Der menschliche Körper, soviel war den Mitgliedern von Skinny Puppy stets bewusst, ist eine Waffe. Ganz konsequent haben sie diese immer wieder mit Munition gefüttert. So ist es mehr als verblüffend, dass es diese Band immer noch gibt, gleicht ihre Geschichte doch einem Minenfeld aus Drogenexzessen, Medikamentenmissbrauch und Orgien, aus Splits, Zerwürfnissen und Zusammenbrüchen. Selbstentdeckung und Selbstzerstörung lagen gefährlich nahe beieinander und das Leben innerhalb der Formation war stets ein soziales und biochemisches Experiment. Für die beiden Gründer cEvin Key und Nivek Ogre geriet es zu einer Psychotherapie am Abgrund, für den an einer Heroin-Überdosis verstorbenen Keyboarder Dwayne Goettel zur Endstation. Dass es nicht schon früher zur Katastrophe kam, wird viele verblüfft haben: Die Konstante in Skinny Puppy war ihre Instabilität, ihre Unberechenbarkeit in einer nach Konformität hungernden Industrie.
Freilich: Nichts von alledem war so geplant. Ogre war auf dem besten Weg Arzt zu werden, Key stand vor dem Durchbruch mit der New-Wave-Kapelle „Images in Vogue“. Doch dann verstarb Ogres Vater an Krebs und gründete Key Skinny Puppy als Spielplatz für seine experimentellen Tendenzen. Kurzfristig stieß der spätere Frontline-Assembly-Frontmann Bill Leeb dazu und wurde aus dem vermeintlichen Nebenprojekt eine Art subversive Weltanschauungskommune. Bandmitglieder kamen und gingen – Leeb war bereits ein Jahr nach seinem Einstieg wieder verschwunden – doch das eiternde Gewebe wuchs stets enger zusammen. Ihre alten Jobs waren bald vergessen, die halbjährlichen Tantiemenschecks der Plattenfirma, kaum genug für Essen und Miete, die einzige Einnahmequelle. Die Tage bestanden vor allem aus endlosen Sessions und darin, wie Ogre sich einmal erinnerte, sich gegenseitig so viel wie möglich zu erschrecken. Mit dem Track „Dig It“ von „Mind: The Perpetual Intercourse“ landete man den ersten Klassiker, mit der Single „Testure“ gelang der Durchbruch, der finanzielle Unabhängigkeit gewährte und die Zukunft der Band in die Neunziger hinein sicherte.
Wegweisender Cocktail
„Testure“ war nicht nur in kommerzieller Hinsicht ein Meilenstein. Auch künstlerisch entwickelte sich die Band in dieser Phase in Richtung eines wegweisenden und bis heute einzigartigen Cocktails aus klirrenden Industrial Soundscapes und unmenschlich verzerrten Vocals, bizarr tanzbaren Electro-Beats und Kraftwerk’schem Futurismus, stillen Ambient-Passagen und intimer Atmosphärik. Wohl auch deshalb nahmen viele Fans es Skinny Puppy so übel, als sie 1996 scheinbar vom Nine-Inch-Nails-Hype motiviert, mit „The Process“ ihre ureigene Sprache zugunsten von gitarrengetriebenem Industrial-Metal aufgaben. Dass ihnen damit zugleich eines der intensivsten Werke ihrer Diskographie gelungen war, akzeptierten nur wenige als Entschuldigung – an „The Process“ und Goettels Tod zerbrach die Band und noch einige Zeit später sagte Ogre: „Ich glaube nicht, dass es überhaupt noch einmal ein Skinny-Puppy-Album geben wird. Diese Zeiten sind einfach vorbei.“ Stattdessen nahm Key mit „Furnace“ und „The Eyes of Stanley Pain“ unter dem Namen Download zwei Alben auf, die in genau die Richtung gingen, die sich viele von „The Process“ erhofft hatten: Hyperkomplex, Techno-beeinflusst, ungehemmt experimentell.
Die Reunion folgte dann dennoch, wenngleich unter komplett anderen Bedingungen. Spaß sollte Skinny Puppy fortan machen, wieder songorientierter werden und zu den Ursprüngen der Band zurückkehren. Kurzzeitig spielte man für die aktuelle Scheibe „Weapon“ mit dem Gedanken, sogar antiquiertes Equipment wie eine Studer 2-Track-Tapemaschine zu verwenden. Schließlich aber setzte man voll auf die analoge Karte. Von den Herstellern aktueller Modular-Systeme flatterten Key immer wieder Demo-Geräte ins Haus und so kamen neben einigen ARPs und Vintage-Analog-Maschinen auch neuere Eurorack-Modular-Systeme zum Einsatz. So mutet vieles auf dem Album ganz so an, als habe man den Elan von 1982 in die heutige Zeit gebeamt. Gleiches gilt auch für das dahinter stehende Programm: Über Umwege hatte man erfahren, dass das US-Militär Musik von Skinny Puppy dazu verwendete, in Guantanamo Insassen zu foltern und so wollte man für das Live-Konzept den Spieß umdrehen und auf der Bühne Performance-Künstler zum Waterboarding bitten. Auch wenn man sich letztendlich auf ein harmloseres Programm beschränkte: Hinter der Fassade aus Harmonie und Eintracht lugt ganz offensichtlich immer noch der alte Wahnsinn hervor.
Beatoskop: Skinny Puppy – wornin’ Schritt 1: Los geht’s!
Auf ihrem zwölften Studioalbum „Weapon“ verbinden die kanadischen Electro-Industrial-Pioniere Skinny Puppy knarzende analoge Synthesizersounds mit modernen Klangexperimenten. Im Folgenden nehmen wir den Track „wornin’“ unter die Lupe. Legen Sie in Ihrer DAW ein neues Projekt mit 117 BPM an. Zu Beginn widmen wir uns dem hypnotischen Arpeggio, das fast im kompletten Song zu hören ist.
Beatoskop: Skinny Puppy – wornin’ Schritt 2: Arpeggio
Laden Sie dazu DUNE oder DUNE LE als virtuelles Instrument und wechseln Sie zu dem Init-Patch in Bank C. Stimmen Sie den ersten Oszillator um 12 und den zweiten um 24 Halbtöne nach unten und definieren Sie einen Osc-Mix-Wert von 36%. Die gewünschte Sägezahnwellenform ist bereits angewählt. Eine leichte gegenläufige Verstimmung mithilfe der Fine-Regler verhilft dem Sound zu dezenten Schwebungen.
Beatoskop: Skinny Puppy – wornin’ Schritt 3: Filtereinstellungen
Erhöhen Sie die Resonanz auf 17%. Dadurch erhält der Sound noch etwas mehr Brillanz. Für den angestrebten perkussiven Lautstärkeverlauf ist die Amp Envelope wie dargestellt anzupassen. Blenden Sie dann die Modulationsmatrix ein und nehmen Sie die Zuweisung in der dritten Zeile vor, um den Anschlag des Patchs zu betonen. Zur Klangveredelung kommen Equalizer, Chorus, Delay und Reverb zum Einsatz.
Beatoskop: Skinny Puppy – wornin’ Schritt 4: Bass
Geben Sie schließlich das abgebildete Arpeggio im Piano-Roll-Editor Ihrer DAW ein. Aktivieren Sie eine weitere DUNE-Instanz und wechseln Sie zu dem Init-Preset. Stimmen Sie Oszillator 2 um eine Oktave tiefer und stellen Sie Osc Mix auf etwa 3 Uhr. Auch hier verstimmen wir die beiden Oszillatoren leicht gegenläufig. Für mehr Klangfülle sind die Unison-Parameter wie auf dem Screenshot zu justieren.
Beatoskop: Skinny Puppy – wornin’ Schritt 5: Mehr Leben
Reduzieren Sie Cutoff für den gewünschten dumpfen Klang auf 22% und erhöhen Sie die Hüllkurvenintensität (Env) auf 46%. Passen Sie die Filter- und Amp-Hüllkurven wie dargestellt an und wechseln Sie zur Modulationsmatrix. Während die zweite Zuweisung den Anschlag des Sounds betont, sorgen die Einträge in Zeile 5 und 7 für mehr Lebendigkeit. Passen Sie die Parameter von LFOs 1 wie auf dem Bild an.
Beatoskop: Skinny Puppy – wornin’ Schritt 6: Pluck-Sound 1
Dieser beeinflusst nun die Filterfrequenz mit geringer Intensität, während die Panoramaposition zufällig moduliert wird. Geben Sie im Piano-Roll-Editor die dargestellte Notenfolge ein. Arpeggio und Bassline werden durch zwei Synth-Sounds unterstützt. Bei dem ersten Patch, für das wir eine weitere DUNE-Instanz bemühen, liefert eine Rechteckwelle das klangliche Fundament.
Beatoskop: Skinny Puppy – wornin’ Schritt 7: Modulationstricks
Auch hier sorgt der Unison-Modus für mehr Fett. Justieren Sie die Lautstärke- und die Filterhüllkurve wie abgebildet. Spendieren Sie dem Klang mit der dritten Zuweisung in der Matrix einen knackigen Anschlag. Die gewünschte Lautstärkemodulation erhält das Patch durch die Zuweisung in Zeile 3. Dank des eingestellten Fade-in-Werts von LFO 1 setzt die Modulation verzögert ein.
Beatoskop: Skinny Puppy – wornin’ Schritt 8: Pluck-Sound 2
Noch klingt das Patch etwas trocken. Abhilfe schaffen die Effekte Chorus und Reverb. Spielen Sie danach die dargestellte Notenfolge ein. Auch für den zweiten Pluck-Sound kommt DUNE zum Einsatz. Geben Sie im Piano-Roll-Editor Ihres Sequenzers die abgebildete Notenfolge ein. Blenden Sie dann die Bedienoberfläche von DUNE ein, laden Sie das Init-Preset und wählen Sie die Rechteckwellenform.
Diskutiere mit!
Hier kannst du den Artikel "Beatoskop: Skinny Puppy – wornin’" kommentieren. Melde dich einfach mit deinem maclife.de-Account an oder fülle die unten stehenden Felder aus.
Die Kommentare für diesen Artikel sind geschlossen.