Mittlerweile dürfte die Zahl von Abmahnungen, die sich vor allem auf das Verbreiten von urheberrechtlich geschützten Werken oder Leistungen (Tonträger, Filme usw.) über P2P- Tauschbörsen gründen, in die Millionen gehen. Dabei hat sich ja bereits herumgesprochen, dass das Verteilen urheberrechtlich geschützten Materials über Tauschbörsen ohne Erlaubnis erstens verboten und zweitens auch risikoreich ist, da längst treffsichere Ermittlungsverfahren existieren. Aber was nützt es schon, dass man selbst das Urheberrecht brav beachtet, wenn Mitnutzer des eigenen WLAN – Freunde, Kinder, Ehepartner und Unbefugte – über das eigene Netz zum Beispiel Filesharing betreiben? Da ist der Anschlussinhaber oft der Dumme, denn er erhält die Abmahnung. Die Frage, ob er in diesen Fällen auch haftet, wird unter Laien meist unter dem Stichwort „Störerhaftung“ diskutiert – was oft nicht treffend ist.
Störer- statt Täterhaftung
Tatsächlich ist es nämlich so, dass in den meisten Filesharing-Fällen obiger Konstellation sich der Anschlussinhaber geradezu wünscht, als so genannter „Störer“ in Anspruch genommen zu werden, das heißt: ohne eigenes Verschulden für das Verhalten Dritter geradestehen zu müssen. Ich stelle mir an dieser Stelle das Stirnrunzeln des geneigten Lesers vor: „Wie bitte? Warum sollte sich jemand so etwas denn bloß wünschen?“
Nun, die Alternative lautet in aller Regel nicht „keine Haftung“, sondern „Täterhaftung“. Mit anderen Worten: in den Fällen, in denen der Anschlussinhaber für die Aktivitäten eines Dritten in Anspruch genommen wird, ist er erst selbst einmal Täter. Und die Täterhaftung ist, kurz gesagt, teurer als die des Störers. Wenn Ihnen diese Erklärung zu umständlich ist, können Sie sich dazu die Szene von Monty Python‘s „Life of Brian“ in Erinnerung rufen, in der sich Brian als Glückspilz beschimpfen lassen muss, da er im Gefängnis nur geschlagen und nicht auch noch falsch herum aufgehängt wurde.
Eine Täterhaftung abzuwehren, setzt also voraus, dass der von einer Abmahnung Betroffene einen Sachverhalt plausibel machen kann, aus dem sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass ein Dritter und nicht er selbst die abgemahnte Rechtsverletzung begangen hat.
Wie weit hier Ross und Reiter vom Abgemahnten zu nennen sind, das ist eine Frage, an der sich auch bei den Gerichten die Geister scheiden, und die auch der BGH in seiner „Bearshare“-Entscheidung (Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12) nicht abschließend geklärt hat.
Erst wenn diese Schwelle, die „sekundäre Darlegungslast“, überwunden ist, kommt der Betroffene aber überhaupt in die Verlegenheit, rechtlich zu argumentieren, ob und inwieweit er für das Verhalten Dritter haftet – oder eben nicht: Wer seinen Anschluss mit volljährigen Familienangehörigen teilt, soll sich erst einmal darauf verlassen können, dass diese sich rechtskonform verhalten und für deren Rechtsverletzungen nicht haften. Dasselbe wurde auch für Jugendliche entschieden, die ihrem Alter gemäß normal entwickelt sind. Auf der sicheren Seite ist man, wenn Mitnutzer des Anschlusses über ihre Pflicht, sich rechtskonform zu verhalten, belehrt.
Vorteil für Gewerbetreibende
Zur Begrenzung der Störerhaftung gibt es außerdem einen derzeit viel diskutierten Referentenentwurf der Bundesregierung. Der betrifft allerdings allein Fälle, in denen sie Gewerbetreibende behindert, also zum Beispiel Cafés, Hotels und Vermieter von Ferienwohnungen, die ihren Gästen einen WiFi- Zugang zum Internet gewähren – die sich allerdings schon bisher wenig Sorgen machen mussten, da Gerichte Sicherungsmaßnahmen meist für unzumutbar hielten und eine Haftung verneinten. Der Entwurf steht außerdem in der Kritik, weil er Verbraucher gerade nicht schützt, die man mit guten Gründen als besonders schutzbedürftig ansehen kann.
Wer diesen Text aufmerksam gelesen hat, versteht aber: dort, wo der Verbraucher nicht als Störer, sondern als Täter haftet, hilft ihm die Beschränkung der Störerhaftung ohnehin keinen Schritt weiter.
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