Während Techno in Deutschland zu einem Massenphänomen aufsteigt, bleibt die Musik zuhause in den USA im Untergrund stecken. David Day, umtriebiger Partypromoter in Boston und eine der Hauptpersonen in Ex-Ehefrau Amy Grills Dokumentation „Speaking in Code“, wird von den meisten seiner Freunde und Kollegen aufgrund seiner Leidenschaft für elektronische Musik eher belächelt. Weil Grill für ihren Film die Unterstützung des führenden Journalisten Philip Sherburne gewinnen konnte und praktisch mit jedem ein Gespräch führte, der in der Community etwas auf sich hält, galt ihr Projekt drei Jahre lang als das heißeste Eisen in der Szene. Doch zum Glück ist daraus letztendlich das genaue Gegenteil eines Spektakels geworden und vielmehr ein intimer und sanfter Blick auf die Menschen hinter der oft schillernden und unpersönlichen Oberfläche.
Grill beobachtet dabei Musiker auf beiden Seiten des Atlantiks: die unwiderstehlichen Jenaer Wighnomy Brothers, die rotzig-charmanten Modeselektor, das Ableton- und Monolake-Genie Robert Henke sowie den genannten David Day als Dreh- und Angelpunkt der Bostoner Techno-Gemeinde. Die glorreichen, ekstatischen Momente im Club nehmen dabei immer nur wenige Sekunden ein, die Schwierigkeiten und Rückschläge abseits der DJ-Kanzel rücken in den Vordergrund. Wighnomy-Bruder Gabor Schablitzki muss sich, von dem Stress und den Anforderungen des Erfolgs überwältigt, eine Auszeit nehmen und wird vom Arzt dringend aufgefordert, seinen Vodkakonsum zu reduzieren. Modeselektor erzählen davon, wie sie zeitweise nicht genug Geld für Essen und Miete aufbringen konnten. Und das Kreditkartenguthaben von Grill und David Day kippt immer mehr in den roten Bereich. Doch es gibt auch die entscheidenden kleinen Momente des Glücks. Allein schon Days breites, schüchternes Lächeln, als er durch die heiligen Hallen des Kölner Kompakt-Shops geführt wird, sind den Kauf der DVD wert.
Mit „Speaking in Code“ hat der „High Tech Soul“ des Techno eine natürliche Schleife beschrieben: Nach den familiären Anfängen und den Superstar-Exzessen der späten Neunziger geht der Blick nun wieder nach innen, richtet sich aufs Kleine und die Details. Doch auch wenn die Phase der explosiven Revolution vorbei scheint: Die Reise geht weiter und der Beat wird niemals enden.
von Tobias Fischer
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