Ein erstklassiges Kreativwerkzeug

Test: Niio Analog Track Thickener

Dass Lautheit und Druck letztlich nicht der allein seligmachende Weg zu einer präsenten Produktion ist, hat sich auch bei Danceproduzenten mittlerweile herumgesprochen. Definition ist das Geheimnis wuchtiger Tracks – eine Kunst, die der Track Thickener bis zur Perfektion zu beherrschen scheint.

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Der in unseren Breiten noch nahezu unbekannte amerikanische Hersteller Niio Analog entwickelt recht ungewöhnliche Werkzeuge zum kreativen Verbiegen und Bearbeiten von Audiosignalen. Nach dem Dualfilter „Iotine Core“ schickt das Team aus Sunnyvale nun den Track Thickener ins Rennen. Ist das die neue Geheimwaffe auf der Jagd nach noch mehr Wumms?

Architektur

Der Signalpfad des Track Thickener besteht aus insgesamt vier analogen Bearbeitungsstufen, die mit einem Stereo- oder Monosignal beschickt werden können. Rückseitig besitzt das Gerät dafür lediglich einen symmetrischen Klinkeneingang sowie eine Buchse für den externen Trigger. Weil alle Baugruppen doppelt vorhanden sind, kann man im Monobetrieb den linken Ausgang mit dem rechten Eingang verbinden und dadurch die Intensität der Bearbeitung noch erhöhen. Ein Blick ins Innere des Geräts offenbart das Geheimnis des fetten Klangs: Filterschaltungen, Diodenkompressor, Waveshaper, Overdrive, Hüllkurven, Equalizer. Wohin man auch schaut, findet man diskret aufgebaute Analogtechnik vom Feinsten.

Sättigungsstufen

Herzstück des Track Thickener ist zweifellos seine kombinierte Filter-Verzerrerstufe. Hier hat der Anwender gleich zu Beginn des Signalflusses ein flexibles Hoch- oder Tiefpassfilter zur Verfügung, das dank Crossover-Funktion sogar parallel betrieben werden kann. Mithilfe eines Umschalters und des Dry-Mix-Reglers lassen sich hohe oder tiefe Frequenzanteile in die Sättigungsstufe leiten; das jeweils komplementäre Frequenzband wird auf Wunsch „trocken“ zugemischt.

Die eigentliche kreative Klangformung erfolgt in der Sättigungsstufe, die fünf verschiedene Möglichkeiten bietet, um Dichte, Textur, Intensität und Volumen (im Sinne von Fülle) des Sounds zu transformieren. Typ 1 ist ein einfacher Diodenkompressor, der sehr hart die Signaldynamik begrenzt und einen leicht angezerrten, spürbar verdichteten Klang produziert. Typ 2 begradigt einfach die halbe Wellenform, was einerseits zu kräftigen Obertönen führt, dem Signal aber auch überraschend viel Kraft und Druck verleiht. Ähnlich verhält es sich mit Typ 3, der die Wellenformen aufeinander faltet. Auch hier ändert sich die harmonische Struktur, und ein kurzer Dreh am Drive-Regler sorgt für mehr Fülle.

Ganz anders arbeitet der lineare Verstärker des Typs 4, der zwar ebenfalls den Klang andickt, dabei aber wesentlich direkter und brachialer zu Werke geht, als seine vergleichsweise harmlosen Kollegen. Leuchtet hingegen die rote Status-LED des Typs 5, hört man den unverkennbaren Sound eines Overdrive-Effekts, wie man ihn aus vielen Gitarren-Bodenpedalen gewohnt ist. Klanglich stellt das freilich die Obergrenze des Möglichen dar, alle anderen Einstellungen bewegen sich mehr oder weniger subtil darunter. Hoffnungslos übersteuerte Verzerrungen hat der Track Thickener hingegen nicht zu bieten, denn der Entwickler hat penibel auf einen harmonischen Gesamtklang geachtet.

Hüllkurven

Die dritte Bearbeitungsstufe im Signalfluss ist eine Lautstärkehüllkurve nach bewährtem Attack-Release-Schema. Die Parameter „Threshold“ und „Depth“ bestimmen dabei die Intensität der Bearbeitung, die Zeitkonstanten steuern die Ein- und Ausschwingphase. Durch eine Veränderung der Releasezeit lässt sich beispielsweise ein Drum- oder Bassloop knackiger oder weicher drehen. Ein verlängerter Attack sorgt hingegen auch bei statischen Loops für ein charmantes Laid-Back-Gefühl. Auch die Hüllkurve kann durch einen einfachen Tastendruck mit den komplementären Klanganteilen aus dem Filter umgangen werden. Für noch mehr Bewegung sorgt der externe Triggereingang, durch den Trancegate-Effekte oder beliebige Formen rhythmischen Zerhackens möglich werden.

Analog-EQ

Den Abschluss der Signalkette bildet ein passiver, analoger Equalizer aus je einem Tief- und Hochpass in den Seitenbändern sowie zwei Glockenfiltern mit dreistufiger Mittenfrequenz. Während die Seitenfilter das Frequenzband lediglich beschneiden können, sorgen die beiden Booster für harmonische Frequenzkorrekturen und einen fülligeren Gesamtklang.

Fazit

Oh mein Gott, es lebt! Der Track Thickener ist ein erstklassiges Kreativwerkzeug und zweifellos eine Bereicherung für alle Arten elektronischer Musik. Ein kleiner Dreh hier oder ein Tastendruck dort verleiht Einzelspuren oder Subgruppen im Mix hörbar mehr Lebendigkeit, Dichte und Volumen. Hinzu kommt der wirklich großartige Klang gutmütiger Analogschaltungen, die man auch gern fester anpacken darf. Die kleine Kiste klingt dabei längst nicht so grob, wie man vermuten mag, sondern sorgt auf subtile Weise für Druck, Fülle und Definition. Mit einem Wort: super!

Testergebnis
ProduktnameTrack Thickener
HerstellerNiio Analog
Vertrieb: schneidersbuero.de
Preis859 €
Webseiteniioanalog.com
Pro
  • warmer Analogklang
  • kreative Bearbeitungsfunktionen
  • fünf Sättigungstypen
  • Analogfilter
  • Equalizer
Bewertung
1sehr gut

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