Softwareinstrument für Bassklänge mit großer Sample-Bibliothek

Test: Spectrasonics Trilian

Echte Bassisten mögen diesen Test mit Neid und Missgunst lesen: Spectrasonics führte bereits Mitte der Neunzigerjahre eine Samplebibliothek namens „Bass Legends“ ein, die Samples bekannter Bassisten wie Marcus Miller, John Patitucci und Abraham Laboriel beherbergte. Im Jahre 2002 erblickte dann das Plug-in Trilogy das Licht der Welt und widmete sich wiederum ausschließlich akustischen, elektrischen und synthetischen Vertretern der Zunft. Trilogy galt bislang als hervorragendes Softwareinstrument zur Produktion besonders tieffrequenter Schallsignale. Somit seien alle Bassisten gewarnt, dass auch der Nachfolger Trilian im unteren Frequenzspektrum angesiedelte Instrumente äußerst authentisch wiederzugeben vermag.

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Die Dampfmaschine im 21. Jahrhundert

Mit der hauseigenen Steam-Audioengine, welche schon den Synthesizer Omnisphere zum Leben erweckte, wird auch Trilian angetrieben. Die 34 GB große Samplebibliothek soll Trilian nicht etwa zur reinen „Konserve“ abstempeln, sondern neue Standards bezüglich Expressivität, Authentizität und Flexibilität von Softwareinstrumenten setzen. Vorweg sei erwähnt, dass durch das Aufsetzen auf die Steam-Engine Trilians gesamte Samplebibliothek auch in Omnisphere geladen und so beispielsweise ein akustischer Bass aus Trilian mittels Granularsynthese in Omnisphere klanglich manipuliert werden kann. Die Steam-Technologie nutzt gleichzeitig auch die Vorteile von 64-Bit-Betriebssystemen und läuft sowohl auf dem PC als auch auf dem Mac.

Installation mit einer Tasse Tee …

… oder auch mehreren: 34 GB müssen von fünf DVDs erst einmal auf die Festplatte geschaufelt werden. Leider starten die Silberlinge beim Wechsel nicht automatisch, der Anwender muss sich also jedes Mal durch ein Installationsprogramm klicken. Womöglich wäre ein entsprechend dimensionierter USB-Stick die benutzerfreundlichere Variante – doch diese Überlegung sollte nicht nur Spectrasonics tätigen. Nach der Installation muss Trilian online freigeschaltet werden, zudem sollten eventuelle Aktualisierungen geladen werden, denn ohne diese gibt es unverständlicherweise kein (englischsprachiges) Handbuch.

Im Übrigen funktioniert Trilian leider nicht im unabhängig von einer VST-, AU- beziehungsweise RTAS-Hostsoftware. Dieses Manko betrifft schon Omnisphere und Stylus RMX, obwohl ein unabhängiges Arbeiten mit den Klangmonstern von Spectrasonics gerade auf der Bühne sicherlich Sinn ergeben würde.

Konzept und Bedienung

Das Design Trilians lässt bereits eine gewisse musikalische Vielseitigkeit erahnen. Das Plug-in begrüßt uns mit einer Mischung aus kirschfarbenen Holzelementen und angedeuteten Griffen aus Metall. Die Oberfläche ist erfreulich einfach konzipiert und unterteilt sich in vier verschiedene Bereiche: Zunächst erscheint das sehr übersichtlich gestaltete Hauptfenster, welches den aktuellen Patch und intelligent nur die dafür nützlichsten Kontrollelemente darstellt. Bei einem Akustikbass werden beispielsweise nur Regler für das Mikrofon- beziehungsweise Pick-up-Signal, für seinen synthetischen Verwandten Potis für Cutoff- oder Resonanzfrequenzen angeboten. Interessanterweise können diese Elemente aber anderen Parametern zugewiesen und sogar umbenannt werden. Sogar das Layout der Oberfläche lässt sich den eigenen Bedürfnissen entsprechend verändern. Die Konzentration auf das Wesentliche ist zusammen mit dem modularen Ansatz als durchaus gelungen zu bezeichnen. Jeder Regler kann mithilfe der MIDI-Lernfunktion einem beliebigen Element auf einem externen Controller zugewiesen und per Hostsequenzer automatisiert werden.

Im zweiten Bereich, dem Bearbeitungsfenster, lässt sich das gewählte Preset nun nach Belieben klanglich sehr intensiv bearbeiten. So können verschiedene Filter, LFOs und Hüllkurven auf das Ausgangsmaterial sowie beispielsweise ein Aftertouchsignal eines MIDI-Controllers auf die Cutofffrequenz eines Filters angewendet werden. Das Editfenster beherbergt zugleich das Herz Trilians: die „Soundsources“, welche aus unterschiedlichen Samples bezüglich Spielstärke, musikalischer Artikulation und Mikrofonierung bestehen. Trilian stellt seinem Nutzer zudem eine komplett neu gemasterte Version der Samplebibliothek des Vorgängers Trilogy sowie die erweiterte Version der erwähnten Sample-CD-Serie „Bass Legends“ zur Verfügung.

Die nötige Würze erlangt das Klangmaterial im dritten Hauptfenster, dem Effektrack: Hier stehen insgesamt 33 Effekte zur Verfügung. Größtenteils sind diese in Anlehnung an diverse ältere Originaleffekte entwickelt worden. So gibt es einen „Modern Compressor“, der das klangliche Verhalten eines SSL-Mischpultkompressors nachahmt, sowie einen Effekt namens Retroplex, der Tonbandechos älterer Effektgeräte wie dem Echoplex wiedergibt. Vier Effekte pro Rack sowie bis zu 29 Effektracks dürfen gleichzeitig geöffnet werden. Die sich daraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten sind enorm. Anwender von Omnisphere sollten sich auch hier sofort zurechtfinden, wurde die Effektsektion doch größtenteils ihrem Instrument entliehen.

Im vierten Hauptfenster erwartet den Anwender eine weitere Besonderheit: der Arpeggiator. Dieser feuert selbsterstellte oder bereits vorgefertigte Muster mit dem jeweiligen Sound eines Patches ab, wobei sich zwar die Anschlagstärke, nicht aber die Tonhöhe pro einzelnen Step ändern lässt. Als praktisch erweist sich zudem die eigens von Spectrasonics entwickelte „Groove Lock“-Funktion. Trilian synchronisiert sich dadurch automatisch mit Stylus RMS oder zu jeder beliebigen MIDI-Datei. Dazu wird diese einfach per Drag & Drop in das Groove-Lock-Feld im unteren Bereich des Arpeggiators gezogen – egal, wann nun eine Taste auf dem MIDI-Controller gespielt wird, Trilian bleibt stets im Takt.

Akustische Bässe

Insgesamt stehen zwei völlig neu gesampelte Kontrabässe sowie ein weiterer Kontrabass und ein akustischer Bass aus der Trilogy-Sammlung zur Auswahl – kein Grund zur Euphorie zumindest in dieser Kategorie, möchte man meinen. Angemerkt sei jedoch, dass die beiden neuen Bässe sich aus jeweils über 21.000 Samples (!) zusammensetzen. So besteht der Kontrabass aus zwölf verschiedenen Anschlagwerten pro Ton und enthält mit dem Mikrofon-, Pick-up-, und Noise-Signal drei separat einstellbare Audiokanäle. Die Software wählt Legato- und Releasesamples automatisch während des Spielens aus. Weiterhin können einzelne Spieltechniken wie beispielsweise Glissando und Triller oder Flageolett- und Staccatotöne sowie Noise- und Slide-Samples angewählt werden.

Die akustischen Bässe von Trilian klingen sehr authentisch. Die Klangqualität ist brillant, die Samples äußerst gut ausgewählt sowie sehr fein abgestimmt und leicht differenziert. So erklingen fast ständig wechselnde Release-Klänge. Mit der Humanize- und Noise-Funktion kann der Sound noch realistischer und fast schon zu „dreckig“ gestaltet werden. Selbst das Effektrack lässt sich gut auf die akustischen Bässe anwenden.

E-Bässe

Trilian enthält über sechzig E-Bässe, darunter sind vier-, fünf-, sechs- und achtsaitige Versionen, die mit verschiedenen Spieltechniken wie „Fingered“, „Picked“ und „Slapped“ eingespielt wurden. Die dadurch erreichte Klangvielfalt ist insbesondere unter Anwendung des Effektracks sehr umfangreich. Viele Musikrichtungen wie Jazz, Rock, Pop aber auch Hardrock oder Punk lassen sich abdecken. Alle Bässe klingen durchweg sehr realistisch.

Problematisch wird allerdings die spieltechnische Umsetzung mit einem Keyboard: Werden beispielsweise durchgehende Achtel auf nur einem Ton gespielt, erklingt konsequenterweise jeder Ton mit entsprechend gleicher Anregungsart. Auf einem wirklichen E-Bass ändern sich aber Attack- und Releasesound ständig, je nachdem, in welcher Schwingungsposition sich die Saite zum Zeitpunkt der Berührung mit dem Finger beziehungsweise Daumen befindet – vorausgesetzt, dass die Saite nicht jedes Mal gestoppt wird. Mit den sogenannten „Round Robin“-Samples wurde versucht, diese Klangcharakteristik nachzuahmen. Recht annehmbar klingt diese Simulation aber nur, wenn die Noten präzise mit einem MIDI-Editor eingegeben werden.

Synthetische Bässe

Über mehr Spielspaß am Keyboard darf sich naturgemäß bei Verwendung der synthetischen Bässe gefreut werden. Neben diversen Moog- und Waldorf-Synthesizern hat Trilian auch den Yamaha CS-80, die Novation BassStation, Rolands Jupiter 8, den legendären Korg MS-20 sowie den Exoten Metasonix KV-100 Assblaster sowie viele weitere Synthesizer im Angebot. Die Soundsources lassen sich dank Steam-Engine mit knapp zwanzig verschiedenen Filtertypen, LFOs, einer Morphingfunktion, unterschiedlich anwendbaren Hüllkurven und natürlich dem Effektrack nach Belieben verschrauben. Dabei darf getrost vergessen werden, dass sämtliche Synthesizer eigentlich nur gesampelt sind. In Kombination mit dem integrierten Arpeggiator mutiert Trilian zu einem vollwertigen und modernen Synthesizer, dem man nicht ansieht, dass er sich eigentlich nur auf Bässe beschränkt.

Expressionismus im Multimodus

Besondere Erwähnung verdient der Multimodus: Dieser kann bis zu acht verschiedene Parts enthalten. Pro Spur kann je ein Patch geladen werden. Mit einem integrierten Mischpult werden diese geregelt und verschiedenen MIDI-Kanälen zugewiesen. Die acht verschiedenen Spuren lassen sich nun im Livemodus auf eine Matrix legen, die mit einem MIDI-Controller angesteuert wird. Sämtliche Patches der Multiparts sind dabei bereits in den Arbeitsspeicher des Computers geladen, sodass ohne Verzögerung während des Spielens zwischen ihnen gewechselt werden kann. Als sei dies noch nicht genug nicht genug, spendierten die Entwickler dem Multimodus noch eine weitere Raffinesse: Im Stack-Modus können die einzelnen Spuren hinsichtlich ihrer Notenwerte, Anschlagstärken und MIDI-CCs angeordnet und so beispielsweise Splits, Layer und Crossfades erstellt werden. Trilian erreicht dadurch eine enorme musikalische Ausdruckskraft, welche im Studio sehr inspirierend ist und auf der Bühne enorme Kontrollmöglichkeiten bietet.

Fazit

Trilian ist zurzeit definitiv das beste auf dem Markt erhältliche Softwareinstrument für Bassklänge. Die umfangreiche Samplebibliothek beinhaltet sehr hochwertige und abwechslungsreiche Samples, die durch die etablierte Steam-Engine und deren detaillierte Einstellungsmöglichkeiten zudem klanglich sehr flexibel bearbeitet werden können. Das Instrument ist durchweg sehr einfach zu bedienen, bietet aber auch dem geneigten Sounddesigner durch das teilweise modulare Konzept genügend Potenzial für weitere klangliche Expeditionen. Während des Tests lief das Plug-in sehr stabil, etwaige Audioaussetzer waren ebenfalls nicht zu verzeichnen. Aufgrund der sehr großen Samplebibliothek ist jedoch ein performanter Rechner mit viel Arbeitsspeicher sowie einer schnellen Festplatte oder einem SSD-Laufwerk empfehlenswert.

Testergebnis
ProduktnameSpectrasonics Trilian
HerstellerSpectrasonics
Preis229 €
Webseitespectrasonics.net
Pro
  • sehr gute Klangqualität
  • intuitiv zu bedienen
  • umfangreiche Sample-Bibliothek
  • sehr authentische Samples
  • studiotaugliche Effekte
  • achtfacher Multimodus
  • hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • „Round Robin“-Funktion ausbaufähig
  • noch keine 64-Bit-Version für Mac OS X
  • Handbuch muss heruntergeladen werden
  • aufwändige Installation
Bewertung
1,5sehr gut

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