Der erste Gedanke bei Aufnahmen mit dem iPhone gilt dem Programm GarageBand, das seit Jahren unter Musikern viele Freunde gefunden hat. Mit ihm lässt sich intuitiv und rasch auch ohne andere beteiligte Instrumentalisten ein Lied erstellen. Was jedoch auf dem Mac oder dem iPad dank Maus, Trackpad und großen Bildschirmen gut funktioniert, wird selbst auf dem Display des iPhone 6 Plus deutlich kniffliger. Daher ist die Nutzung einer ganz anderen App, die nur eine einzige Fähigkeit besitzt, bei manchem Musiker weit beliebter. „Die von mir meistgenutzte App ist Sprachmemos“, erklärt der Berliner Musik-Produzent Berend Intelmann. „Ich nehme unterwegs Text- und Melodie-Ideen auf, und auch beim Komponieren ist die App sehr hilfreich, um die Strophe nicht zu vergessen, während ich mir den Refrain ausdenke.“ Er verlasse sich, so Intelmann, nur ungern auf sein Gedächtnis. In eine ähnliche Kerbe schlägt Sten Servaes, Teil der Band Klee aus Köln: „Ich nehme die normale Sprachaufnahme-Funktion des iPhone und mache nur Skizzen damit. Das reicht mir völlig aus.“ Schnell, einfach und übersichtlich müsse eine Aufnahmeanwendung für ihn sein. Dazu nutzt Servaes CX 300 II In-Ear-Kopfhörer von Sennheiser, das ist alles an Ausrüstung für unterwegs.
Etwas umfangreicher setzt der Musiker, ehemalige Radio-Moderator und Sound-Tüftler Max Spallek sein iPhone ein. Für ihn ist GarageBand durchaus eine Option und auch die App Maschine2 kommt öfter zum Einsatz, wenn er Musik, sogenannte „Trenner“ oder Soundbetten zum Beispiel für Fernsehbeiträge anfertigt. Fertigstellung und Hauptteil der Arbeit entstehe am Mac, so Spallek, „doch für Ideen und Skizzen nutze ich mein iPhone ausgiebig.“
Intelmann schätzt das iPhone nicht nur wegen seiner Vielseitigkeit und Flexibilität. „Ich mache damit gerne Probemitschnitte, die bei der richtigen Positionierung des iPhones ziemlich gut klingen. Ich mag die recht krass arbeitende Kompression.“ Ein zusätzliches Arbeitswerkzeug ist für ihn die App Cleartune, um Instrumente zu stimmen und die Foto-App, um Einstellungen des Mischpults später wieder aufrufen zu können.
Berend Intelmann
Der Berliner war lange Zeit Teil der Band Paula, schrieb deren Lieder und produzierte diverse Platten des Pop-Duos. Intelmann arbeitet als Produzent auch für andere Künstler (Missin-cat, Jens Friebe, Fotos, Soffy O. u. a.) sowie für Unternehmen wie Coca-Cola, BMW, Amazon oder VW.
Sten Servaes
Sercaes ist Komponist, Produzent und Musiker bei der Band Klee, die bislang acht Alben veröffentlicht, Konzerte mit Künstlern wie The Wedding Present, Ich & Ich oder Nena gespielt und unter anderem Tourneen durch England, Russland und China absolviert haben.
Max Spallek
Nach erten Meriten als Sänger und Songschreiber der Bands Ear Movement und Das süße Leben schrieb Spallek Lieder für diverse andere Künstler und arbeitet seit einigen Jahren u.a. als Produzent für Sounddesign für Firmen wie RTL2.
Schnittstellen
Wer seine iPhone-Musikaufnahmen etwas besser kontrollieren möchte, greift zu sogenannten Interfaces, also Schnittstellen, mit denen man sich nicht auf das Mikrofon des Smartphones verlassen muss. Will man zum Beispiel eine Akustik-Gitarre mit dem iPhone aufnehmen, ist das iRig Acoustic (60,99 Euro) Interface der Firma IK Multimedia ein wertvoller Begleiter. Zur Installation befestigt man den iRig Clip am Schallloch (funktioniert auch mit Akustik-Bass und Ukulele), steckt das Kabel in den Kopfhörerausgang des iPhone und kann nach der Installation einer kostenlosen zugehörigen App aufnehmen. Zwar bietet IK Multimedia auch zahlreiche kostenpflichtige Apps an, doch die Gratis-Anwendungen bieten viele Funktionen und das Gerät ist kompatibel mit GarageBand und anderen Musiker-Apps aus dem App-Store.
Ganz ähnlich funktioniert das iRig 2 Guitar Interface (49 Euro), welches speziell für E-Gitarren und E-Bässe gedacht ist. Das feuerzeuggroße iRig 2 kann nach einer einmaligen Einrichtung als Plug’n’Play-Werkzeug verwendet werden. Die Eingangslautstärke lässt sich regeln und man kann die Gitarre über einen zusätzlichen Ausgang sogar an einen echten Verstärker anschließen, ohne einen Adapter zu benötigen. Das Interface ist kompatibel mit zahlreichen Apps, wer allerdings die volle Bandbreite der IK-Anwendungen genießen will, sollte zwischen 30 und 40 Euro zusätzlich einplanen.
Einen Schritt weiter kann man mit dem Motiv MVi Interface von Shure (129 Euro) gehen. Es verfügt über einen kombinierten XLR- und Klinkeneingang. Somit können sowohl Mikrofone als auch Instrumente wie Gitarre, Bass oder Keyboard angeschlossen und genutzt werden. Auf der Frontseite des robusten Metallgehäuses befindet sich ein Touch Panel, auf dem die Lautstärke sowie Presets für Gesang oder Instrumente eingestellt werden können. Mit der dazugehörigen kostenlosen App lassen sich zusätzlich EQ-Feinabstimmungen, Pegel-, Limiter- und Kompressoreinstellungen vornehmen.
Der Berliner Moses Schneider ist für seine innovative Herangehensweise seit über zwanzig Jahren bekannt. Er produzierte diverse Platten von Bands wie den Beatsteaks, Tocotronic, Turbostaat oder AnnenMayKantereit sowie Künstlern wie Olli Schulz und Dendemann und wurde von Strokes-Produzent Gordon Raphael „der Albert Einstein der Live-Aufnahme“ genannt. Außerdem schrieb er ein Buch über Aufnahmetechniken namens „Das etwas andere Handbuch (oder How to pimp my Übungsraum)“.
Mac Life: Was sind deine Lieblingsmikros, mit denen du Bands aufnimmst?
Moses Schneider: Da gibt es viele Favoriten, weil das Thema sehr komplex ist. Ein SM57 von Shure sollte man aber immer dabei haben, das ist nie verkehrt und perfekt für alle Aufnahmen, wo man das Mikro direkt vor die Quelle packt. Oder ein U47 ... (lacht) (Anm. d. Red.: Sehr berühmtes und extrem teures Mikrofon aus den 1940er-Jahren).
Mac Life: Es gibt Produzenten, die über das iPhone und moderne, schnelle Aufnahmemöglichkeiten die Nase rümpfen. Wie stehst du dazu?
Moses Schneider: Nö nö nö, es gibt ein sehr wahres englisches Zitat: Never blame the system you’re working with. Ich würde immer sagen: Was auch immer du hast, ist super. Performance schlägt Sound!
Mac Life: Könntest du dir vorstellen das iPhone allein oder in Verbindung mit komplementären Mikros und Instrumenten bei einer professionellen Produktion einzusetzen?
Moses Schneider: Ich würde es einsetzen, als Mikro, die rudimentären Einstellungen nutzen und alles auf „11“ drehen. Ich kann mir das als eigenen Charakter oder eigene Kennlinie in der Musik sehr gut vorstellen.
Noch variabler bei gleichbleibender Portabilität ist man nur mit dem iRig Pro DUO (244 Euro). Das Gerät hat zwei kombinierte XLR-/Klinkeneingänge mit individueller Lautstärkeregelung, um simultan zwei Quellen aufzunehmen. Darüber hinaus bietet das DUO eine Reihe wertvoller Funktionen wie Monitorausgänge, Vorverstärker in sehr guter Qualität, 48V-Phantomspeisung und die Möglichkeit das Gerät mit zwei (mitgelieferten) Batterien zu betreiben. All diese Gadgets lassen sich in der kleinsten Tasche mitführen, schnell anschließen und sind perfekt geeignet für spontane Einfälle und Demos, ob im Park, im Übungsraum oder bei einem Camping-Trip.
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