Interview mit Deutschlands führendem Farbforscher

Apples aktuelle Farben erklärt: Ikonisch wie die Silberpfeile

Kaum ein Unternehmen setzt bei der Gestaltung seiner Produkte so intensiv auf die Macht der Farben wie Apple – so auch beim aktuellen iMac. Wir ließen uns von dem Farbforscher Prof. Dr. Axel Buether Apples aktuelle Farbpsychologie erklären.

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Mac Life: Herr Prof. Dr. Buether, wenn ein iMac-Update nicht zuletzt „nur“ neue Farben mit sich bringt, amüsieren sich viele Beobachtende. Sie auch?

Axel Buether: Farben haben bei vergleichbaren Produkten einen erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung der Verbrauchenden – die daher auch solche Updates durchaus als echte Neuerung wahrnehmen könnten.

Bei Kleidung ist Farbe oft der ausschlaggebende Grund für einen Kauf, da viele Menschen mit dem Zeitgeist gehen möchten, auch wenn dieser in unterschiedlichen soziokulturellen Milieus variiert. Bei Hightech-Produkten jedoch können rein optische Neuerungen enttäuschend wirken, wenn sie nicht mit technischen Verbesserungen einhergehen. Da trifft der Ausspruch „Alter Wein in neuen Schläuchen“ durchaus zu.

Prof. Dr. Axel Buether …

… gilt als einer der führenden Farbexperten weltweit und prägt die Farbpsychologie im deutschsprachigen Raum maßgeblich. Er lehrt als Professor für Visuelle Kommunikation an der Bergischen Universität Wuppertal und steht hinter dem wissenschaftlich fundierten, empirischen Ansatz einer modernen, evidenzbasierten Farbpsychologie, die in realen Lebenskontexten erforscht wird. Als Gründer und Leiter des Instituts für Farbpsychologie verbindet Buether die Felder Wahrnehmungspsychologie und Umweltgestaltung und untersucht die psychologischen Wirkungen von Farbe und Licht auf das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Motivation des Menschen.

Buether ist einem breiten Publikum durch zahlreiche Medienauftritte und sein Buch „Die geheimnisvolle Macht der Farben“ bekannt. Er organisiert regelmäßig internationale Konferenzen, um Experten aus Kunst und Wissenschaft zu vernetzen, und ist als Kurator im Deutschen Farbenzentrum aktiv.

Apple verwendet beim aktuellen iMac einmal mehr Pastellfarben – schreiende Farben scheinen der Vergangenheit anzugehören, auch beim iPhone. Welche Gedanken spielen Ihrer Einschätzung nach bei dieser Entscheidung eine Rolle?Zwei Megatrends prägen derzeit die Konsumwelt unserer Dekade – Gesundheit und Nachhaltigkeit. Abgetönte Pastellfarben spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie zur sogenannten „Öko-Farbpalette“ gehören und nicht nur auf die Bedürfnisse der Konsumierenden hinweisen, sondern auch die Haltung des Unternehmens widerspiegeln. Heute gibt es kaum noch ein Unternehmen, das diese Entwicklungen unberücksichtigt lässt und seine Produktpalette sowie Produktionsweise nicht entsprechend ausrichtet.


Zwei Megatrends prägen derzeit die Konsumwelt unserer Dekade – Gesundheit und Nachhaltigkeit. —   Axel Buether

Wie empfinden Sie als Experte die aktuelle „Farbkommunikation“ der Apple-Produkte?Apple hat in den vergangenen Jahren seine Farbpalette für Produkte und Marketingkampagnen kontinuierlich erweitert, was zu vielfältigen Diskussionen geführt hat. Die Einführung neuer Farben stieß sowohl auf positive Resonanz als auch auf Kritik. Während einige die Vielfalt und Personalisierungsmöglichkeiten begrüßen, sehen andere darin eine Abkehr von Apples traditionellem minimalistischen Designansatz. Besonders die neuen Farben „Mitternacht“ und „Polarstern“ wurden im Vergleich zu den klassischen Tönen „Space Grau“ und „Silber“ kontrovers diskutiert.

Ich kann die Strategie hinter der Farbgestaltung von Apple gut nachvollziehen, denn Farben sind ein äußerst wirkungsvolles Marketinginstrument, das dem Wunsch vieler Konsumierenden nach Individualisierung, Differenzierung und Vielfalt entspricht. Ferrari produziert schließlich auch nicht ausschließlich rote Automobile, selbst wenn diese die ikonischsten sein mögen.

Aktuelle iMac-Auswahl: Die gewählten Farben wollen nicht nur auf die Bedürfnisse der Konsumierenden hinweisen, sondern auch die Haltung des Unternehmens widerspiegeln.
Aktuelle iMac-Auswahl: Die gewählten Farben wollen nicht nur auf die Bedürfnisse der Konsumierenden hinweisen, sondern auch die Haltung des Unternehmens widerspiegeln. (Bild: Apple)

Welche Emotionen sollen die Farben der Apple-Produkte bei den Nutzenden auslösen?Die Farben der Apple-Produkte sind bewusst gewählt, um bestimmte Emotionen und Assoziationen bei den Nutzenden zu wecken und so eine tiefere Bindung an die Marke zu schaffen. Klassische Farbtöne wie Silber, Space Grau und Schwarz sollen Vertrauen und Beständigkeit ausstrahlen – sie stehen für Eleganz und Zeitlosigkeit, die Apple-Geräte als zuverlässige Begleiter im Alltag erscheinen lassen. Beruhigende Farben wie Grün und Blau fördern ein Gefühl von Ruhe und Klarheit, das besonders bei Nutzenden gut ankommt, die eine harmonische, ausgeglichene Ästhetik schätzen. Lebendige Töne wie Gelb, Rot und Violett hingegen, die Apple bei Geräten wie dem iMac oder bestimmten iPhone-Modellen verwendet hat, sollen kreative und lebensfrohe Menschen ansprechen und inspirieren, ihre Individualität zum Ausdruck zu bringen. Farben wie Gold, Mitternacht und Polarstern wirken luxuriös und exklusiv und sind darauf ausgelegt, Nutzenden ein Gefühl von Raffinesse und Prestige zu vermitteln.


Apple versucht, bestehende Erwartungen zu erfüllen und zugleich eine breitere Zielgruppe zu erreichen. —   Axel Buether


Spiegelt sich die bestehende, vermutete Zielgruppe der Apple-Kaufenden in der Farbauswahl wider, oder ist es umgekehrt? Oder: Soll die Farbauswahl die Zielgruppe ansprechen und erweitern?Die Farbgestaltung von Apple-Produkten vereint klassische Töne wie Silber und Space Grau, die die Ästhetik der Stammkundschaft widerspiegeln, mit lebendigeren Farben, die jüngere und kreative Zielgruppen ansprechen sollen. Diese Strategie schafft eine Balance zwischen Beständigkeit und Individualität: Während die klassischen Farben Loyalität und Vertrauen stärken, laden die frischen Töne neue Kaufende ein und erweitern das Markenimage. Damit versucht Apple, bestehende Erwartungen zu erfüllen und zugleich eine breitere Zielgruppe zu erreichen.

Könnte Apple etwa der professionellen Anwenderschaft mehr zutrauen? Microsoft bietet auch seine professionellen Surface-Geräte beispielsweise in mehreren Farben an.Als Experte sehe ich das differenziert: Apple-Produkte sprechen eine andere Zielgruppe an als Microsoft und positionieren sich in einem höheren Preissegment. Während Microsoft mit farbigen Surface-Geräten Individualität im professionellen Bereich fördert, setzt Apple bewusst auf zeitlose Eleganz in Grau und Schwarz, um den exklusiven und seriösen Charakter seiner Marke zu unterstreichen. Eine erweiterte Farbpalette könnte Apples Identität verwässern und den klaren Unterschied zu Mitbewerbern wie Microsoft schmälern.

Aktuelle Microsoft-Surface-Linie: Farben sollen Individualität im professionellen Bereich fördern.
Aktuelle Microsoft-Surface-Linie: Farben sollen Individualität im professionellen Bereich fördern. (Bild: Microsoft)

Wie groß ist der Einfluss der Farbe auf die Identifikation mit einem Produkt?Die Farbe hat einen erheblichen Einfluss auf die Identifikation mit einem Produkt, da sie auf den ersten Blick zentrale Eigenschaften und Werte vermittelt und gezielt bestimmte Zielgruppen anspricht. Studien belegen, dass die Farbauswahl die Markenwahrnehmung prägt und die Loyalität stärkt, weil sie das Produkt für die Nutzenden perfekt auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt und unverwechselbar erscheinen lässt, was die Markenbindung entscheidend stärkt.

Apple schickte mir etwa ein pinkfarbenes iMac-Modell zum Test – ich bin offen gesagt nicht wirklich glücklich damit und hätte mir ein blaues gewünscht. Ich hoffe, ich bediene hier nicht jegliche Stereotypen über Geschlecht und Farben …Die Verwendung von geschlechtersensiblen Farben wie Rosa und Hellblau ist tatsächlich ein heikles Thema, da Menschen sehr unterschiedlich darauf reagieren. Viele Frauen aus meinem Kollegen- und Bekanntenkreis würden ein pinkfarbenes iMac-Modell ebenfalls ablehnen – selbst wenn es ein Geschenk wäre, da es nicht ihrem Selbstverständnis entspricht.


Viele Frauen […] würden ein pinkfarbenes iMac-Modell ablehnen – selbst wenn es ein Geschenk wäre, da es nicht ihrem Selbstverständnis entspricht. —   Axel Buether

Welche Geräte besitzen in Ihren Augen die besten Farben, wenn Sie als Apple-Nutzender auf Apples Produktgeschichte zurückblicken?Ich selbst nutze Apple-Geräte schon seit den Anfängen und bin mit dem Unternehmen durch Höhen und Tiefen gegangen – auch wenn meine Begeisterung für die Marke nach der Veränderung ihrer Identität seit dem Tod von Steve Jobs deutlich abgenommen hat.

Am meisten liebe ich die schlichten, matten, zeitlosen Aluminiumtöne, die sich durch die Produktgeschichte von Apple ziehen und die Marke geprägt haben. Sie sind für mich so ikonisch wie die legendären „Silberpfeile“ von Mercedes – jene silbernen Rennwagen, die in den 1930er-Jahren die Motorsportwelt eroberten und seither den Inbegriff für Geschwindigkeit, Eleganz und Innovationskraft im Sportwagendesign darstellen.

Auch die bunten iMacs mag ich sehr, da sie das Erscheinungsbild und die Nutzung von Personal Computern für immer verändert haben – Geräte, die vorher häufig in Schränken oder unter Tischen versteckt wurden.

Der klassische iMac veränderte das Erscheinungsbild von Personal Computern nachhaltig.
Der klassische iMac veränderte das Erscheinungsbild von Personal Computern nachhaltig. (Bild: Apple)

Wie stellen Sie sich ein Treffen der „Farbgestaltenden“ bei Apple vor? Wie viel Zeit und Energie verwenden große Firmen Ihrer Erfahrung nach heutzutage wirklich auf die „Psychologie der Farbe“?Apple macht die Arbeit seiner Designteams leider nicht öffentlich, wofür ich großes Verständnis habe. Jonathan Ive, der von 1992 bis 2019 als „Senior Vice President of Industrial Design“ tätig war, hat sich dagegen offen zu seiner Designphilosophie geäußert. Unter seiner Leitung entstanden zahlreiche ikonische Designs, die Apples Ästhetik bis heute beeinflussen. „Unser Ziel war es immer, Produkte zu schaffen, die so verständlich und zurückhaltend sind, dass sie fast verschwinden. Die Einfachheit ist das Endprodukt einer komplexen Entwicklung“, erklärte Ive und machte damit deutlich, wie sorgfältig Apple jedes Detail, auch die minimalistische Farbgestaltung, durchdenkt.

Heute ist das sicher komplexer, da die Produktgestaltung nicht mehr von einer herausragenden Persönlichkeit geprägt ist, sondern von einem Team, das sich an aktuellen Trends, dem Markt und der Konkurrenz orientieren muss. Farbpsychologie sollte immer dabei sein, wo es um das Erlebnis und Verhalten von Konsumenten geht.

Welchen Rat würden Sie Apple geben, wenn Sie zu einem solchen Treffen eingeladen wären?Apple hat zweifellos exzellente Beratung, denn der Einfluss der Farbgestaltung auf das Markenerlebnis und das Konsumentenverhalten ist hochkomplex. Wenn die Farbwahl bei den Kunden nicht ankommt, bleibt das Produkt im Regal.

Ich selbst werde häufig als Begründer der modernen evidenzbasierten Farbpsychologie bezeichnet, da ich meine Entscheidungen nicht allein auf künstlerische Intuition oder Erfahrungswissen stütze, sondern Farben als biologische und kulturelle Faktoren betrachte, die das Nutzerverhalten gezielt steuern können. Was aus einem Dialog mit dem Team der „Apple Industrial Design Group“ resultieren würde, lässt sich spontan nicht sagen – es könnte eine „Back to the roots“-Richtung einschlagen oder eine neue, unvorhergesehene Richtung, um Apples Führungsanspruch im Design zu sichern.

Welche Farben wünschen Sie sich für kommende Apple-Produkte, speziell für den iMac?Da lasse ich mich gern überraschen.

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