Die Kamera gehört nicht zu den Kernfunktionen des ersten iPhone – iPod, Telefon und Internet sind die Verkaufsargumente der ersten Stunde. Obwohl: Das Premieren-iPhone ist mit einer 2-Megapixel-Kamera ohne Autofokus ausgestattet. Die Kamera ist dabei, weil jedes halbwegs anständige Mobiltelefon seit dem Jahr 2000 mit einer digitalen Knips-Funktion ausgestattet ist. Als eine der erste Apps macht zum Beispiel Hipstamatic aus der Not eine Tugend und verwandelt das iPhone in eine Lomo-Kamera, bei der man Filme und Linse wählen kann.
Blitzstart mit dem iPhone
Der Durchbruch der „i-Fotografie“ kommt mit dem iPhone 4, das im Sommer 2010 mit einem LED-Blitz den Markt betritt. Mit der 5-Megapixel-Kamera und 720p-Videoauflösung hat man plötzlich ein anständiges Kompaktgerät in den Händen und ist zu allem Überfluss mit einer zweiten Kamera für Facetime-Videochats an der Vorderseite ausgestattet. Die neuen technischen Möglichkeiten nutzt eine App namens Instagram. Ab Oktober 2010 kann man auf dem sozialen Bilder-Netzwerk Bilder veröffentlichen, die wie die Aufnahmen aus Hipstamatic im historischen 6-mal-6-Format vorliegen. Durch diese Rückbesinnung auf das quadratische Format entsteht eine ganz eigene Bildsprache.
Anfänglich ist Instagram nur auf dem iPhone verfügbar. Mit der Android-App kommt es fast zum Plattform-„Klassenkampf“ zwischen #teamiphone und den Neulingen. Im zweiten Jahr des Bestehens kauft Facebook Instagram, weil Wachstum und Interaktionen auf der Bilderplattform intensiver sind als auf den Servern im sozialen Netzwerk.
Viele Kameras ändern das Spiel
Das iPhone verändert aber nicht nur die Art, wie und wo wir Fotos machen, sondern auch wie wir Bilder wahrnehmen und wo wir sie betrachten. Die Kamera des iPhone beeinflusst sogar unser Verhalten – die Stichworte lauten Bildersturm, Selfie und Always-on. Smartphones wie das iPhone verdrängen die Kompaktkamera, die man bewusst zusätzlich einstecken muss – das Telefon gehört hingegen zur Grundausstattung. Man hat es inklusive Kamera einfach dabei, weil man andere Anwendungen wie Nachrichten und Navigation sowieso benötigt.
Viele Kameras ändern jedoch das Spiel – wir können jederzeit von jeder Situation ein Foto festhalten. Wenn man das eigene Verhalten beobachtet, wird man feststellen, dass man inzwischen mehr Bilder macht als als je zuvor. Bilder dienen als Notizzettel für Erinnerungen. Die Kehrseite der Allgegenwart der Kameras sieht man überall, wo viele Menschen zusammenkommen. Man kann sich sicher sein, dass irgendjemand erst einmal ein Bild macht – sozusagen als Beweisfoto für die eigene Präsenz.
Gesteigert wird der Bilderrausch auf Veranstaltungen wie etwa Konzerten. Wenn der Künstler oder Helene Fischer endlich die Bühne betritt, dann kann man sich sicher sein, dass Tausende die Hände in die Höhe recken, um ein Bild zu machen oder sogar zu filmen. Es ist gar nicht so lange her, da musste man Fotoapparate bei Konzerten abgeben. Inzwischen haben die Künstler das Recht am eigenen Bild komplett verwirkt. Sie dürfen sich freuen, wenn man bei Instagram den offiziellen Hashtag der Veranstaltung verbreitet. Viele Bilder verdrängen die Privatsphäre. Aber es gibt auch Events, da helfen viele Bilder, Betrüger zu überführen – etwa bei Volksläufen und Sportveranstaltungen, wenn Läufer das Feld verlassen, abkürzen und später wieder einsteigen, um erstaunlich ausgeruht im Ziel ankommen.
Das Selbstporträt als Bild vom eigenen Ich kann auf eine spannende Kulturgeschichte zurückblicken. Angefangen beim alttestamentarischen Bildverbot des Gottes, der den Menschen nach seinem Ebenbild schuf, stellt sich die Frage, wie Gott aussieht, eigentlich nicht. Denn es war noch nie einfacher, ein Bild von sich zu machen, und zwar am ausgestreckten Arm oder mit dem technischen Hilfsmittel des Selfie-Sticks.
Das Selfie von Oscar-Moderatorin Ellen DeGeneres markiert den Höhepunkt der Selfie-Fotografie. „Peak Selfie“ sozusagen, denn die abgelichteten Personen sind im Kontext von Film und Unterhaltung von Interesse. Dabei handelt es sich beim Selfie eigentlich um eine Veranstaltung, bei dem das Ego im Mittelpunkt steht. Für das Gruppen-Selfie müssen alle noch enger zusammenrücken als bei der gestellten Aufnahme vor der Kamera des bestellten Fotografen.
Mit Angela Merkel bricht Podolski das Eis der politischen Inszenierung, indem der Spieler seine Kanzlerin persönlich zum Selfie-Schnappschuss bittet. Ein Jahr später machen Syrien-Flüchtlinge Selfies mit der Kanzlerin. Noch ein Jahr weiter fotografieren sich Unterstützerinnen von Hillary Clinton bei einem Wahlkampfauftritt in der Selfie-Perspektive, obwohl die Absperrung gar keine persönliche Nähe zulässt. Die Kandidatin, um die es eigentlich geht, wird zum Hintergrund – zur Leinwand für das eigene Ego des Selfie-Fotografen. Genügte einst ein Bild als Beweis, dass man zu einer bestimmten Zeit am Ort der Aufnahme zugegen war, so muss sich der Fotograf inzwischen selbst am Ort des Zeitgeschehens ablichten, um den Beweis der Authentizität noch glaubhaft erbringen zu können.
Insofern wird die Fotografie wieder persönlicher. Jeder kann die Natur oder tote Gegenstände fotografieren, lebendig wird das Bild erst als Selfie, wenn der Fotograf selbst in das Motiv eintritt und sich vor die eigene Kamera stellt. Damit schwindet auch die Sicherheit, die der Fotograf hinter der Kamera genießen konnte. Gefragt ist das gesunde Selbstbewusstsein, zum eigenen Bild zu stehen.
Fünf, sechs, sieben
Entscheidend für den Erfolg des iPhone als inzwischen weltweit beliebteste Kamera sind auch die Neuerungen der hauseigenen Kamera-App durch die Weiterentwicklungen des iOS. So bringt iOS 5 für das iPhone 4s den Auslöser auf die Plus-Taste und den Schnellzugriff auf die Kamera-App per Doppelklick auf den Home-Button, wenn das iPhone gesperrt ist. Für das iPhone 5 folgt mit iOS 6 der Panorama-Modus. Mit iOS 7 für das iPhone 5s kommt die hippe Fotografie im Quadratformat in der Kamera-App an. Fortan kann man auch außerhalb von Instagram im gleichseitigen Format knipsen.
Beim iPhone 7 rühmt sich Apple, die bislang beste Kamera in einem Smartphone anzubieten: 12 Megapixel, optische Bildstabilisierung und ein Vierfach-LED-Blitz für natürliche Farben lauten die Merkmale. Sie machen bei wenig Licht dank einer Blende von ƒ/1,8 noch bessere Fotos als je zuvor. Ein von Apple entwickelter Bildsignalprozessor, der in den A10-Fusion-Chip integriert ist, unterstützt ein Objektiv mit sechs Elementen. Tone Mapping und Weißabgleich sowie Gesichtserkennung sind nur einige Operatoren, die bei jedem Foto automatisch im Hintergrund ablaufen.
Im Spitzenmodell, dem iPhone 7 Plus, berechnet Apple aus dem Bild einer zweiten Kamera mit Teleobjektiv bei Porträtfotos einen neuen Schärfentiefe-Effekt. Der Unschärfeeffekt – bekannt als Bokeh-Effekt – entsteht normalerweise bei einer Spiegelreflexkamera.
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In neue und fortschrittliche Kamerasysteme steckt Apple jede Menge Manpower. Ein Team von bis zu 800 Mitarbeitern kümmert sich um Optik, Mechanik und Bildbearbeitung sowie die Kamera-App und die Speicherung der Bilder im Fotostream auf dem Online-Speicherdienst iCloud. Der Aufwand ist hoch, und bei jeder neuen Modellgeneration hat Apple ein technisches Leckerli im Fokus: rückseitig belichteter Sensor, Infrarotfilter, Fokus-Pixel, optische Bildstabilisierung, hochauflösende Panoramen, Time-Lapse-Video, kontinuierlicher Autofokus und 240-Frames-per-Second für Zeitlupenfilme sowie 4K-Video.
Optisch kommt ein iPhone sicherlich nie an eine Spiegelreflexkamera oder ein Steadicam-System heran. Das braucht es auch gar nicht, denn schon jetzt sind mit dem iPhone die kreativen fotografischen Möglichkeiten so gut wie unerschöpflich für den Anwender, der einfach nur ein gutes Bild machen möchte.
Als Fotoapparat ist das iPhone jedem Kameragehäuse technisch überlegen. Das iPhone besitzt durch höhere Integration der Komponenten mehr Rechenleistung. Merkmale wie WLAN, GPS und Internetzugang sind selbstverständlich. Nicht zuletzt zieht man das iPhone einfach aus der Tasche, um die Kamerafunktion mit nur einem Fingerwisch mithilfe des Sperrbildschirm zu erreichen.
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Die Leute filmen ja auch so etwas wie das Silvesterfeuerwerk in Dubai, anstatt es sich in dem Moment anzuschauen. Dabei geht das Erleben völlig verloren. Wie bei dem alten Witz: "Und, wie war es im Urlaub?" "Keine Ahnung, hab die Bilder noch nicht entwickelt".
Arme Leute, die überall und jederzeit ein "Selfie" brauchen, um sich dabei zu fühlen und in zu sein.
Fertige nicht ständig Selfies an. Wozu auch? Weiß, wie ich aussehe. Aber einen Foto- / Videoapperat bzw. das iPhone ständig bei mir zu haben und damit mein Leben zu erfassen, ist trotzdem großartig. Habe zum Beispiel dank Foto und GPS Daten ein vor 5 Jahren entdecktes, aber wieder vergessenes, schönes Fleckchen in der Natur wieder aufgesucht. Viele Erinnerungen, unbezahlbar!
"...Wenn der Künstler oder Helene Fischer endlich die Bühne betritt..." Sehr schön :-)
Danke für die bewusste Trennung zwischen Künstlern und Helene Fischer :-)
Hab mich am Anfang auch über Selfies aufgeregt. Jetzt mach ich sie um mit meinem Sohn zusammen auf den Bildern zu sein, damit es auch Familienbilder mit dem Fotografen gibt