Die Tränen jedoch trockneten rasch. Denn nur wenige Monate nach dem Umzug fanden sie dann bereits statt, die Partys von morgen. In der neuen Location an der Münchner Sonnenstraße war ein neuer Club entstanden, der die Traditionsmarke Harry Klein respektvoll fortführte, aber auch ebenso dezent wie durchsetzungskräftig auf den neusten Stand brachte – und von der örtlichen Presse, dem Stammpublikum sowie einer Menge Frischlingen begeistert gefeiert wurde. Dafür gab es auch gute Gründe: Im Gegensatz zu vielen Zwangsumzügen war die Neuverortung des Harry Kleins eine bewusste Entscheidung, die für alle Beteiligten zum richtigen Augenblick kam und vornehmlich dem zweifelhaften Ruf des Optimol-Geländes, eines großflächigen Party-Zentrums in der Nähe des Ostbahnhofs, geschuldet war. Während man den 2003 erfolgten Ortswechsel des legendären Ultraschalls gezielt mit einem Namens- und Konzeptwandel verband, war das Kapitel Harry Klein diesmal gefühlsmäßig noch lange nicht abgeschlossen: „Auch ein Club kann zu sich zu einer Institution entwickeln und ist nicht zwingend an einen Ort gebunden“, so Piechula, „Ganz klar spielt die Nähe zu unseren Gästen und das dadurch entstehende Gemeinschaftsgefühl eine große Rolle. Die Leidenschaft für die Musik verbindet außerdem, und so versuchen wir für unser Publikum greifbar und erreichbar zu sein, nicht zuletzt über Facebook oder andere Online-Medien.“
Dass der Neuanfang so reibungslos über die Bühne ging, ist aber nicht nur auf die vielfach gerühmten Community zurückzuführen, die bei einem – Nomen est Omen – so kleinen Club wie dem Harry’s notgedrungen immer etwas enger zusammenrückt als bei einer anonymen Großraumdisko. Der größte Unterschied zwischen dem alten und neuen Harry Klein liegt vielmehr in der klanglichen Architektur begründet, in einer Bauweise, die selbst den altehrenwerten Tresor wie ein japanisches Papierhaus erscheinen lässt: Eine 24 Zentimeter dicke Stahlbetonwand schirmt die Geräusche der Location vor den direkt angrenzenden Gebäuden in der Innenstadt ab und schafft dabei zugleich eine Atmosphäre der Intimität und des uboothaften Abgeschottetseins vor der Außenwelt. Als Zeit-Reporter Christian Kortmann neulich zu Besuch war, eröffnete sich ihm zudem eine unerwartete, dafür aber umso beeindruckendere Nebenwirkung: Der derart schallgedämpfte Raum wird durch die markerschütternden Bässe in eine schwindelig machende Eigenvibration versetzt, bei der das gesamte Harry Klein wie ein Würfel in einem Würfelbecher durchgeschüttelt und die Energie des Tanzens direkt in den Raum reflektiert wird. Die Vision von Techno und House als ein den ganzen Körper erfassendes und ihn geradezu auslöschendes metaphysisches Ereignis – hier wird sie wahr.
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