Clubreport: Fusion

Lokalpatrioten

Warum also haben die Jugendfreunde Thomas Pieper und Christof Bernard gerade hier ihren Traum von Detroit und treibenden Beats realisiert? „Weil wir Lokalpatrioten sind und die Stadt lieben“, gesteht Pieper lachend. Noch während er zur Schule geht, kommen beide bereits als Fünfzehnjährige in Kontakt mit einer aufregenden neuen Musikrichtung. Auf einer vor allem von in der Stadt stationierten US-Soldaten aus dem nahe gelegen Community-Centre frequentierten Feier legt ein DJ einen Track auf, der ihr Leben für immer verändern wird: „Rapper's Delight“ der Sugar Hill Gang. Der ursprüngliche Rock-'n'-Roll-Fan Pieper wird von diesem unglaublichen Sound glatt „weggeflasht“, rennt postwendend zum nächsten Plattenladen und deckt sich dort in den folgenden Monate ununterbrochen mit frischer Musik ein. Obwohl er von nun an für Hip-Hop lebt, ist es eine stilistisch sehr offene Zeit: „Damals hat sich alles viel mehr durchmischt. House kam aus Chicago, Techno aus Detroit und die DJs haben beides gespielt und das sogar mit Rap und Electro verquickt.“ Irgendwie gelingt es ihm, mit Cutmaster Jay und Swift zwei großartige DJs aufzutreiben und „total unprofessionell“ an immer wieder wechselnden „Off-Locations“ eigene Events zu veranstalten. Als Pieper und Bernard ihr Abitur abgelegen, sind ihre Partys immer noch am Start, doch die meisten anderen Veranstaltungen sind inzwischen zugunsten wild wuchernder Pop-Massenware von der Bildfläche verschwunden. Aus dem Widerspruch, weiter in Münster wohnen zu wollen, dort aber einer zunehmenden Verarmung der Clubszene zusehen zu müssen, entsteht das dringende Bedürfnis nach einer eigenen Homebase.

Den idealen Ort zur Verwirklichung ihrer Vision finden die beiden Freunde in einem leerstehenden Lagerhaus, das in grauer Vorzeit einmal von dem Lackgiganten Brillux angemietet worden war. Es ist nicht leicht, die Getränkeindustrie davon zu überzeugen, in dem konservativen, traditionsverliebten und zudem noch katholischen Städtchen Unsummen an Investitionskapital in einen dunklen und komplett renovierungsbedürftigen Laden zu stecken, der sich einer Musikrichtung widmen will, die noch nicht einmal ein Jahrzehnt auf dem Buckel hat. Trotzdem gelingt ihnen der Coup: Nach fünfmonatiger Umbauarbeit, während der sie nebenbei studieren und verschiedensten Jobs nachgehen, eröffnen sie das Dockland, einen der ersten deutschen Clubs, der sich ausschließlich auf Hip-Hop und House konzentriert. Der legendäre Wu Tang Clan wird hier auftreten sowie mit Grandmaster Flash, MC Lyte und Common einige Altmeister der Community. Doch gehört der Samstag ganz der House-Musik, hier legen Roger Sanchez und Eric Morillo bis in die frühen Morgenstunden auf und tauchen die Besucher in einen kollektiven Freudentaumel.

Das Fusion folgt nur ein paar Jahre später. Man zieht in ein alte Fabrikhalle mit einer ungewöhnlichen Architektur aus den Zwanzigerjahren, und es beginnt ein neues Kapitel, das eng mit dem heute stadtbekannten Ausgehviertel Hawerkamp verbunden ist: „Es gab damals die Autonomen, die den Hawerkamp besetzt hatten“, erinnert sich Pieper, „bei denen sind wir mit unserem Partykonzept auf offene Ohren gestoßen. Im Basement vom Fusion, das es ja immer noch gibt, haben wir dann Partys veranstaltet. An jedem ersten und dritten Wochenende des Monats haben wir dort unsere Hip-Hop-Jams gemacht, während die Veranstalter des Elevator-Mailorders am zweiten und vierten Techno-Raves organisiert haben.“ Als sich die anderen Veranstalter gegenseitig an die Gurgel gehen und schließlich im Streit ausziehen, beschließt das Team, drei Jahre nach der Eröffnung des Dockland an ihrer statt dort einen eigenen Club aufzubauen, der sich ganz auf harten Techno konzentrieren soll.

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