Warum Detroit? Es ist und bleibt das große Mysterium des Techno, dass diese elektrisierende und euphorische Musik ausgerechnet in einer ausgebluteten Metropole geboren wurde, die wie keine zweite für den systematischen Rückzug einer einstmals lebendigen Innenstadt in gleichgeschaltete Vorort-Monokulturen steht. High Tech Soul trägt das Seinige zu einer Aufklärung bei und verweist dazu auch auf den Zusammenhang zwischen Architektur und Musik: Für drei Millionen Einwohner konzipiert, leben in Detroit heute gerade 900.000 Menschen und verleihen der Stadt ein ebenso weitläufiges wie gespenstisches Antlitz. Gerade die Löcher in den Fassaden, das Leerstehende und Lähmende wurde zum Auslöser für Gestaltungswillen, Wiederbelebung und klangliche Untermalung.
Vor allem aber ist High Tech Soul die Geschichte einer großen Freundschaft. Die Koordinaten sind bekannt: Juan Atkins, Derek May und Kevin Saunderson treffen sich auf der Belleville High, inspirieren sich gegenseitig zum Musikmachen und treten mit damals billigstem Equipment eine musikalische Revolution los, deren langer Atem sich als einflussreicher erweisen wird als der des Punk. Glücklicherweise aber versucht Gary Bredows Dokumentation nicht, die Entwicklung von Techno historisch aufzuarbeiten und penibel nachzuvollziehen, sondern widmet sich ganz dem Kosmos aus persönlichen Verbindungen, Verstrickungen und Verirrungen. Zielsicher bewegt sich Bredow von Gemeinsamkeiten zu Differenzen und illustriert die immer tieferen Spannungsfelder zwischen den Protagonisten: wie Atkins mit seinem Titel „Techno City“ auf der Compilation „The New Dance Sound of Detroit“ dem Kind einen Namen gibt und das „Music Institute“, ein schmuckloser dunkler Club mit einem Stroboskop, sich zum Zentrum ihres Lebens enwickelt, bis May schließlich als Erster nach London fliegt und sich die Türen zum Ruhm öffnen. High Tech Soul ist keine Hochglanzproduktion, aber eine, die ein sehr dichtes und direktes Bild von Charakteren zeichnet, die heute als lebende Legenden gelten. Klar wird aber auch, warum der Pioniergeist der Detroiter Szene, zu der auch die ebenfalls vertretenen Blake Baxter und Anthony „Shake“ Shakir gehören, letztendlich recht bald der Vorreiterstellung von Berlin weichen musste: Der Techno von Detroit war die Musik einer kleinen eingeschworenen Clique und als solches nicht auf die bald einsetzende Reise rund um die Welt vorbereitet.
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