Das iPad mag zwar nicht so omnipräsent sein wie sein „kleiner Bruder“, das iPhone, trotzdem definierte es seit seiner Einführung im Jahr 2010 im Handumdrehen neue Märkte. Das Angebot etwa an digitalen Zeitschriften ist dank Apples Tablet-Computer exorbitant gewachsen – und auf keinem Gerät so angenehm wie auf den aktuellen iPads mit ihren hochauflösenden Retina-Displays. Und das zwanglose „Sofa-Surfen“ im Web und das Schauen von Filmen im Bett wurde erst mit dem iPad richtig gemütlich.
iPad auf Rezept
Doch es gibt auch andere Märkte und Bereiche, die sich mit dem iPad gewandelt haben und in die es nachhaltig Einzug gehalten hat. Dazu gehört der Gesundheitssektor, ein milliardenschwerer Markt, der spätestens seit der Ära von Tim Cook in den Fokus von Apple gerückt ist – Cooks erstes eigenes „Baby“, die Apple Watch, mutiert derzeit nicht ohne Grund immer mehr zum medizinischen Messgerät. Den sprichwörtlichen „Fuß in die Tür“ bekam man jedoch mit dem iPad.
Während der Tablet-PC seit Jahren einen festen Platz in der täglichen Arbeit von Ärzten und Pflegekräften hat, gewinnt er auch in den Händen von Patienten zunehmend an Wert. Das hat etwa das Cedars-Sinai-Hospital in Los Angeles erkannt, das das iPad als Teil seiner stationären Behandlung an Patienten verteilt. Auf diese Weise können diese sich mit ihrer Diagnose vertraut machen und sich über die Wirkung (und Nebenwirkungen) eventuell verschriebener Medikamente sowie ihre Einnahme weitergehend informieren. Das Ziel: Der Patient soll sich jederzeit über seinen Heilungsverlauf und der dazu notwendigen Mittel und Abläufe im Klaren sein. Damit nicht genug: Bei Rückfragen oder gar Schmerzen kann er jederzeit per iPad das Pflegepersonal kontaktieren. Und gerät der Aufenthalt zu langweilig, darf er sich direkt am Bildschirm Bücher aus der Krankenhausbücherei aussuchen.
Doch auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung setzen immer mehr US-amerikanischen Ärzte auf die digitale Kommunikation mit ihren Patienten. So „verschreiben“ sie Apples Tablet-PC schon fast genauso selbstverständlich wie Blutdruckmessgeräte, Gehhilfen und Verbände. Wer etwa einen Sehnenriss erlitten hat, kann jederzeit einen Kursplan für seine Regenerationsübungen abrufen und den zuständigen Physiotherapeuten oder Arzt per Videoanruf kontaktieren.
Im US-Bundesstaat Missouri schrieben sich 2016 knapp 600 Patienten für das Testprojekt „Engagement@Home“ ein, das das iPad in den Fokus der Fernbehandlung rückt. Das Ergebnis lässt aufhorchen: Die stationäre Aufnahme in Krankenhäuser sank unter den Teilnehmern um nicht weniger als 50 Prozent – was zu einer Kostenersparnis der beteiligten Kliniken um 30 Prozent führte.
Auch in Europa können Krankenhäuser und Ärzte Erfolge durch das iPad innerhalb des Behandlungsplans melden: So behauptet eine am Lyoner „Hópital Femme Mère Enfant“ in Frankreich durchgeführte Studie, dass insbesondere Tablet-Computer bei der Beruhigung von Kindern mindestens ebenso wirksam seien wie die Verabreichung von Sedativa.
Kein Zweifel: Das iPad ist ein wichtiger Teil von Apples Ambitionen, ein gewichtiges Wort im digitalen Gesundheitsmarkt mitzusprechen. Denn laut einstimmiger Expertenmeinung steckt dieser erst in seinen Kinderschuhen und verspricht, in den kommenden Jahren überexponentiell zu wachsen. „Doc Google“ ist längst keine Zukunftsmusik mehr. „Schon heute befinden sich hunderte von iPads in den Händen unserer Patienten“, sagt etwa Shaun Miller vom Cedars-Sinai-Krankenhaus in Kalifornien, „und mit der Anzahl unserer Stationen wird das Angebot an angebotenen Geräten in die Tausende gehen.“ Das, so Miller, läge nicht zuletzt in der im Vergleich hohen Datensicherheit des iOS-Betriebssystems begründet – ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Weitergabe der sensiblen Gesundheitsdaten.
Gesund mit Apple
Das iPad ist bei weitem nicht das einzige Gerät, mit dem Apple die Tür zum Gesundheitsmarkt aufstoßen will. Die Apple Watch positioniert sich zunehmend als smarter Aktivitäts- und Gesundheitstracker, zählt Schritte und misst die Herzfrequenz – und könnte schon bald den Blutzuckerwert bestimmen: Gerüchten zufolge testet Apple-CEO Tim Cook bereits höchstpersönlich die Funktion.
Keine Hardware ohne gute Software. Auch in dieser Hinsicht hat Apple einiges zu bieten: Im privaten Bereich ist die HealthKit-App weit verbreitet, die unterschiedliche medizinische Daten unter einer gemeinsamen Oberfläche zusammenführt, analysiert und auf Wunsch mit einem Arzt teilt. ResearchKit ist hingegen eine Software-Umgebung, mit der Forscher zuverlässige und aussagekräftige Daten für medizinische Studien zusammenstellen können. Das CareKit wendet sich wiederum an den Endnutzer und dient der Kontrolle sowie Protokollierung des eigenen Gesundheitszustandes.
Das iPad in Schulen und Hochschulen
Der sogenannte Education-Markt ist einer der größten für Computerhersteller in den USA – und Apple hat einen nicht geringen Anteil an seiner bloßen Existenz. Denn in den frühen 1980er-Jahren gehörte Apple zu einer Koalition, die Steuererleichterungen für Unternehmen durchsetzte, die Computer an Schulen vergeben. In der Folge verteilte die Firma über 9.000 Apple-IIe-Computer an Schulen in Kalifornien. Nicht zuletzt Steve Jobs’ vorausschauendem Engagement ist es also zu verdanken, dass Apple bis heute auch als Bildungsunternehmen wahrgenommen wird.
Der Erfolg im Computermarkt für Schulen, Colleges und Universitäten in den USA wiederholte sich mit der Einführung des iPad. Der schon damals schlanke und vor allem leichte Tablet-PC ersparte Schülern und Studenten das Herumschleppen Dutzender Lehrbücher und geriet so zum sofortigen Hit. Lehrer und Behörden bezeichneten das iPad gar als „wichtigste neue Technologie an Schulen seit der Einführung des Overhead-Projektors“. Wie schon beim Apple II vor dreißig Jahren förderten die US-Bundesstaaten die Digitalisierung ihrer Schulen Anfang des Jahrzehnts mit zum Teil gewaltigen Zuschüssen: Zwischen 300 und 400 US-Dollar steuerten sie teilweise beim Kauf eines iPad bei.
Seitdem hat sich der Markt jedoch verändert – und Apple gerät zunehmend ins Hintertreffen. Als „Gamechanger“ fungiert besonders das preisgünstige Chromebook: Mit Googles Cloud-Betriebssystem Chrome OS ausgerüstete Laptops überholten im Bildungssektor das iPad und den Mac erstmals im Jahr 2015. 2016 beherrschten Chromebooks bereits 58 Prozent des Markts, der kombinierte Anteil von Apple-Geräten liegt aktuell bei gerade einmal 19 Prozent – drei Jahre vorher beherrschte der iPhone-Hersteller noch die Hälfte des lukrativen Geschäfts mit Schulen und Hochschulen.
Die Alarmglocken in Cupertino schrillen zu Recht. Und so ist es nicht zuletzt dem Erfolg des Chromebook zu verdanken, dass Apple den Preis für das iPad weiter gesenkt hat. 400 Euro kostet das günstigste 9,7-Zoll-Modell derzeit. Schulen und Unis in den USA genießen gar einen Vorzugspreis von 300 US-Dollar. Ein Kampfpreis, der mit aktuellen Chromebook-Modellen konkurrieren will.
Bald wieder Klassenprimus?
Auf dem US-Bildungsmarkt tobt seit Jahren ein Dreikampf zwischen den Anbietern Apple, Microsoft und Google, in dem der Suchmaschinenriese mit seinen Chromebooks aktuell weit vorn liegt. Microsoft und Apple unternehmen daher verstärkte Anstrengungen, um zumindest auf lange Sicht das Blatt wieder zu wenden. Während die PC-Hersteller Acer, Dell, HP und Lenovo in einer Bildungsoffensive Windows-Laptops für unter 200 US-Dollar anbieten, senkte Apple die Einstiegspreise für das iPad.
Doch mit günstiger Hardware allein lassen sich Entscheider im Bildungssektor längst nicht mehr überzeugen. Ein Teil des Erfolgs des Chromebook ist dem Programm „Google For Education“ geschuldet, das Studenten und Lehrpersonal mit einer kompletten Softwaresuite ausrüstet und Lehrkräfte für die digitale Zukunft ausbildet. Apples Antwort liegt unter anderem in der Version 2.0 seiner Classroom-App, die Lehrern beim geführten Lernen, Teilen von Arbeiten sowie Verwalten von iPads helfen will. Sie erlaubt etwa das Teilen von Bildschirminhalten, die Fokussierung auf eine gemeinsame App sowie die Registrierung an Schüler ausgegebener Tablet-Computer.
Bereits seit 1994 gibt es das „Apple Distinguished Educators“-Programm, das Lehrer beim Einsatz von Apple-Hard- und Software im Unterricht unterstützen möchte. Derzeit zählt das Programm über 2.100 Lehrkräfte weltweit an Schulen und Universitäten in 45 Ländern. Über 700 Teilnehmer kommen dabei aus Europa.
Das iPad als Kopilot
Szenenwechsel: Die Vierblattpropeller der zwei jeweils fast 6.000 PS starken Rolls-Royce-Mk-22-Turbinen lassen den Boden der Rollbahn auf dem Fliegerhorst des Lufttransportgeschwaders 63 (LTG 63) der Deutschen Luftwaffe in Hohn bei Rendsburg erbeben. Eine Transall C-160 schnaubt auf wie ein olivgrün-braunes Lasttier, als sie ihr Gewicht von 40 Tonnen in die Lüfte erhebt, wo sie in ruhigen Flugbewegungen auf eine Reisegeschwindigkeit von 455 Kilometern pro Stunde beschleunigt. Mit an Bord: das iPad.
Es sind besonders die bei der Militärfliegerei anfallenden Papiermengen, die das iPad merklich reduziert. So führte die Crew bei jedem Flug der Transall jahrzehntelang kiloschwere Luftfahrtveröffentlichungen mit, die Flugkarten und Landepläne enthielten und die sie alle 28 Tage fortschreiben beziehungsweise erneuern musste. Heute sind die geballten Informationen über Strecken, Anflüge und Flugplätze in einer iPad-App des US-amerikanischen Anbieters Jeppesen Sanderson untergebracht – einem global agierenden hundertprozentigen Tochterunternehmen des Flugzeugherstellers Boeing, das sich auf aeronautische Kartografie- und Navigationsdienstleistungen für die Flugplanung- und -ausbildung spezialisiert hat.
Die Reduzierung der Papierberge durch das iPad hat somit handfeste ökonomische Gründe: „Die Mitnahme von Papier ist ein nicht zu unterschätzender Gewichtsfaktor“, erklärt Bundeswehr-Pilot Oberstleutnant Frank Plumhoff und macht eine nachvollziehbare Rechnung auf: „Wenn das Flugzeug dank des iPad 70 Kilo weniger Gewicht für Papier an Bord hat, können wir dafür schon einen weiteren Passagier mitnehmen.“
Wer das genutzte Programm im App Store sucht, geht indes leer aus, denn die in Colorado ansässigen Entwickler stellen es ausschließlich auf dem Lizenzweg zur Verfügung. Das dabei genutzte Kartenmaterial liefert zu großen Teilen das US-amerikanische Verteidungsministerium. „Alle Unterlagen sind jederzeit am Display abrufbar“, zeigt sich Moje zufrieden, „die während eines Fluges anzusteuernden Flughäfen legen wir einfach als Favoriten an.“
Das LTG 63 führte 2012 den Feldversuch der Einführung des iPad beim deutschen Militär an. Ob weitere Bereiche der Bundeswehr folgen, ist noch offen. Trotzdem steht die Deutsche Luftwaffe damit an der Speerspitze der weltweiten Entwicklung, denn nur vom US-amerikanischen Heer ist bekannt, dass es derzeit ebenfalls Apples Tablet-PC im Einsatz hat. „Wir gestalten hier die Entwicklung entscheidend mit“, ist Oberstleutnant Plumhoff überzeugt, „was weitaus angenehmer ist, als ihr hinterherzulaufen.“
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Zum Thema Bildung: US-Amerika ist nicht Deutschland. Hier wird das iPad zu deutlich mehr als 50 % eingesetzt, wenn auch meist auf privater Basis. Chromebooks sollte man vergeblich suchen, denn sie verstoßen gegen den Datenschutz. Ebenso wie die Google-Dienste. Was dem Autor ebenfalls entgangen sein sollte: Es gibt deutlich mehr als Classroom 2 und geführte iPads. Schon das Angebot an wirklich sehr guten eBooks ist mehr als nur Hilfe. Man gebe z.B. nur einmal "Unterrichtsideen" in die Suche ein. Weiterhin haben wir seit Frühjahr den Schoolmanager, der alle Apple-Dienste (DEP und VPP an erster Stelle) auf einer WebSite vereinigt. Und da wären wir schon beim nächsten Thema: Mit VPP erhalten angemeldete Schulen Apps zu 50 % des Ursprungpreises. Per MDM kann man iPads nicht nur in der Schule fernsteuern, Apps sperren sondern auch per WLAN Updates und Uploads auslösen. Administration wird so zum kurzweiligen Kinderspiel. Nicht zu vergessen der Mehrnutzermodus. Vom neuen iOS 11 ganz zu schweigen. Wie bei den Macs: Es kommt auf das Gesamtpaket an. Und dies ist für die Bildung eher optimal denn eine Qual. Mit richtigen Schutzhüllen können sie auch locker aus 1 Meter Höhe herunterfallen. Mach das mal mit einem Chromebook. iPads sind deutlich robuster! Und handlicher. Und 1,4 bis 1,9 Kilo wiegen sie auch nicht. Das Thema Akkuleistung wäre auch noch interessant.
Übrigens: In Oldenburg findet immer im März die größte bundesweite Veranstaltung zum mobilen Lernen statt. Im letzten Jahr waren es mehr als 700 Lehrer, die teilnahmen.
Es dürfte ja wohl feststehen, dass in der Bildung die optimale Variante 1:1 every time ist, sprich jeder Schüler hat sein Gerät 24/7. Und in die Richtung wird es gehen, egal wie lange die Politiker in Deutschland noch warten wollen. Immer mehr Schulen jedenfalls wollen es nicht, wozu auch meine Schule seit 2016 gehört. Der Kompetenzgewinn für die Schüler ist einfach bahnbrechend - und das in vielerlei Hinsicht.
Für die lieben Kritiker: Geht in eine Schule, die iPad-Klassen unterrichtet und sprecht mit möglichst vielen, die betroffen sind.
Klasse Kommentar!
Ich hätte gern mehr Informationen zu dieser Veranstaltung im März.
Super Kommentar...hätte mal gern ein paar Daten für den Mehrwert der Schüler mit und ohne iPad!
Aber der Gedanke ist schon hoch interessant …