Was nicht stattfindet

Kolumne von Rechts wegen über Zensur im Netz

AfD-Politiker wie Beatrix von Storch und der US-Verschwörungs-Guru Alex Jones haben einiges, zumindest aber eines gemeinsam: Sie hatten oder haben Schwierigkeiten mit den sozialen Medien und beschweren sich über „Zensur“. Zu Recht?

Von   Uhr

Der Vergleich hinkt ein bisschen: Geht es bei AfD-Größen regelmäßig um einzelne, gezielte Grenzverletzungen und Provokationen, so bestehen die Social-Media-Kanäle von Alex Jones, in denen er seit Jahren wirres Zeug über die Anschläge 9/11 („Ein Inside-Job!“) oder das Sandy-Hook-Schulmassaker mit 28 Toten („Durch Schauspieler inszenierter Fake!“) verbreitet, durchgehend aus schwer zu ertragendem Unsinn. Das spricht sich herum: Nach Apple, Facebook und Google hat nun auch Twitter Jones endgültig verbannt. Und ebenso wie nun der „große“ Jones beschwert sich die „kleine“ von Storch regelmäßig über „Zensur“, wenn es den Plattformbetreibern zu bunt wird und Beiträge gelöscht oder Accounts zeitweilig gesperrt werden. Dabei gibt es augenscheinlich das eine oder andere Missverständnis.

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Klar ist, dass Art. 5 Abs. 1 GG den berühmten Satz 1 enthält, nach dem jedermann „seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“ berechtigt ist. Und klar ist auch, dass davon auch abseitige, unsinnige und gegen das Anstandsgefühl der allermeisten Leute verstoßende Meinungen mit umfasst sind. Genau genommen sind es ja gerade die. Denn die Kommunikationsfreiheiten braucht man nicht, um Dinge zu äußern, die alle anderen auch gut finden. Ausdrücklich heißt es in Art. 5 GG am Ende dann auch noch: „eine Zensur findet nicht statt“. Hat Frau von Storch damit also vielleicht doch recht?

Was nicht „stattfindet“

Eine Ahnung davon, was Zensur eigentlich ist, liefert das Grundgesetz selbst. Dass sie „nicht stattfindet“, gibt einen ersten Hinweis, was damit (nicht) gemeint ist. „Stattfinden“ ist etwas, das eine gewisse Organisation voraussetzt, etwas irgendwie Institutionelles. Ein Flohmarkt „findet statt“, oder vielleicht auch „Grenzkontrollen“. Dass das Grundgesetz dagegen nicht jede Art von Eingriff in die Meinungsfreiheit schlechthin verbieten wollte, wird schon darin deutlich, dass es durchaus Schranken der Meinungsfreiheit kennt, nämlich zum Beispiel die allgemeinen Gesetze oder den Jugendschutz. Zensur ist also eine sehr spezielle Beschränkung der Meinungsfreiheit durch eine staatlich organisierte Kontrolle von Medienveröffentlichungen vor ihrer Veröffentlichung, die so genannte „Vorzensur“.

Festzuhalten ist damit: Was auch immer „stattfindet“, wenn Apple Alex Jones vor die Tür setzt oder Twitter geschmacklose Äußerungen von AfD-Funktionären löscht: Eine „Zensur“ ist das nicht. Und es sollte auch nicht so genannt werden. Anders herum ausgedrückt: Man kann natürlich alles Mögliche „Zensur“ nennen, auch das ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Nur ist das dann einfach Quatsch!

Dass Gerichte tagtäglich Menschen dazu verurteilen, diese oder jene Äußerung zu unterlassen, im Internet zu löschen, zu widerrufen oder nicht weiterzuverbreiten, trägt wahrscheinlich ebenso wenig zur Beruhigung der Betroffenen bei, wie die Feststellung dessen, was den Zensurbegriff ausmacht. Und letztlich sagt es ja auch noch nicht viel darüber aus, ob das Löschen einer konkreten Äußerung nun richtig oder – im Sinne einer möglichst breiten Geltung der Kommunikationsfreiheiten – falsch ist.

Die Frage, ob die Plattform einen bestimmten Inhalt löschen darf oder nicht, orientiert sich allerdings vor allem an den Nutzungsbedingungen der Plattformbetreiber. Denn diese sind gar nicht zuerst Adressaten von Grundrechten, die den einzelnen ja vor staatlichen Willkürmaßnahmen schützen soll. Wer die Plattform betreibt, darf die Regeln bestimmen, wer sie nutzt, hat ihnen erst einmal zugestimmt. Wer sie nicht einhält, muss gehen oder wird gesperrt. Das kann man für falsch halten. Aber dann hilft eben nur Eines: „Delete your Account“.

Zur Person

Stephan Dirks ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Kanzlei Dirks mit Sitz in Hamburg und Kiel. Daneben vertritt er Mandanten in den Bereichen des Markenrecht, Datenschutzrecht, Wettbewerbsrecht und den angrenzenden Rechtsgebieten. In diesen Bereichen ist er auch als Autor und Dozent für Zeitungen und Zeitschriften tätig.

Web: www.dirks.legal

Update, 7.1.2018, 16:23 Uhr: Es scheint wie eine selbsterfüllende Prophezeiung, dass wir ausgerechnet unter einem Artikel zum Thema Zensur die Kommentare ausblenden müssen - Schade! Spätestens dann, wenn sich Holocaustleugner unter die Kommentatoren mischen, sind wir aber zum Handeln gezwungen. Fremdenfeindliche, gewaltverherrlichende oder Geschichte relativierende Inhalte werden hier in keinster Form geduldet.

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