Grün geht immer

Mutter Natur stiehlt dem iPhone die Show

Ein Novum bei Apple ist, dass im Rahmen des allherbstlichen iPhone-Events nicht das neue iPhone die wichtigste Neuheit ist.

Von   Uhr
4 Minuten Lesezeit

Anderthalb Dekaden lang war das iPhone das alles dominierende Thema im Apple-Kalender. Objektiv betrachtet ist es das natürlich auch immer noch – allein schon wegen der Wirtschaftsmacht des iPhone, die so manchen Staat zu überflügeln weiß.

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Dennoch: Als jemand, der das iPhone seit 2007 eng begleitet, kann ich nicht damit hinter dem Berg halten, dass das Event gestern Abend mit Blick auf das iPhone – und mehr noch in Sachen Apple Watch – nicht als eines der elektrisierendsten in die Geschichte eingehen wird.

Das neue iPhone 15 ist eigentlich ein iPhone 14 Pro Minus und ansonsten genauso blass wie die neuen Farben, die mich persönlich überhaupt nicht reizen; vor allem, weil es kein Product-Red-iPhone mehr gibt. Das iPhone 15 Pro glänzt vor alle mit der nochmals besseren Kamera und schneller Datenübertragung via USB-C. Überhaupt: USB-C. Ja, Apple hat diese Technologie mit aus der Taufe gehoben. Zum Einsatz im iPhone musste Apple dennoch gezwungen werden. Als neues Apple-Feature möchte ich das kaum gelten lassen – auch, wenn Apple am gestrigen Abend natürlich (und vollkommen zurecht) die zahlreichen Vorzüge der Schnittstelle hervorhob.

Apple Watch. Puh. Im Prinzip hellere Bildschirme und eine neue Doppel-Tipp-Geste, die wir so ähnlich schon aus den Bedienungshilfen kennen. That’s it.

Ein bisschen die Welt retten

Nein, noch nicht ganz. Eine weitere Premiere, diesmal nicht als „one more thing“ eingeführt, gab es noch. Und die ist dann auch die wichtigste Botschaft des iPhone-Events 2023. Apple hebt den hauseigenen Nachhaltigkeitsbericht auf die ganz große Bühne.

Ja, über die Darstellungsform kann man sich lächerlich machen. Ein vor Aufregung zitternder Tim Cook sitzt mit seinem Team in Erwartung hohen Besuchs in einem Konferenzraum. Dort erscheint US-Schauspielerin Octavia Spencer in der Rolle von – Mutter Natur. Innerhalb von Minuten war das Internet voll von „Cringe!“-Rufen. Aber mal im Ernst: Hast du dir mal angeschaut, wie andere Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte aufbereiten und präsentieren? Bevor ich bei der seitenlangen Lektüre feinsten Jurist:innen-Sprechs langsam wegdämmere, nehme ich Apples unterhaltsame, wenn auch etwas überzogene Herangehensweise mit Kusshand!

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Tatsächlich hatte Apple hier auch ernsthaft Großes zu vermelden: Die neue Apple Watch ist Apples erstes vollständig CO₂-neutrales Produkt. Eingepreist hat Apple dabei sogar die komplette Lebensdauer des Produkts. Soll heißen: Apple kompensiert so viel CO₂, dass damit sogar der Stromverbrauch für das tägliche Aufladen der Uhr abgedeckt ist. 

Ein Umstand, der Apple dann auch gleich ein neues Label wert ist. Auf dem Karton der neuen Apple-Watch-Modelle prangt ein neues, aus fünf grünen Blättern geformtes, blütenartiges Symbol, das fortan genau für diese erweiterte Form der CO₂-Neutralität steht.

(Bild: Apple, Screenshot: Mac Life)

Erreichen kann Apple dieses Ziel, weil man gute Fortschritte auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft gemacht hat. So bestehen etwa die Gehäuse der neuen Apple Watch zu 100 Prozent aus recyceltem Aluminium, in den Batterien findet sich 100 Prozent recyceltes Kobalt und etwa das neue Sport-Loop-Armband besteht zu 82 Prozent aus recyceltem Garn.

Apple denkt auf dem Weg zum selbst gesteckten Ziel der vollständigen CO₂-Neutralität bis 2030 aber nicht nur an die Produkte, sondern auch an die eigenen Gebäude, Transportwege und Verpackungen. Schon jetzt bestehen Apples Umkartons zu 96 Prozent aus recycelten (oder recycelbaren) Holzfasern – das Ziel für 2025: kein Kunststoff mehr in den Verpackungen.

(Bild: Apple, Screenshot: Mac Life)

Natürlich, man kann Apple für viele Dinge angehen. Ich sage nur: China. Ich sage: Gewerkschaften. Ich sage: Rückbeorderung der Angestellten ins Büro (was sich bestimmt auch nicht in jedem Fall CO₂-neutral gestalten lässt). Und ja, natürlich, wäre Apple noch grüner, wenn es einfach aufhörte, iPhones und sonstige Produkte herzustellen oder zumindest die Frequenz der Neuerscheinungen zu verringern.

Da muss man vielleicht aber auch mal die Kirche im Dorf lassen. Von einem Wirtschaftsunternehmen zu verlangen, nicht mehr zu wirtschaften ist, gelinde gesagt, weltfremd. Und das mit der Frequenz … es ist nicht davon auszugehen, dass das iPhone heute auf diesem technologischen Stand wäre, wenn der Innovationsdruck über die vergangenen Jahre hinweg ein geringerer gewesen wäre. 

Im Rahmen all dessen, steht Apple mit den aktuellen Bemühungen um Nachhaltigkeit und viel mehr noch mit dem Plan „Apple 2030“ als Vorreiter, als Vorbild einer gesamten Industrie vor. Und so sehr ich auch über die neuen Apple-Uhren und iPhones gegähnt habe, so sehr möchte ich dafür stehend applaudieren.

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