Spätestens mit dem Start und Aufstieg von Napster 1999 wurde klar, dass die gesamte Musikindustrie einen Trend, eine Technologiewende verschlafen hatte. Auf einmal hatte man es mit einem Widersacher zu tun, der alle Labels in zwei elementaren Punkten zu schlagen vermochten: die Einfachheit der Nutzung und der der Preis. Dank Napster, als Synonym für zahlreiche Tauschbörsen, musste man nicht mehr das Haus verlassen oder auf den Paketboten warten, um die neueste Musik hören zu können. Eine einigermaßen flotte Internetanbindung vorausgesetzt, trennten einen nur ein paar Mausklicks und etwas Wartezeit vom musikalischen Nachschub. Und das auch noch, ohne dafür bezahlen zu müssen. Natürlich war die Musik, die man dort bekam, häufig qualitativ nicht mit CDs vergleichbar. Dank MP3 wurden die Stücke soweit komprimiert, dass sie auch durch die schmalste Internetleitung zu flutschen vermochten. Die Qualität war vielen, besonders jungen Menschen dabei offenkundig egal – wichtiger war, dass man nicht zahlen musste. Dafür nahm man auch das „bisschen“ Geschepper im Kopfhörer, das „bisschen“ Kratzen im Lautsprecher in Kauf.
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Apple rettet die Musik, in zwei Akten
Ende der 1990er-Jahre führte Apple einen erbitterten und teilweise aussichtslos erscheinenden Kampf gegen die drohende Insolvenz. Neben dem iMac sorgte ein weiteres Produkt dafür, dass die Apfel-Firma nicht unterging: der iPod. Verhältnismäßig früh erkannte Apple, dass es an der Zeit war für ein mobiles Musikabspielgerät, dass den Discman verdrängen konnte, so wie dieser einst den Walkman auf das Abstellgleis schob. Im April 2003 stellte Steve Jobs den iPod vor. Der eingängige Slogan damals: 5.000 Songs in deiner Hosentasche. Wie kein anderer digitaler Musikplayer sorgte der iPod dafür, dass digitale Musik überall sein konnte. Und dank des Erkennungsmerkmals „weiße Ohrhörer“ bildete sich schnell eine weltweite Fangemeinde, in der man sich wissend und ein wenig verschwörerisch auf der Straße zunickte, wenn man jemand anderem mit identischen Ohrstöpseln auf der Straße begegnete. Der iPod sorgte dafür, dass digitale Musik aus der Schmuddelecke herausgezogen wurde und auf einmal in der Mitte der Gesellschaft stattfand.
Der nicht unverhoffte, aber auf jeden Fall nicht planbare Erfolg des iPod brachte Apple in eine außergewöhnliche Position. Steve Jobs und sein Team standen mit einer für damalige Verhältnisse reichlich abwegigen Idee vor frustrierten Plattenfirmen und fanden Gehör. Gehör für den Plan vom iTunes Store. Einer digitalen Verkaufsplattform für alle Musiklabels, die Apple betreiben und bei der Apple die Preise diktieren würde: 0,99 Cent für einen einzelnen Song, 9,99 US-Dollar für ein komplettes Album. Die Plattenbosse schlugen unter einer Bedingung ein: die so erstandenen Songs dürften auf keinen Fall kopiert werden, woraufhin Apple das DRM-System („Digital Rights Management“, digitales Rechemanagement) „FairPlay“ ersann. Dieses sah vor, dass gekaufte Titel auf bis zu fünf Rechnern gleichzeitig in Apples Musikplayer iTunes abgespielt werden konnten. Außerdem konnten sie auf beliebig viele iPods transferiert und dort auch abgespielt werden, sowie bis zu fünf Mal auf CD gebrannt werden.
Im Laufe der Jahre führte Apple diverse Änderungen am Angebot durch. So wurden den Labels mehr Freiheiten bei der Preisgestaltung eingeräumt, dafür wurde das DRM-System schrittweise abgeschafft. Im Prinzip hat der iTunes Store für Musik, gestartet am 28. April 2003 in den USA, in dieser Form bis heute Bestand und nach wie vor eine Daseinsberechtigung.
Spotify führt die Branche ins Plus
Die nächste Revolution im Bereich digitaler Musik machte Filesharing zumindest im Audiobereich zu einem Auslaufmodell – und diesmal war es an Apple, einen Trend beinahe zu verschlafen. Mit steigender Bandbreite bei Hausanschlüssen und mit dem Vormarsch von Smartphones (an dem Apple mit dem iPhone alles andere als unbeteiligt war), gewann das Streamen von Musik immer mehr an Relevanz. Maßgeblicher Treiber für diese Entwicklung war und ist das 2006 in Schweden gegründete Unternehmen Spotify. Am 7. Oktober 2008 ging der Dienst live, nachdem Einigungen mit den wichtigsten Musiklabels erzielt werden konnten. Schon im März des Folgejahres knackte Spotify die magische Grenze von 1 Million Nutzern.
Das bis heute praktisch unveränderte Konzept ist denkbar einfach: wer für Musik nicht zahlen möchte, nutzt Spotify kostenfrei, muss dafür aber Werbung ertragen und kann nicht alle Funktionen der Software nutzen. Wer diese Einschränkungen nicht hinnehmen möchte, zahlt 10 Euro im Monat und hat dafür freien Zugang zum gesamten Musikkatalog des Dienstes.
Dieses Angebot war hinreichend verlockend, dass Spotify die Anzahl der zahlenden Nutzer bis zum Sommer 2014 auf 10 Millionen hochschrauben konnte.
Und wo war Apple geblieben? Weit im Abseits. Und das sollte sich erst 2015 ändern. Auf der WWDC (World Wide Developer Conference) wurde der eigene Musikstreamingdienst „Apple Music“ erstmals präsentiert, bevor er am 30. Juni 2015 mit einem praktisch identischen Angebot wie Spotify – inhaltlich wie preislich – an den Start ging.
Für Apple-Nutzer hat Apple Music gegenüber Spotify seit jeher vor allem zwei Vorteile: Apple Music ist tief im Apple-Ökosystem verankert und auf jedem Apple-Gerät ab Werk installiert. Sechs Monate nach dem Startschuss verzeichnete Apple Music bereits 10 Millionen zahlende Kunden. Bis zum Dezember 2018 wuchs diese Zahl auf gigantische 56 Millionen Menschen an. Spotify vermeldete für das zweite Quartal 2018 83 Millionen zahlende Kunden, muss sich aber inzwischen zumindest auf dem US-Markt Apple geschlagen gegeben. Was sicherlich auch daran liegen wird, dass die USA einer der ganz wenigen Smartphone-Märkte ist, auf dem Apple die Nase deutlich vor Android hat.
Weltweit sieht die prozentuale Aufteilung laut Statista so aus: 36 Prozent Spotify, 19 Prozent Apple Music, 12 Prozent Amazon Music. Einzig weiterer nennenswerter Anbieter dieser Statistik ist der in Deutschland weitestgehend unbekannte Dienst Tencent Music, während sich andere vermeintlich große Dienste wie Deezer und Google Music um die 3-Prozent-Marke tummeln. Dafür misst die Kategorie „Andere“, in der sich zum Beispiel auch der auf Musik-Streaming in HiFi-Qualität spezialisierte Dienst Tidal befindet, erstaunliche 14 Prozent.
Kopfhörer-Boom
Wie im Vorbeigehen schafften die Streaming-Dienste, die legalen Musikgenuss nicht nur erschwinglich, sondern auch allgegenwärtig machen, eine weitere Trendwende. All die Menschen, die über Jahre hinweg mit klangtechnisch schlechter MP3- oder YouTube-Musik lebten, hatten keinen Bedarf an guten Kopfhörern. Wenn das Ausgangsmaterial von miserabler Qualität ist, hört man eben auch zwischen 50-Euro- und 250-Euro-Kopfhörern höchstens marginale Unterschiede. Dank Spotify, Apple Music und Co. hat aber praktisch jeder Zugang zu Musik in zumindest anständiger Qualität – und so verhalfen Streaming-Dienste auch der Kopfhörer-Branche zu einem nie dagewesenen Boom, so das heute in beinahe jedem Preissegment dutzende wenn nicht gar hunderte Modelle zur Auswahl stehen.
Das gleiche gilt immer mehr auch für Lautsprecher. Hochwertige Boxen hatten zwar immer eine zahlungskräftige und -willige Fangemeinde. Mit der ständigen Verbesserung von Bluetooth und der Einführung von Apples AirPlay haben sich in den letzten Jahren aber auch hier völlig neue Möglichkeiten ergeben und mindestens bluetoothfähige Lautsprecher gehören fast schon zur Standardausstattung eines jeden Haushalts.
Welcher Streaming-Dienst ist der richtige für mich?
Diese Frage lässt sich leider nur mit einem vielsagenden „Es kommt darauf an“ beantworten. Wenn Sie vor allem Apple-Geräte nutzen, bietet Apple Music viele Vorteile. Der Dienst ist perfekt integriert und die Bedienung, vor allem auf iPhone und iPad, fühlt sich „richtig“ an. Spotify kann in Sachen Usability an vielen Stellen nicht mithalten, bietet dafür häufig die deutlich besser kuratierten Playlisten und kann den spürbar besseren Algorithmus für das Vorschlagen neuer Musik vorweisen. Außerdem lässt Spotify sich in deutlich mehr Geräte, vom Fernseher bis zum internetfähigen Lautsprecher, integrieren. Das Gute ist: beide Dienste bieten ausgedehnte Probephasen von einem Monat (Spotify), beziehungsweise sogar 90 Tagen (Apple Music), so dass Sie in Ruhe vergleichen und eine informierte Entscheidung treffen können.
Wenn Systemintegration, Nutzerführung und Algorithmen, die Ihnen helfen, neue Musik zu entdecken, für Sie maximal die zweite Geige spielen, weil es Ihnen primär um den bestmöglichen Klang geht, sollten Sie einen genaueren Blick auf Tidal werfen. Für den doppelten Spotify- und Apple-Music-Preis, nämlich 20 Euro, bekommen Sie hier Musik in verlustfreier High-Fidelity-Klangqualität. Musik wird im HiFi-Abo nicht komprimiert, sondern als FLAC (Free Lossless Audio Codec) ausgespielt und erreicht Ihr Wiedergabegerät also in CD-Qualität. Auch Tidal, das ein im Wesentlichen zu Spotify und Apple Music identisches Musikangebot vorweisen kann, können Sie 30 Tage kostenfrei ausprobieren.
Alle anderen in unser Tabelle aufgeführten Dienste haben auch ihre Vorteile und Daseinsberechtigung. Wenn Sie sich für einen der beiden „Großen“ entscheiden, machen Sie jedoch mit Sicherheit keinen Fehler.
Ein schwieriges Thema sind die „zero rating“-Angebote nahezu aller Mobilfunkanbieter. Diese verstoßen nicht nur unserer Ansicht nach gegen die Netzneutralität, sind aber leider ungemein praktisch. Unter „zero rating“ versteht man nämlich die Nichtberechnung des Datenverkehrs bestimmter Dienste. Wer Telekom-Kunde ist und die kostenfreie „StreamOn“-Option bucht, kann beispielsweise Musik der meisten Streaming-Dienste über LTE hören, ohne dass dies auf das im Vertrag vereinbarte Datenvolumen angerechnet wird. Vodafone verkauft für diese Dienstleistung separat buchbare Pakete. Eigentlich möchte man aber einfach echte Flatrates im Mobilfunk haben, wie man sie vom Festnetz kennt, wo das Inklusivdatenvolumen bei den meisten Verträgen selbstverständlich unbegrenzt ist und jegliche Versuche, dies zu ändern, kläglich scheitern, wie zuletzt die Telekom mit ihrer „Internet-Drossel“ erkennen musste. Auch wenn „zero rating“ nicht gutzuheißen ist: niemand wird es Ihnen verübeln, wenn Sie bei diesen Angeboten schwach werden.
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Illegale downloads/streams sind wieder auf dem Vormarsch weil a) die Preise überall angezogen werden und b) eine aus Kundensicht seitens Rechteinhabern unnötige Aufteilung auf mehrere Services gleicher Art. Wenn ich jetzt schon wieder in lange zusammengestellten Playlists lauter ausgegraute Titel habe, dann fühle ich mich an schlimmste yt-zeiten 08-11 erinnert!! Illegale Angebote werden solange überleben/entstehen, wie die Wirtschaft kein besseres Produkt anbieten kann. iTunes ist so gesehen noch das beste, da dort der Erwerb der beim streaming ausgegrauten titel möglich ist. Deswegen besteht es so auch seit 16 Jahren. Streaming schön und gut aber als intensivnutzer gelangt man schon des öfteren an die Grenzen. Auch die spotify-Beschränkung auf 10.000 Songs in der eigenen Bibliothek ist absolut sinnlos. Was davon besitze ich denn wirklich, ausser ein paar im Profil gespeicherten Links?!? Abgesehen davon wären, in bester iTunes-Manier, intelligente Playlisten für ein „premium“-Paket wünschenswert, oder die Unterstützung älterer Geräte die zweifelsohne für einfaches streaming ausreichend sind. Aber nein eine fancy-optik für die app ist wichtiger!
Das ist leider die Realität beim Streaming.
... darüber hatte ich gar nicht nachgedacht, als ich mein Post eben verfasst habe. Ich gebe Ihnen zu 100% Recht!
Ich bin auch überhaupt kein Freund von Spotify, deshalb werde ich die von dir aufgezählten Mängel auch nicht verteidigen.
Ausgegraute Titel habe ich fast ausschließlich bei Soundtracks. Und ja, es ist wirklich katastrophal dämlich, dass die Rechtelage da nicht einfach mal global geklärt wird. Manche Songs findet man so zum Beispiel auch gar nicht in den Streamingdiensten.
Ansonsten muss man sich natürlich im Klaren darüber sein, dass man die Musik bei Apple Music, Spotify und Co. nur mietet. Mit allen Vor- und Nachteilen, die das eben mit sich bringt.
Und ja, Alben, die mir besonders am Herzen liegen, kaufe ich weiterhin.
Wie die Musikindustrie es geschafft hat aus der Falle zu „schlüpfen“? Ganz einfach, weil sie es endlich verstanden haben, dass Gier sie nirgendwohin bringt. Mit 1,50 EUR pro song war die Musik hoffnungslos überteuert. Wenn es Spotify nicht gäbe, würde Apple heute noch 2 EUR für geschützte Musik verlangen. 15,00 EUR im Monat für die ganze Familie ist völlig OK