, dass kein Mensch sie mehr in einem Leben durchhören könnte. Und synchronisieren muss diese Bibliothek auch keiner mehr, die Musik ist einfach da. 

Eine Zukunft als Zombie

Während die eigentlich Funktion des iPod, die Wiedergabe von Musik, inzwischen vom Smartphone fast völlig übernommen wurde, scheint sich der Veteran dennoch zumindest noch gut genug zu verkaufen, um ihn nicht gänzlich einzustellen. Für ein echtes Update mit randlosem Display und gar so Erfindungen wie Face ID reichten die Zahlen dann aber scheinbar auch keinesfalls. Denn vermutlich werden inzwischen die wenigsten Geräte von Musikfreunden gekauft, denn der iPod touch lebt inzwischen so etwas wie ein zweites Leben. 


Kiel, der Sitz unserer Redaktion, mag nicht so hipp wie Berlin sein, dennoch setzen Cafés auch hier inzwischen häufig auf Kassensysteme in App-Form. Daher kann es einem durchaus passieren, dass die eigene Bestellung von der Bedienung in einen iPod touch eingetippt wird. Und genau hier dürfte auch der Grund dafür liegen, dass Apple den letzen verbliebenen iPod nicht endlich einstellt. Er wird für alle Einsatzzwecke gekauft, in denen eine SIM-Karte nicht unbedingt nötig ist, die aber iOS als Betriebssystem voraussetzen. 

Damit ist der iPod also weiterhin eher ein Zombie, als eine coole Basisstation für die Musiksammlung. Den legendären Namen iPod trägt er nur noch, weil Apple keine Lust hatte sich eine neue Produktkategorie auszudenken. Wenn wir ehrlich sind, ist der iPod also eigentlich mausetot. Genau wie der klassische Kassetten-Walkman ist der echte iPod bald also nur nur noch auf Flohmärkten, vergessen in Schubladen und im Museum zu finden. Möge er dort in Frieden ruhen. 

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Nicht zu unterschätzender Vorteil des iPod: Man kann ungestört Musik hören und wird nicht von Anrufen unterbrochen. Grundsätzlich nicht.
Aber mal davon ab: Wer nur Musik hören will, ist doch damit sehr gut bedient. Ich weiß, alle reden von Streaming. Aber ist das Datenrumgeschicke wirklich so lebenswichtig? Die Risiken von 5G gegen die Illusion, alle Musik der Welt im Gerät zu haben? Ich mag Musik, die mir gehört. Und die mir nicht per Streaming abgedreht wird, weil über einen Sänger wieder irgendwelche Gerüchte oder Vorwürfe verbreitet werden ("tut uns leid, das Angebot Michael J. steht zurzeit aus ethischen Gründen nicht zur Verfügung"). Oder die irgendjemand als "nicht mehr ausreichend abgefragt" kategorisiert. Oder was auch immer.
Aber was rede ich, bin vermutlich viel zu altmodisch. Schöne neue Welt mit "all at your finger tip". Kommt demnächst eigentlich Soma raus?

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