Hand aufs Herz: Denkst du an Tablets mit elektronischem Papier, fällt dir in erster Linie der Kindle ein, oder? Kein Wunder: Amazons E-Book-Reader ist seit seinem Debüt im Jahr 2007 das erste Gerät, das E-Ink-Displays in der Aufmerksamkeit von Konsumentinnen und Konsumenten verankert hat. Seitdem hat der Versandriese sein Sortiment stetig erweitert: Der Kindle Scribe etwa will nicht nur als Lesegerät für E-Bücher aus dem hauseigenen Onlineshop, sondern auch als elektronischer Notizblock dienen.
Mindestens einen Schritt weiter geht Onyx. Das in New York beheimatete Unternehmen bietet ein breites Portfolio an Lesegeräten, Tablets und Monitoren mit moderner E-Paper-Technologie. Das Besondere gegenüber dem Mitbewerb: Auf den mobilen Geräten kommt Android als Betriebssystem zum Einsatz. Die Vorteile liegen auf der Hand: Aufgrund der Integration des Google Play Store lassen sich praktisch alle für Tablets optimierten Android-Apps installieren – inklusive beliebiger E-Book-Stores, Notizen-Apps, Webbrowser und Produktivitätsprogramme. Kurz gesagt: Die Boox-Reader sind im Grunde vollständige Tablets mit elektronischem Papier – und minus jeglicher Kamerafunktionen.
E-Papier, aber farbig
Das Note Air 3 C unterstreicht diese Einordnung: Denn der Neuzugang im Boox-Sortiment verfügt über einen farbigen Bildschirm. Onyx greift dabei auf das 2022 vorgestellte Kaleido-3-Touchdisplay von E Ink zurück. Es stellt bis zu 4.096 Farben und 16 Graustufen auf seinem 10,3 Zoll (26,16 Zentimeter) messenden Display dar. Die Auflösung variiert nach Nutzung: Während es die Schwarz-Weiß-Darstellung für Texte und monochrome Bilder auf scharfe 2.480 mal 1.860 Bildpunkte bei einer Pixeldichte von 300 ppi schafft, halbiert sich diese bei farbigen Inhalten auf 1.240 mal 930 Pixel respektive 150 ppi. Und klar, diesen Unterschied nimmst du deutlich wahr – doch dazu später mehr.
Lässt du das Boox Note Air 3 C in der Hand kreisen, fallen sofort zwei Dinge angenehm auf: Mit gerade einmal 430 Gramm bringt es nochmals 30 Gramm weniger auf die Waage als das aktuelle iPad Air. Und die Verarbeitung ist ähnlich ansprechend: Das an den Kanten abgerundete Gehäuse offeriert praktisch keine Spalten, und selbst mit etwas Mühe lässt sich das Tablet kaum verbiegen. Sprich: Hier wirkt alles wie aus einem Guss – was hohe Herstellungsqualität schätzende Apple-Nutzende zu schätzen wissen.
Das einzige Manko: Die Gehäuserückseite ist recht glatt, weshalb das Boox leicht vom Schoß oder sogar aus der Hand gleitet. Mehr Halt liefert das beiliegende Softcase, das gleichzeitig als Ständer fungiert. Allerdings hätte die magnetische Anhaftung hier etwas stärker ausfallen dürfen.
… unterscheiden sich grundsätzlich von den verbreiteten IPS- und OLED-Bildschirmen. Sie nutzen elektrophoretische Tinte mit farbigen Partikeln. Je nach Farbe sind diese positiv oder negativ geladen. Die Bildschirmanzeige kommt dabei ohne eine ständige Stromversorgung aus – sie benötigt nur dann Energie, wenn sich die Inhalte verändern.
Deshalb bieten E-Ink-Displays eine exzellente Energiebilanz und verbrauchen deutlich weniger Strom als andere Technologien. Je nach Nutzung hält der Akku eines E-Readers daher Tage, manchmal Wochen.
Ein weiterer Vorteil ist der hohe Kontrast von elektronischem Papier. Da es auf eine Hintergrundbeleuchtung verzichtet, kannst du auch bei direkter Sonneneinstrahlung davon lesen – deinem Schmökern am Strand steht somit nichts entgegen.
Fühlt sich an wie Papier
Optisch gleicht das Boox Note Air 3 C erwähntem Kindle Scribe – was besonders der breiten Grifffläche auf der linken Seite geschuldet ist. Das E-Ink-Display selbst schützt eine leicht geätzte und somit matte Glasebene, deren angeraute Oberfläche ein Schreibgefühl ähnlich Papier vermitteln will. Und tatsächlich bietet dieser zusätzliche Film einen natürlich anmutenden Widerstand, den du beim iPad erst mit einem Displayschutz (zum Beispiel von Paperlike) ergänzen musst. Das Schreib- und Zeichengefühl entspricht etwa dem eines Filzstiftes – und hört sich auch so an.
Das Schreib- und Zeichengefühl entspricht etwa dem eines Filzstiftes – und hört sich auch so an. — Thomas Raukamp
Onyx steuert einen gut in der Hand liegender Eingabestift mit 4.096 Druckstufen bei. Er verlangt dank EMR-Technik von Wacom keine Aufladung und findet auf Wunsch magnetisch an der rechten Gehäuseseite Halt. Onyx verkauft zusätzlich ein „Pro“-Modell mit integrierter Radierfunktion.
Ruhige Darstellung, aber kein Unterhaltungstalent
Doch wir möchten dich nicht weiter auf die Folter spannen: Wie gut ist es denn, das moderne E-Papier? Es kommt darauf an, mit welchen Erwartungen du an den Reader herangehst. Bestand dein letzter Kontakt mit der Technologie mit einem frühen Kindle, sollten dir die Fortschritte sofort ins Auge fallen: Die Darstellung besonders von Texten ist scharf und dauerhaft angenehm, die Umschaltzeiten haben sich deutlich reduziert – auch wenn das „Ghosting“, also das Nachleuchten ausgeblendeter Inhalte, nach wie vor sichtbar ist. Die Farbdarstellung des aktuellen E-Ink-Displays ist kontrastreich und überzeugt durchaus – zumindest bei wenig detailreichen Abbildungen.
Wie jedes E-Ink-Display weiß das des Note Air 3 C bei Tageslicht am besten zu gefallen. Anders als viele andere Reader verfügt es jedoch auch über eine Bildschirmbeleuchtung, die für das Lesen bei Dunkelheit ausreichend ist.
Vergleichst du die Anzeige allerdings mit einem iPad, musst du konzeptbedingt nach wie vor deutliche Abstriche in Kauf nehmen. Comics etwa erscheinen im Vergleich blass – aber ebendieser Vergleich hinkt. Denn wenn du dich für die Nutzung eines E-Paper-Readers entschlossen hast, willst du bewusst dessen Vorteile genießen – die anders gelagert sind als die eines Retina-Displays.
Wenn du dich für die Nutzung eines E-Paper-Readers entschlossen hast, willst du bewusst dessen Vorteile genießen – die anders gelagert sind als die eines Retina-Displays. — Thomas Raukamp
Und so schminkst du dir wahrscheinlich auch schnell das Schauen von Filmen ab: Denn ja, du kannst etwa die Youtube-App aus dem Play Store installieren, Spaß macht das Zusehen ob der vergleichsweise wenigen Farben und der geringen Bildwiederholrate aber nicht. Auch das Surfen im Web ist höchstens dann und wann sinnvoll. Und Spiele fallen eigentlich ganz hinten runter – zumindest, wenn sie schnelle Reaktionen erfordern, denn das Touchdisplay kommt nicht um eine spürbare Verzögerung herum.
Doch nochmals: Für solche Anwendungen ist ein E-Papier-Display nicht primär ersonnen. Immerhin: Das Boox Note Air 3 C bietet einen speziellen „Ultrafast“-Darstellungsmodus, der grafikintensive Darstellungen zumindest verbessert.
Nichts auszusetzen gibt es an der allgemeinen Arbeitsgeschwindigkeit: Das verwendete achtkernige Snapdragon-630-SoC ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, bewältigt die mit dem Reader wahrscheinlich anfallende Arbeitslast aber absolut zufriedenstellend.
Sinnvoll im Produktivitätsfluss – dank Play Store
Seine Stärken spielt das Onyx-Tablet – neben seinen klassischen Fähigkeiten als E-Book-Reader – immer dann aus, wenn du es in deinem Produktivitätsfluss einbindest. Da wäre zunächst einmal die Darstellung von Dokumenten. Und dank der Installation etwa von Google Docs oder Microsoft Word und einer per Bluetooth verbundenen Tastatur kannst du das Note Air sogar als konstant verfügbare Schreibmaschine zweckentfremden. Lädst du zusätzlich zum Beispiel Google Drive oder Dropbox aus dem Play Store, bist du bereit für den Datenaustausch mit deinem Mac oder iPad mit Umweg über die Cloud.
Doch auch als digitaler Notizblock macht das Tablet eine hervorragende Figur. Für handschriftliche Notizen tut sich besonders die vorinstallierte Onyx-eigene App hervor. Beim Schreiben ist keine Verzögerung erkennbar; und das Display lässt sich vom aufliegenden Handballen nicht ansatzweise irritieren.
Anders verhalten sich allerdings oftmals Android-Apps: Zeichenprogramme wie Sketchbook reagieren nicht ganz so flüssig auf Stifteingaben und weisen eine deutliche Latenz auf – was schade ist, würden sie doch das Anwendungsspektrum nochmals erweitern.
— 10,3-Zoll-E-Ink-Display mit bis zu 4.096 Farben
— 2.480 mal 1.860 Bildpunkte (1.240 mal 930 in der Farbdarstellung)
— Qualcomm-Snapdragon-630-SoC (acht Kerne, 2,4 GHz)
— 4 GB RAM, 64 GB Speicher, erweiterbar per Micro-SD-Karte
— aufladbar per USB-C
— Wi-Fi 5, Bluetooth
— Android 12 inklusive Google Play Store
Android – aber mit Einschränkungen
Als Betriebssystem kommt auf den Boox-Note-Air-3-Geräten Android 12 zum Einsatz. Aktuell wäre Version 14 gewesen – viele Vorteile hätte dessen Nutzung allerdings nicht mit sich gebracht. Denn Onyx nutzt auf seinen Tablets eine vereinfachte Oberfläche mit einem auf die E-Papier-Anzeige optimierten „Home-Bildschirm“. Dieser ist recht minimal gehalten und kann sich etwa mit Googles Pixel-Launcher nicht messen. Für die Nutzung des Boox-Readers ist er aber ausreichend.
Störend ist jedoch, dass einige Elemente der Oberfläche im Deutschen falsch getrennt sind („Bibliothe-k“, „Einstellu-ngen“). Das mag ein rein ästhetischer Kritikpunkt sein – aber es sind eben diese kleinen Fehler, die einem Unternehmen wie Apple nicht unterlaufen würden. Zudem sind nicht alle Elemente der Oberfläche ins Deutsche übersetzt.
Zwar verzichtet Onyx auf die Standard-Einstellungen von Android, liefert aber eigene mit. Und die sind umfangreich – besonders beim „Finetuning“ des E-Papier-Displays.
Ebenfalls schön: In Büchern, auf Webseiten und in Dokumenten ist das Vergrößern und Verkleinern von Inhalten mit der bekannten Zwei-Finger-Geste möglich – nicht alle E-Reader bieten das.
Trotzdem: Wer sonst ein aktuelles Tablet etwa von Google oder Samsung nutzt, muss trotz der Android-Verwandtschaft umdenken. Das mag im Hinblick auf die Ausrichtung der Hardware Sinn ergeben, lässt aber gleichzeitig die Chance auf ein wiedererkennbares Nutzungserlebnis liegen.
Fazit: kein iPad-Ersatz, aber eine sinnvolle Ergänzung
Das Boox Note Air 3 C ist zweifellos eines der besten Lesegeräte mit E-Ink-Display am Markt – und ist eigentlich viel mehr als das. Dank der Nutzung einer einigermaßen aktuellen Android-Version erlaubt das Onyx-Gerät die Installation einer Vielzahl sinnvoll nutzbarer Produktivitätsapps – und schließt somit die Lücke zwischen einem E-Reader und einem Tablet-Computer. Und dank der Beigabe eines Eingabestifts dient es zudem als hervorragender digitaler Block für Notizen und Skizzen.
Klar, ein iPad kann das Note Air 3 auch in seiner Farbversion nicht ersetzen – und will dies auch gar nicht. Eine sinnvolle Ergänzung kann es aber sein. Und es macht Lust darauf, zu beobachten, wie sich die E-Papier-Technologie in den kommenden Jahren weiterentwickelt. Vielleicht kommt am Ende ja sogar Apple selbst noch auf den Geschmack!
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