Laut dem Journalisten Trent Lapinski handelte es sich bei eUniverse sowie ihrer Mutterfirma Intermix im weitesten Sinne um Firmen, die sich mit Spam beschäftigten und deren Mitarbeiter unzählige E-Mail-Adressen, sprich direkte Kontakte aus ihren Tätigkeiten mit einbrachten. Die natürlichen Partner dieser Leute waren niemals Künstler oder kleine Leute, sondern vielmehr riesige Geschäftskonglomerate, die sich nach dem verlorengegangen und einst so übersichtlichen Massenmarketing der Achtzigerjahre sehnten. Man muss sich nicht darüber wundern, wenn einem heute auf MySpace Pop-Ups, Banner und quer über den Bildschirm rasenden Filmtrailer entgegenschlagen. Denn der originäre Grund für die Gründung der Seite, so Lapinski, besteht genau darin, diesen Werbemedien eine Plattform zu bieten. Und dass die „User Experience“, wie es wohl Jason Brush ausdrücken würde, zu wünschen lässt, kann man schlicht darauf zurückführen, dass keiner der Verantwortlichen mit Nutzern im eigentlichen Sinn des Wortes je Erfahrungen gemacht hatte.
Nun können auch aus zwielichtigen Geschäftsgebaren aufschlussreiche Erkenntnisse erwachsen und im Fall von MySpace trifft dies auf jeden Fall zu. Man muss der Seite attestieren, dass es ihr als eine der wenigen gelungen ist, auf einem hart umkämpften Markt im Netz Geld zu verdienen. 2006, am Höhepunkt des eigenen Erfolgs angelangt, vereinbarte man mit dem Suchmaschinengiganten Google ein Abkommen, dass MySpace für die nächsten vier Jahre ein gesichertes Einkommen von 900 Millionen Dollar garantierte. Als Rupert Murdochs NewsCorp 2008 das Unternehmen für 580 Millionen Dollar aufkaufte, schien der britische Medienmogul nach praktisch einhelliger Meinung damit einen Treffer gelandet zu haben: In einem Universum aus zersplitterten Plattformen und Blogs gab die Integration von Nachrichten und Entertainment auf einer zentralen Basis unter Einbeziehung einer Social-Media-Komponente ein starkes Bild ab. Und auch wenn sich die Lage seitdem drastisch geändert hat, man praktisch das gesamte Personal des chinesischen Ablegers und im Januar 2011 die Hälfte der amerikanischen und deutschen Gesamtbelegschaft entließ, wurde der Google-Deal, wenngleich unter (sehr wahrscheinlich) weniger günstigen Konditionen verlängert. Damit stellt MySpace nicht nur im Hinblick auf seine Beziehung zu den eigenen Nutzern einen Gegenentwurf zu Facebook dar. Denn während Mark Zuckerberg stets die Parole ausgegeben hat, um jeden Preis Mitglieder gewinnen zu wollen, suggeriert der finanzielle Erfolg und imagetechnische Absturz von MySpace, dass irgendwo in der Balance zwischen ungezügeltem Wachstum und einer soliden finanziellen Basis das funktionierende Geschäftsmodell der Zukunft liegt.
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