Sounddesigner: Mark Grey

Unsichtbares Wirken

Beat / Wie schwierig ist es, darauf achten zu müssen, dass jeder Besucher das gesamte Klangerlebnis mitbekommt?

Mark / Je unsichtbarer mein Sounddesign sowohl in akustischer, visueller als auch konzeptueller Hinsicht ist, umso mehr empfinde ich, dass ich meine Aufgabe zufriedenstellend gelöst habe. Wenn du für Opern und Konzerte arbeitest, musst du bescheiden veranlagt sein: Du musst immer daran denken, dass es da draußen sehr ernste Gegner deiner Arbeit gibt, nämlich Puristen, die den neuen Technologien stets kritisch gegenüberstehen. Als ich zum Beispiel 2002 in der Royal Albert Hall in London arbeitete, standen während der gesamten Show zwei Besucher vor mir, lehnten an meiner Konsole und sahen sich an, was ich tat. Jedes Mal, wenn ich in ihre Richtung sah, zuckten sie mit den Achseln und machten verärgerte Geräusche. Da musst du schon eine sehr starke Zuversicht in deine musikalischen Fähigkeiten haben.

Beat / Man arbeitet in der modernen Oper ja mit sehr vielen verschiedenen Parametern gleichzeitig. Ist deine Arbeit damit in gewisser Hinsicht die progressivste und komplexeste Form des Sounddesigns?

Mark / Meiner Ansicht nach sind alle Bereiche des Sounddesigns gleichermaßen progressiv und komplex, egal ob es sich dabei um Studioarbeit oder Konzertproduktionen handelt – alle haben ihre Vor- und Nachteile. Wenn ich live Surroundsound verwende, gleiche ich normalerweise die Beziehung zwischen den Lautsprechergruppen an. Dafür verwende ich Sonic-Image-Lokalisation und hochwertige Reverbs. Ich kann beispielsweise eine Sopranstimme unter Verwendung von Frontfills – das sind die Lautsprecher für die vordersten Reihen in der Oper – in das Zentrum legen. Dafür verwende ich die linken und rechten Hauptkanäle und Surroundlautsprecher, um das Klangbild tiefer in das Auditorium zu drücken. In diesem Fall würde ich vielleicht das Signal von dem schnurlosen Sopranmikrofon an die Frontfills schicken, wobei jeder Frontfill seine eigenen individuellen EQs und Delays besitzt und somit seine Parameter mit einem Computer oder MIDI-Controller in Echtzeit verändert werden können, um das Bild über die Bühne wandern zu lassen. Dann lege ich ein Delay auf die linken und rechten Hauptlautsprecher und reduziere die hohen Frequenzen. Das bedeutet konkret, dass du auf den Frontfills das gesamte Spektrum hörst, aber die linken und rechten Mains in den Höhen ganz leicht gedämpft sind. Somit kannst du die Anlage lauter aufdrehen, weil das Ohr der Verständlichkeit der Frontfills folgt und nicht den Mains. Ich nenne dieses Konzept „umgedrehte Center-Cluster“: Wenn es kein physisches Center-Cluster gibt, sorgen die Frontfills für das Bühnenklangbild und die Mains vertiefen den Klang. Um auf unser Beispiel zurückzukommen, lege ich ordentlich Reverb auf die Surroundlautsprecher, die für die Sinnverständlichkeit nicht so wichtig sind. Der Klang entwickelt sich akustisch zunächst beim Sopran auf der Bühne. Danach bewegen ihn die Frontfills nach vorn und durchdringen den Orchesterklang. Die Mains vertiefen ihn noch mehr, bis er am Ende über die gesamte Länge des Hauses in den Surrounds noch voller wird. Das Publikum spürt den Klang des Soprans überall um sich herum. Dadurch wird die Bühnenpräsenz intimer und die Klangquelle scheint immer von der Bühne zu kommen.

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