Kolumne

EU wendet digitales Armageddon doch noch ab: Trotzdem gilt Digitalisierung first, Nachdenken second

Bananenkrümmungsgrad, Datenschutz, Urheberrecht: Die EU mischt sich überall ein. „Was soll das?“, ruft da der Wutbürger mit dem Netzaktivisten im Chor. Beide beschwören das digitale Armageddon und haben vielleicht noch mehr gemeinsam. In seiner Kolumne für Mac Life geht Anwalt Stephan Dirks der Frage nach, ob das digitale Desaster diese Bezeichnung überhaupt rechtfertigt und inwieweit es vielleicht doch noch abgewendet wurde.

Von   Uhr

Digitales Armageddon bleibt aus

Doch während ich die Einleitung zu dem nun folgenden Rant gegen die Aufregungskultur fertigstelle, erscheint auf meinem Lieblings-TV-Sender „Phoenix“ am unteren Bildschirmrand die rote Eilmeldungs-Banderole: „Reuters: EU-Parlament stoppt Upload-Filter!“ Mit anderen Worten: Das digitale Armageddon ist wieder einmal ausgeblieben. Das ist ein bisschen schade, einerseits, weil damit der Gegenstand dieses Textes eigentlich verschwunden ist. Andererseits, weil die Netz- und Wutaktivisten, die den EU-Parlamentariern in den vergangenen Wochen offenbar die Hölle heiß gemacht haben, so niemals feststellen können werden, dass das digitale Armageddon möglicherweise auch bei Inkrafttreten der Urheberrechtsreform nie eingetreten wäre.

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Dabei muss man natürlich sagen: Der Proteststurm war absehbar. Prüfungspflichten für Online-Plattformen („Upload-Filter“), das berüchtigte Leistungsschutzrecht für Presseverleger (das es für Fotografen, Tonträgerhersteller, Filmhersteller, Datenbankersteller und alle möglichen anderen Berufsgruppen seit Jahrzehnten gibt) und ähnliche Ideen, pardon: „Zumutungen“, natürlich, haben in den vergangenen Jahren schon als Einzelprojekte jeweils das Empörungslevel auf ungeahnte Höhen schießen lassen. Noch der lethargischste Facebook-Junkie mutiert verlässlich zum Aktivisten, wenn es darum geht, sein Recht einzuschränken, Katzenfotos zu teilen. Dafür nimmt er es dann auch gern in Kauf, sich mit dem Recht des geistigen Eigentums zu befassen – und sei es nur, um dagegen zu protestieren oder gleich dessen Existenz in Frage zu stellen.

Gut ist, was kostenlos ist

Der Minimalkonsens der „Netzgemeinde“ in Sachen Schutz des geistigen Eigentums lautet bereits seit Jahren folgerichtig: Urheberrecht schön und gut, aber bitte nur, solange es den Konsumenten nichts kostet. Man hat sich eben dran gewöhnt, dass Literatur, Musik, Nachrichten, Filme und alles andere, was der User zur eigenen geistigen Erbauung so nutzt, im Internet umsonst zu haben sein muss. Dies führt dazu, dass diejenigen, die von Kreativarbeit leben müssen, dies immer weniger können. Das dürfte den meisten zwar theoretisch irgendwie bekannt sein. Zu praktischen Konsequenzen führt diese Kenntnis allerdings nicht. Dabei können bereits heute nicht mehr, sondern weniger Künstler von ihrer Arbeit leben, als das vor der als Teil der „Digitalisierung“ missverstandenen Entwertung alles Kreativen im Internet der Fall war. Der „stationäre“ Buchhandel stirbt (ebenso wie der übrige stationäre Handel, nur ein wenig schneller), Zeitungen verschwinden zusehends und die wenigen verbliebenen Mitarbeiter in den Redaktionen fristen bei immer höheren Belastungen ein immer prekäreres Dasein. Man muss Presseverleger natürlich nicht mögen, aber man sollte endlich verstehen, dass das Produkt, das sie herstellen, sang und klanglos verschwinden wird, wenn ihm die wirtschaftliche Basis entzogen wird. Und dass es bald soweit ist, wenn die Dinge so weiterlaufen wie bisher.

Nutznießer der Kostenloskultur sind also gar nicht die Nutzer. Nutznießer sind die großen Plattformen, deren Geschäftsmodelle zum großen Teil darin bestehen, Leistungen anderer ohne nennenswertes eigenes Zutun abzuschöpfen, kostenlos zu verteilen und sie damit zu entwerten. Geld verdient wird anders, denn das Produkt der Plattform ist nicht mehr der Medieninhalt, sondern sein Nutzer. Man muss Uploadfilter und Leistungsschutzrechte nicht für den richtigen Lösungsansatz für das Problem halten – die hysterische Verteufelung jeden gesetzgeberischen Versuchs, die Zerstörung der wirtschaftlichen Basis von Kulturschaffenden zumindest zu begrenzen, ist es aber ganz sicher auch nicht.

Zur Person

Stephan Dirks ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Kanzlei Dirks mit Sitz in Hamburg und Kiel. Daneben vertritt er Mandanten in den Bereichen des Markenrecht, Datenschutzrecht, Wettbewerbsrecht und den angrenzenden Rechtsgebieten. In diesen Bereichen ist er auch als Autor und Dozent für Zeitungen und Zeitschriften tätig.

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Wir sind keine Wutbürger sondern mündige Bürger die nicht jeden Unsinn der EU ertragen wollen. Ich hoffe daß es ein Exempel und das Volk wehrt sich in Zukunft viel öfter gegen Ungerechtigkeit und Wilkür

Genau! Was der Obrigkeit nicht passt wird gleich mit so einem negativ behafteten Wort (hier Wutbürger) schlecht dargestellt. Man sollte viel öfters gegen diesen EU Unsinn angehen. Leider ist der größte Teil unserer Mitmenschen durch Konsum und Bullshit TV so betäubt, das sie gar nix mehr mitbekommen. Schade!

Scheint so als hätte da ein Abmahnanwalt bereits das nächste „große Ding“ gewittert und der vermeintliche dumme „Wutbürger“ ist ihm da ins Geschäftsmodell gerutscht.

Der Autor ist offensichtlich kein Nutzer des Internets.
Vom Urheberrecht profitieren vorallem große Firmen die diese verwalten/kaufen um dann mit Copyright strikes Geld zu verdienen.

Das Urheberrecht ist vollkommen kaputt. Es sollte immer möglich sein kurze Teile von Video/Film zu nutzen um andere Dinge zu kreieren.
Und es kann nicht sein das man das Copyright eines 30min Videos claimen kann weil 10sek davon Copyright Musik enthalten.

Dazu kommen Fälle in denen auf ein stück Musik bis zu 50 Firmen Copyright anmelden.

Regionlocked Copyright sollte man auch bekämpfen zumindest in der EU, weil dadurch viele Dinge in manchen Ländern auf legalem Weg garnicht zu erwerben sind.

Ich habe übrigens nichts gegen Uploadfilter, solange die oben beschriebenen Problem gelöst wurden und die Filter zu 99,9% funktionieren.

Niemand kann Urheberrecht kaufen. Urheberrechte liegen beim Urheber und können auch nicht übertragen werden, nur Nutzungsrechte. Um die geht es aber ja hier nicht.
Wie der Autor geschrieben hat – gelesen hat es anscheinend keiner der Kommentierenden bis zum Ende – geht es hier nicht darum, Nutzer abzuzocken, sondern Konzerne in die Pflicht zu nehmen.

Nichtsdestotrotz halte ich von den eher disktutierten Methoden auch wenig, da sie den Unternehmen eher Möglichkeit zur Zensur geben als dass es wirklich den Urhebern nutzen könnte. Grundsätzlich müssen Urheber aber natürlich entlohnt werden, sonst gibt es irgendwann keine Urheber mehr. Und nein, sie werden nicht automatisch von irgendjemandem schon bezahlt – das ist ein Traum!

Und bzgl. Wutbürger und EU: JA, das hier war SO in der Form Quatsch. Aber: EU heißt für uns alle auch Reisen (meistens) ohne Passkontrollen, stundenlanges Schlangenstehen und Zolldurchsuchungen des Autos, Verwenden des Smartphones im Urlaub ohne Zusatzkosten, verpflichtenden Allergenkennzeichnung in allen EU-Ländern (das ist für manche lebenswichtig), gleiche Verbraucherrechte überall, die Möglichkeit ein paar Jahre im Nachbarland zu arbeiten ohne erst Einwandern zu müssen und und und… ;-)

Das Leistungsschutzrecht ist in der Tat ein totgeborenes Projekt der Verlage, die sich damit ins eigene Fleisch geschnitten haben…

Liebe Frau Krause, ich habe kein Problem mit Ihrer Meinung, allerdings muss ich eine Kleinigkeit doch richtig stellen: Das Internet "nutzt" (und befüllt) der Autor seit 1997.

Die hier erwähnten "Wutbürger" sind z.b. 70 Koryphäen des Internets, die eindringlich davor warnen, Wikipedia warnt davor, Open Street Maps, Youtube, Viele Verbraucherschutz-Organisationen in Deutschland, inklusive 2 Millionen Menschen in einer Petition, die Artikel 11 13 ablehnen.
Anscheinend haben einige Leute das Prinzip eines dezentralen Internets nicht ganz verstanden. Oder sie möchten es nicht verstehen und alte Zeiten wieder herbeischaffen wie damals, nur halt "in digital".
Statt das Urheberrecht für die Internetz-Zeiten anzupassen, wird lieber das Internet kaputtgehauen um an ein veraltetes Konzept zwanghaft festzuhalten.

Wie wäre es ausnahmsweise mal mit allen zu reden statt eigenmächtig irgendetwas absurdes durchzupeitschen?
Zu Artikel 11: Was für ein Sinn ergibt eine Link-Steuer, wenn doch das Hauptprinzip des Internets ist frei zu verlinken? Und gerade Autoren und Künstler möchten, dass ihre Links umso stärker geteilt werden. Völliges Unfug-Gesetz.

Zu Artikel 13: Die meisten Künstler und Produzenten möchten wohl mit Ihren Werken Geld verdienen. Ok, sehr berechtigt, aber je öfter Benutzer das hochladen und je öfter das geschaut wird, dann ist die Gewinnspanne umso höher für den Produzenten, z.B. ein kleiner Auschnnitt als Remix, können sie die Urheber, falls sie das belegen können, per Mausklick an den Einnahmen beteiligen.

Nur mal so 2 Vorschläge wie man das Urheberrecht im Internet-Zeitalter alternativ anpassen könnte, ohne das ganze Internet jetzt zu zerstören.

Davon dass einer meine Fotos anguckt/herunterlädt, habe ich nicht einen Zehntel Cent. Im Gegenteil, ich habe Kosten (Server). Wenn es andere zudem klauen und selber irgendwo teilen/zeigen, verdiene ich als Urheber erst recht nichts daran!

Bzgl. der "Link-Steuer" gebe ich Dir aber Recht.

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