„Ah! Oh! Wow! Boah!“ Wenn sich im Jahr 2023 jemand so für ein neues Smartphone begeistern kann, muss es etwas richtig machen. Denn schauen wir der Realität ins ungeschönte Auge: Smartphones sind langweilig geworden. Die alljährlichen Update-Runden bringen meist schnellere Prozessoren, bessere Kameras und langlebigere Akkus mit sich. Gleichzeitig ist die Entwicklung selbst bei Einstiegsmodellen bereits auf einem so hohen Niveau, dass die Begeisterung zumeist ausbleibt – längst auch beim iPhone.
Obige Gefühlsäußerung stammt indes von der Partnerin des Autors – die sich sonst so gar nicht für Technik begeistern kann. Der Grund für das Entzücken: Das Pixel Fold ist ein sogenanntes – nomen est omen – Foldable-Smartphone. Und das offeriert nach dem Aufklappen der Innenseite ein zweites Display von der ungefähren Größe eines iPad mini.
Wow-Faktor statt Gimmick
Um genau zu sein: 192,3 Millimeter, also fast 20 Zentimeter, misst der Innenraum des Fold. Und um den Vergleich nochmals zu bemühen: Das iPad mini liegt mit 21 Zentimetern aka 8,3 Zoll nicht weit darüber.
Die 7,6-Zoll-Spielfläche von Googles Klapp-Handy ist ein Augenschmaus: Es löst mit 2.208 mal 1.840 Bildpunkten messerscharf auf, dank einer Helligkeit von maximal 1.550 Candela pro Quadratmeter trotzt es dem direkten Sonneneinfall. Die Bildwiederholrate beträgt 120 Hertz, die Darstellung ist ebenso wie die Bedienung butterweich.
Apropos wie Butter: Der Wechsel zwischen Außen- und Innendisplay ist nahezu übergangslos. Schaust du also ein Youtube-Video, läuft es beim Aufklappen reibungslos weiter – ein Ruckeln aufgrund einer „Denksekunde“ fällt nicht an. Auch die Hardware macht diesen Trick mit: Das Scharnier ist weder zu leicht noch zu fest gespannt, der „Knick“ im Faltdisplay ist angenehm unauffällig. Google nutzt einen relativ breiten Falz – er ist beim Halten gegen das Licht zwar sichtbar, aber nicht irritierend. Er verschwindet beim Zuklappen etwas im Scharnier, sodass beide Smartphone-Hälften sauber aufeinanderliegen, statt mit einem Zwischenraum eine potenzielle Staubfalle zu entblößen.
Auffällig ist lediglich, dass sich das Fold nicht ganz um 180 Grad öffnet – zwei, drei Grad fehlen aufgrund der Scharniertechnik zum vollständigen Spagat. Es liegt ohne etwas Nachhilfe somit nicht ganz bündig auf dem Schreibtisch. Stört das? Unserer Ansicht nach nicht.
Stören konnten sich einige Tester:innen in den vergangenen Wochen an den relativ breiten Rändern des Pixel Fold. Stimmt, diese wirken nicht gänzlich auf der Höhe der Zeit. Doch nicht immer ist die angesagte „No Bezel“-Philosophie im Smartphone-Design die bessere Lösung. Denn mit der seitlich etwa 1,5 Millimeter breiten Umrandung lässt sich das Gerät gut greifen, ohne gleich den Bildschirm zu berühren. Zudem wanderte so die 8-Megapixel-Innenkamera in den Rahmen, eine Einkerbung im Display entfällt.
Ebenso viel Lob wie der Bildschirm verdienen die Lautsprecher: Sie klingen besser als die der meisten anderen Spitzen-Smartphones – da macht das Youtube-Video oder gar ein Netflix-Filmchen zwischendurch gleich doppelt so viel Spaß.
Android 13 ist ein Gedicht
Doch es ist nicht nur die Hardware, die die Nutzung des inneren „Big Screen“ des Pixel Fold zu einer Freude macht. Das Foldable-Phone profitiert wie schon das Pixel Tablet immens von der Arbeit, die der IT-Riese in die Optimierung seines Android-Betriebssystems für größere Bildschirme investiert hat. Dazu gehört nicht nur das „Polieren“ der Oberfläche, sondern auch die Einführung eines schwebenden Docks zum Springen zwischen laufenden Apps. Ähnlich wie beim iPadOS lassen sich zwei Apps im Multitasking nebeneinander platzieren.
Doch auch bei den eigenen Anwendungen hat Google ganze Arbeit geleistet: Über 50 Google-Apps erfuhren eine komplette Überarbeitung. Dies macht sich etwa bei Gmail bemerkbar: Posteingang und E-Mail-Darstellung nutzen nebeneinander die verschiedenen Displayseiten – eine sehr viel übersichtlichere Aufteilung als auf normalen Smartphones.
Umso irritierender ist, dass Google ausgerechnet bei seiner Play-Bücher-App geschlampt hat. Anstatt die Seiten eines E-Books auf gegenüberliegenden Displayflächen darzustellen, verteilt sich der Text über die gesamte Bildschirmbreite. Schade, hier sollten die Entwickler:innen schnell nachlegen, schließlich würde das Pixel Fold einen hervorragenden Reader von der handlichen Größe eines typischen Reclam-Büchleins abgeben.
Luxusproblem: Der Außenbildschirm ist fast zu gut
Zugegeben, es klingt absurd: Der Außenbildschirm ist das vielleicht größte „Problem“ des Pixel Fold. Und das nicht etwa, weil er schlecht wäre. Im Gegenteil: Er ist zu gut. Denn während auch die aktuelle Konkurrenz aus dem Hause Samsung (siehe Kasten) auf ein merkwürdig enges Frontdisplay setzt, liefert Google einen 5,8 Zoll (14,73 Zentimeter) messenden „normalen“ Bildschirm ab, der sich in seiner Größe grob mit dem des iPhone SE vergleichen lässt. Er glänzt mit einer Bildwiederholfrequenz von 120 Hertz und löst gestochen scharf auf.
… stellte Samsung in dieser Woche bereits die fünfte Generation seines Foldable-Smartphones vor. Der koreanische IT-Riese betreibt in diesem Jahr in erster Linie Modellpflege – so ist der Falz nun noch dezenter umgesetzt. Wie beim Google Pixel Fold liegt der Einstiegspreis bei 1.900 Euro.
So gut ist das Display, dass wir uns nach ein paar Tagen und nach Abklingen des ersten „Wow-Effekts“ dabei ertappten, das Fold (!) den Großteil der Nutzungszeit über wie ein normales Handy zweckzuentfremden. Schnell mal eine Nachricht tippen? Ist auf dem Außendisplay einfach flinker. Einen Song auf Spotify suchen ebenso. In der U-Bahn nebenbei Tiktok checken? Du ahnst es bereits.
Aber ist das Browsen im Netz auf dem großen Display nicht sehr viel befriedigender? Theoretisch ja! Wäre da nicht dieses …
… Web anno 2023
Denn das ist nicht wirklich vorbereitet auf Displays, die annähernd quadratisch sind. Und so geraten Texte auf Webseiten weitaus breiter als von einem normalen Smartphone-Screen oder einem hochkant betriebenen Tablet gewohnt (siehe Bild). Das menschliche Auge (und Gehirn) ist aber an Textkästen gewöhnt, die eine gewisse Breite nicht überschreiten – nicht ohne Grund arbeiten Printlayouts wie das der Mac Life mit zwei oder drei Spalten pro Heftseite. Auf dem breiten Innendisplay eines Falthandys verlieren sich die Augen hingegen schnell.
Das ist Google nicht anzuhaften, auch dem Foldable-Marktführer Samsung nicht. Vielmehr haben Webdesigner:innen diese Geräteklasse anscheinend nicht ausreichend auf dem Schirm. Und so lässt sich erahnen, warum Apple sich bisher mit einem „iPhone Fold“ zurückhält – das „Ökosystem“ des Web ist schlichtweg nicht darauf vorbereitet. Umgekehrt gilt: Erst ein – dann sicher noch teurerer – Einstieg Apples könnte eine solche Sogwirkung und Akzeptanz erzeugen, dass Gestalter darauf reagieren. Ein klassisches Dilemma.
Kein Gamer
Hinzu kommen Probleme mit Spielen, die eigentlich auf dem großen Display glänzen sollten, aber anscheinend mit dem Gyroskop nicht zurechtkommen: Sie haben Mühe zu erkennen, welche Seite oben ist. Die horizontale Kalibrierung weicht in den meisten Spielen um 90 Grad von der Achse ab. Das heißt: Wenn du das aufgeklappte Smartphone nach oben und unten bewegst, wandert der Standpunkt der Spielfigur nach links und rechts. Darunter leiden nicht zuletzt First-Person-Shooter: Verwendest du das Gyroskop zum Zielen, ist das Spiel praktisch unbenutzbar. Liegt das an Google? Wir vermuten, dass auch hier die Schuld eher in der unzureichenden Anpassung seitens der Entwickler:innen an das ungewöhnliche Display zu suchen ist.
Fazit
Google ist mit dem Fold vom Start weg das wohl derzeit beste faltbare Smartphone gelungen. Beide Displays sind fantastisch, der Falz im Inneren erfreulich dezent, die Kameras auf hohem Pixel-Niveau. Gleichzeitig zeigt es die Schwächen der Geräteklasse auf – die Google nicht zu verantworten hat. Und so kehrt dieser Autor nach einem Monat des Testens des Pixel Fold zwar beeindruckt, aber nicht mit sonderlich schwerem Herzen zu seinem „normalen“ Lieblings-Smartphone zurück – nein, nicht zum iPhone, sondern zum Google Pixel 7.
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