Noch als ich ihm den ersten Text widmete, war das NetzDG ein kleiner, sehr hässlicher Gesetzentwurf. Im Oktober 2017 war aus dem hässlichen Entwurf ein Gesetz geworden, das leider noch genau so hässlich war. Seit dem 1. Januar 2018 gilt es nun so richtig, große Plattformen wie Facebook und Twitter müssen ein Beschwerdemanagement vorhalten– und die Debatte nimmt Fahrt auf. Das Jahr war noch keine zwei Wochen alt, da hatten wir die erste amtliche Zensurdebatte. Einerseits: Beatrix von Storch („barbarische, muslimische, gruppenvergewaltigende Männerhorden“), sowie AfD-Mitglieder im Richteramt („der kleine Halbneger“) als erste „Opfer“ der neuen Verpflichtung der Plattformen, auf Hinweise entweder durch Löschung zu reagieren oder sich der Gefahr von Bußgeldern auszusetzen. In dieser ersten Phase brandete hämischer Applaus auf. Die „Netzgemeinde“ raunte gar: Ist das NetzDG am Ende gar nicht so schlecht? Werden wir auf diese Weise vielleicht die ekelhafte, blau-braune Soße los, die sich seit Jahren über soziale Netzwerke ergießt?
Die Ernüchterung folgte prompt: Ausgerechnet das Satiremagazin „Titanic“ fängt sich ebenfalls eine Sperre, wegen einer Parodie. Mutmaßungen darüber, „welchem Herrn das neue Gesetz dient“, schießen ins Kraut. Schadet es mehr den Rechten oder den Linken? Und hat nicht sogar Heiko Maaß einen Hasskommentar verbreitet, der wegen des NetzDG gelöscht werden musste?
Gutes oder böses NetzDG?
Offensichtlich sorgen die Plattformen seit Anfang des Jahres dafür, dass Hass im Netz schneller verschwindet. Das kann man gut finden. Andererseits sorgen die Plattformen seit Anfang des Jahres auch dafür, dass Satire im Netz schneller verschwindet. Das kann man eher nicht so gut finden.
Erschwerend kommt hinzu – und das festzustellen gelingt mir nicht ohne den Hinweis darauf, dass ich persönlich eher der obigen Einteilung zuneige – dass namentlich Hass und Satire in manchen Fällen nicht so einfach auseinanderzuhalten sind. Dass die Entscheidung darüber, was noch Kunst, Meinung oder ganz einfach so etwas wie „freie Rede“ ist – also eine Äußerung, die von den in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz garantierten Freiheiten umfasst wird, eine der schwierigsten ist, die das Recht überhaupt zu bieten hat. Nicht umsonst steht eben in keinem Gesetz, was Hass ist und was nur Spaß. Auch nicht im NetzDG. Es bestimmt aber, dass das, was zuvor spezialisierte Gerichte und Anwälte in oft langwierigsten Verfahren verhandelt haben, nunmehr von Facebook und Twitter zu entscheiden ist. Und zwar innerhalb von 24 oder 48 Stunden, sonst droht das Bußgeld.
Nein, was da herauskommt, das kann nach menschlichem Ermessen nicht gut sein. „Soll Facebook doch Juristen beschäftigen – warum sollen denn die schlechter sein als andere?“. Dieser Einwand ignoriert einen wesentlichen Punkt:
Kein öffentlicher Raum
Facebook ist Privateigentum. Rechtlich und tatsächlich bedeutet das, dass man in einem völlig anderen Koordinatensystem entscheidet als staatliche Stellen. Die Plattform darf nämlich im Grundsatz erst einmal alles löschen und jeden Sperren. So etwas wie „freie Rede“ existiert auf der Plattform als Anspruch gegenüber dem Betreiber nicht. Damit muss die Plattform das Löschen auch nicht rechtfertigen. Die Entscheidung zum Nichtlöschen kann seit dem NetzDG aber teuer sehr werden. Die Plattform aber wird regelmäßig allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden. Die Befürworter eines hassfreien Internet lernen dieser Tage, dass auch eine gut gemeinte Regulierung sich schnell gegen die Falschen richtet. Dies sollte uns eine Warnung sein.
Rechtsanwaltskanzlei Stephan Dirks
Stephan Dirks ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Kanzlei Dirks mit Sitz in Hamburg und Kiel. Daneben vertritt er Mandanten in den Bereichen des Markenrechts, Datenschutzrechts, Wettbewerbsrechts und den angrenzenden Rechtsgebieten. In diesen Bereichen ist er auch als Autor und Dozent für Zeitungen und Zeitschriften tätig.
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