Gemeinhin gilt der Grundsatz, dass Erfolg einem recht gibt. Nur in der Musikbranche macht er einen verdächtig. Nach der Kino-Sensation von „Berlin Calling“ und 140.000 verkaufter Einheiten des Soundtracks sahen plötzlich alle hinter der Karriere von Paul Kalkbrenner einen eiskalten Masterplan, galt seine Musik als Mainstream, die anschließende Tour als Kalkül. Dass man Parallelen zwischen Kalbrenners Person und seinem cineastischen Pendant Ickarus, einem notorischen Pendler zwischen Genialität und Absturz, ziehen würde, war nicht nur von Anfang an klar, sondern zumindest teilweise sogar gewollt; dass der Film geschickt zwischen Kunst und Realität navigierte, sicherlich ein maßgeblicher Grund für seine Wirkung. Doch wurde all zu oft übersehen, dass Kalkbrenner hier durchaus nicht klischeehaft im Rampenlicht stand. Genau wie alle anderen Personen in Hannes Stöhrs Streifen wurde auch er hinweggefegt von dem Strudel der Geschichte, dem Rausch der Bilder, dem Mantra des Klangs und dem Sog der Musik – dem eigentlichen Star der Story. Es passt in diesem Zusammenhang, dass die Tour-DVD im Netz bereits zu einem Zeitpunkt als reine Marketing-Aktion gewertet wurde, als sie noch nicht einmal erhältlich war. Manche der Angriffe lassen sich indes auch ohne die dazugehörigen Bilder entkräften: Dass Kalkbrenner beispielsweise vornehmlich Stücke des Soundtracks spielte – ein Vorwurf, dem sich ein Bruce Springsteen wohl kaum ausgesetzt sähe – war kein Indiz künstlerischer Leere, sondern gerade eine jener Qualitäten, die den gebürtigen Leipziger von Anfang an ausgezeichnet haben: Als einer der Pioniere der Szene vermittelte Kalkbrenner Techno in den Neunzigern Glaubwürdigkeit, indem er gezielt die Grenzen zwischen DJ-Set und Live-Konzert aufweichte und die Polarität zwischen Track und Komposition aufhob. Natürlich wird „A Live Documentary“ die Zweifler nicht zu Fans bekehren. Doch Glorifizierung oder Statements für die Ewigkeit lagen Regisseur Max Penzel und Hannes Stöhr, der hier für die Dramaturgie verantwortlich war, ohnehin fern. Oder, wie Manager Marcus Ruschmeyer es ausdrückt: „Primär ging es uns darum, die Atmosphäre der Konzerte so ‚echt’ wie möglich abzubilden. Wir wollten kein Kunstwerk, das am Ende keiner versteht oder alle langweilt. Wir wollten kurzweilige, aber dennoch nicht seichte Unterhaltung schaffen.“ Die kritischen Fragen bleiben in dem Film ganz bewusst aus, denn, so Ruschmeyer, die wolle man den Journalisten überlassen. Na dann mal los ...
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