Perverse Freuden

Future Pop: Covenant

Album „Leaving Babylon“ verbindet sich scheinbar nicht Zusammengehörendes zu einem stimmigen, bittersüßen Klangtrip. Den Nährboden für das Werk bot erneut das einzigartige eigene Studio – die beiden Gründungsmitglieder Eskil Simonsson und Joakim Montelius gewährten der Beat Einlass.von Tobias Fischer

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Mit krachenden Staccato-Synths hebt die Reise an, nimmt mit barocken Cembaloläufen Fahrt auf, gleitet über hypnotisch-technoide Trance-Beats und experimentelle Klangcollagen und mündet schließlich in einem zehnminütigen, schwelenden Zeitlupen-Techno-Track. Angesichts einer solchen stilistischen Freiheit scheint es mehr als offensichtlich, dass Songwriting und Sounddesign bei Covenant eng verbunden sind. In ihrem engen, aber intimen Studio in Helsingborg gaben Eskil und Joakim gerne Auskunft über die Details hinter diesem Ansatz.

Beat / Was für ein Sound schwebte euch diesmal konkret vor?

Eskil / Ich wollte, dass das Album eine Menge Persönlichkeit bekommt, auch wenn die Vocals dabei schlecht klingen oder nicht ganz in der richtigen Tonlage liegen. Die Einstellung war das Wichtigste. Mir ging es um einen intuitiven Auswahlprozess, so, als ob man ganz zuversichtlich mit geschlossenen Augen Auto fährt.

Joakim / Für die „Last Dance“-EP, die dem Album vorangegangen ist, hatten wir die Idee, dass jedes Bandmitglied einen Song beisteuert, um das aktuelle Line-up vorzustellen. Und wir wollten außerdem, dass die EP die verschiedenen Facetten von Covenant abdeckt. Die Band war schon immer ein seltsames Mosaik und manchen Leuten wird diese Vielseitigkeit nie gefallen. Aus unserer Sicht aber ist die Bereitschaft, uns zu entwickeln, unsere Neugier und Zweideutigkeit die Kraft, die uns seit fast 20 Jahre vorantreibt. Letztendlich wird alles von Eskils Stimme und unseren langfristigen Präferenzen zusammengehalten.

Beat / Was waren die Herausforderungen für „Leaving Babylon“?

Eskil / Die Herausforderung ist immer die gleiche: Unsere Angst zu überwinden und uns zu verändern, ohne dabei unsere Stärken zu verlieren. Wir wollten schließlich schon immer Pop-Musik machen – aber rasiermesserscharfe. Die meisten Demos entstehen aus einer intuitiven klanglichen Idee oder Melodie. Manchmal sampeln wir etwas Cooles oder spielen damit herum, bis es groovt. Manchmal wache ich auch mit einer Melodie im Kopf auf. Dann nehme ich sie sofort auf, auch wenn ich noch meinen Pyjama trage.

Joakim / Ich mache niemals traditionelle Demos. Stattdessen arbeite ich mit einem Fragment, einem Beat oder Text, die als Basis für etwas Größeres verwendet werden könnten. Weil wir so unterschiedlich arbeiten, sind Kompromisse unvermeidbar, Konflikte ebenfalls. Aber das Endergebnis ist immer noch mehr als die Summer der einzelnen Teile. Und wenn es großartig ist, bin ich bereit, dafür viele fehlgeschlagene Versuche zu akzeptieren.

Investitionen

Beat / Wie sehr baut ihr euer Studio aus?

Eskil / Immer, wenn wir ein neues Projekt angehen, investieren wir in ein neues Gerät. Das ist für uns so etwas wie ein Talisman und bringt ein wenig positives Chaos in den Prozess ein. Viele Ideen und sogar ganze Songs sind dabei entstanden, dass wir versucht haben, neues Equipment zu verstehen. Joakim kümmert sich nicht um die Bedienungsanleitung und geht gleich zur Sache. Ich wiederum lese sie komplett durch, bevor ich ein Instrument auch nur einschalte. Wenn „Leaving Babylon“ ein Erfolg wird, kann ich mir vielleicht einen Prophet-12 gönnen …

Joakim / Ich schreibe regelmäßig Equipment-Reviews für schwedische Magazine ähnlich der Beat. Das bedeutet, dass ich oft neue Geräte zum Testen geschickt bekomme. Wenn ich glaube, dass sie unserem Studio etwas hinzufügen, schlage ich sie Eskil vor. So haben wir uns beispielsweise für den DSI Evolver, den Mopho oder Korg Monotribe entschieden: kleine, günstige Produkte, die uns wirklich nach vorne gebracht haben. Für größere Investitionen ist uns heute unser Geld zu lieb.

Beat / Was bedeutet euch das Studio im kreativen Prozess?

Eskil / Wir haben hier praktisch die gesamte Musik für das aktuelle Album geschrieben. Seitdem wir wieder alle in Schweden wohnen, ist das Studio unser Spielplatz. Hier experimentieren wir, sammeln Ideen und nehmen Demos sowie fertige Songs auf. Die Musik ist oft das Ergebnis von Zufällen und die entstehen am ehesten, wenn ich ganz in der Studioarbeit aufgehe.

Joakim / Es gab mal eine Zeit in den frühen Tagen elektronischer Musik, als Komponisten das Studio selbst als ein Instrument betrachteten. Klar ist das ein Klischee, aber da ist immer noch was dran. Wie man sein Equipment anordnet, wie man die Geräte miteinander verbindet, wie Prozessoren in die Signalkette eingefügt werden, wie man Aufnahmen realisiert … das kann man schon mit dem Bauen eines Instruments vergleichen. Unser Studio mag zwar keine Stradivari sein. Aber mit einer Stradivari kannst du auch nicht die Klänge erzeugen, die wir in unserem Studio entwickeln.

Beat / Analoge Geräte scheinen euch ganz besonders wichtig zu sein. Wie viel Zeit investiert ihr, um sie in Schuss und gestimmt zu halten?

Eskil / Mir gefällt gerade der Klang von Equipment, das nicht ganz gestimmt ist, mit dem irgendwie etwas nicht stimmt. Mir gefallen sogar der Geruch und die Haptik. Das kannst du immer noch nicht mit einem Computer simulieren.

Joakim / Wir sind auch wirklich schlecht darin, alles in Schuss zu halten. Aber wie Eskil schon erwähnte, finden wir das seltsame Verhalten vieler Instrumente charmant. Unser Roland ProMars und Jupiter-4 sind total unzuverlässig und sie hören sich jedes Mal anders an, wenn du einen Knopf drehst oder eine Taste drückst. Aber die Klänge sind einfach wunderbar.

Beat / Wie steht ihr dem Analog-Revival bei Depeche Mode und Nine Inch Nails gegenüber?

Joakim / Ich weiß nicht, ob das wirklich ein Trend ist. Viele der alteingesessenen Bands wie Depeche Mode, Nine Inch Nails oder Covenant haben nie damit aufgehört, analoges Equipment zu verwenden. Es sind doch eher die jungen Produzenten, die mit halblegaler Software und Laptops angefangen haben, die jetzt entdecken, dass physische Produkte eine Persönlichkeit haben. Ich würde auch nicht von einer Renaissance sprechen. Es gibt so viele Hersteller, wie noch nie, und die Preise purzeln. Wir befinden uns vielmehr auf dem Höhepunkt analoger Technologie.

Beat / Was waren die wichtigsten Instrumente und Tools für „Leaving Babylon“?

Eskil / Wir verwenden Steinberg Cubase, um unsere Musik aufzunehmen und zu arrangieren. Das DAW-Interface ist dabei ein versteckter Einfluss auf den Schöpfungsprozess und das klangliche Ergebnis von elektronischer Musik. Wir haben das auf unserem „Sequencer“-Album erkundet und du kannst auch erkennen, ob ein Künstler Ableton Live oder eine echte Drum Machine verwendet hat. Keine der Alternativen ist grundsätzlich besser oder schlechter, sie verändern aber das Ergebnis. Wir haben über 100 Instrumente in unserem Studio. Manche davon verwenden wir gar nicht, während FS1R, Pro-One und Minimoog praktisch auf jedem Song vorkommen. Das wichtigste Instrument ist aber wahrscheinlich das Soundelux Elux-251-Mikrofon mit dem Universal Audio-6176-Vorverstärker/Channel-Strip. Damit kommen die Vocals so gut zur Geltung wie mit keinem anderen Mikro.

Joakim / Ich glaube an das Vermischen verschiedener Technologien und bin ein großer Fan von schrulligen digitalen Tools. Sachen, die eigentlich physikalisch unmögliche Akustiken bieten oder Fehler als Klangerzeugungsmöglichkeiten nutzen. Ich lasse gerne einen MS-20 durch ein billiges, digitales Achtzigerjahre-Gitarren-Multi-Effektgerät laufen, um ihn noch mehr aufzurauen. Wenn alles kristallklar, klassisch und sauber klingt, ist es doch langweilig.

Beat / Inmitten all der tollen Synths steht ein einsamer Laptop. Was macht ihr eigentlich damit?

Joakim / Er ist wirklich altertümlich und ich übernehme dafür keinerlei Verantwortung.

Eskil / Er ist schon zehn Jahre alt und wir haben ihn schon für drei Alben verwendet. Er ist unverwüstlich und läuft noch immer so genau wie eine Schweizer Uhr. Wir lassen darauf Steinberg Cubase SX3 laufen, um die Songs aufzunehmen und zu arrangieren. Für Effekte, EQs und Kompression verwenden wir ein TC-PowerCore-Rack. Wir mögen es, wenn Sounds durch ein analoges Medium wandern und atmen. Sogar wenn wir ein VSTi nutzen, lassen wir das Signal durch einen MS-20 oder Space-Echo laufen.

Joakim / Ich habe einen modernen Computer. Der ist nur sechs Jahre alt und kann auch zeitgemäße Software abspielen. Zumindest ein Programm gleichzeitig (lacht). Als Plattform liebe ich Ableton Live. Und ich mag auch, was SoundToys, Softube, Nomad Factory, Waves, IK Multimedia, Valhalla, iZotope und andere Hersteller mit dem Format machen. Damit kommen sie nach dem Universal Audio UAD2 in Sachen Prozessoren schon sehr nahe an die Magie von Hardware heran. Aber ich muss auch zugeben, dass es mir eine fast schon perverse Freude bereitet, mit Eskils Computer zu arbeiten. Der Sprung von einem Laptop anno 2003 zu einem von heute ist astronomisch und es ist sehr zufriedenstellend, so ein altes System als Herzstück des Studios zu betreiben. Weil es beweist, dass du Musik machen kannst, ohne dass du ständig updaten, die Software wechseln oder dir aktuelle Plug-ins besorgen musst. Es bedeutet, dass man sich eine stabile Arbeitsumgebung schaffen und sie danach so lassen kann, wie sie ist. Und dann kannst du dich auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist.

www.covenant.se | www.dependent.de

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