Das Internet kennt keine Grenzen? Als deutsche Politiker vor Jahren Onlineshops aus Österreich den Handel mit Computerspielen verbieten wollten, bekam dieses Selbstverständnis schwere Risse. Netflix als global agierender Anbieter von Videostreaming-Inhalten ist wegen seines Geschäftsmodells ein Verfechter der regionalen Abschottung. Hollywoods Rechtewahrer waren sicher mit ein Grund dafür, dass Anfang des Jahres technische Maßnahmen gegen VPN-Anbieter ergriffen wurden. Diese sollten verhindern, dass US-Inhalte außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika angesehen werden können. Damit können Rechteinhaber den Fernsehmarkt in einer globalen Welt regulieren und regional andere Konditionen aushandeln.
VPN-Anbieter streichen die Segel
Anfangs gaben sich Dienstleister wie UnoTelly oder UFlix noch kämpferisch, wollten mit der Zeit Möglichkeiten ausloten, wie man trotz Netflix’ Maßnahmen das eigene Angebot aufrecht erhalten kann. Das scheint sich, gut ein halbes Jahr später, geändert zu haben.
Der kanadische Tech-Analyst Patrick O’Rourke behauptet gegenüber CBC, dass Netflix „gewonnen“ habe. Er gelangt zu dieser Ansicht, weil selbst einige Anbieter, die ursprünglich „niemals“ die Segel streichen wollten, es nun scheinbar doch getan haben.
Der in Australien ansässige Anbieter UFlix gesteht in einem eigenen Blogbeitrag die Niederlage ein. Man habe sieben Monate lang versucht, sich gegen die Netflix-Maßnahmen zu wehren. Das sei jedoch sehr zeitaufwändig gewesen und zudem sehr teuer. Um etwaigen Banns zuvorzukommen, betrieb man immer auch Ausweich-Netzwerke. Falls Netflix eines Tages die Daumenschrauben weniger stark anziehen würde, würde man den Service für die Plattform wieder anbieten. Im März hieß es noch, man werde nicht kapitulieren.
In der Öffentlichkeit hat der Anbieter Unblock-Us bislang eine Stellungnahmen zu dem Thema vermieden. Doch sowohl auf Facebook als auch Twitter kann man seit einiger Zeit Nutzerkommentare lesen, die darauf schließen lassen, dass der Service den Kampf ebenfalls aufgegeben hat. Auf Facebook hat der Anbieter zudem Netflix-relevante Einträge von Nutzern entfernt oder zumindest unsichtbar geschaltet. Dort wimmelte es von Problemmeldungen. Letztes Jahr um diese Zeit warb der Anbieter über seine Webseite noch „Unblock Everything on Netflix, Spotify, Hulu and More“, wie man im Internet-Archiv glücklicherweise nachhalten kann. Heute versucht der Anbieter sich stattdessen mehr als VPN-Anbieter zu positionieren, der das Tracking im Internet umgehen hilft und zensierte Inhalte sichtbar machen kann.
Aus Kanada betreibt der Anbieter UnoTelly seinen VPN-Service; der Autor des Artikels hat diesen vor Jahren im Rahmen seiner früheren Tätigkeiten ebenfalls mit Netflix getestet. Mitte Januar zeigte der Anbieter sich noch kampfeslustig und warb offensiv damit, dass Nutzer die „virtuellen Grenzen“ bei Netflix überschreiten könnten. Heute, einige Monate später, ist die Werbung verschwunden und weist der Anbieter im Kleingedruckten darauf hin, dass das Überschreiten der virtuellen Grenzen „illegal“ sei.
Auf der Facebook-Seite UnoTellys häuften sich Beschwerden von Nutzern. Doch irgendwann gab es auf die vielen Kommentare seitens des Anbieters keine Reaktion mehr.
Preisanstieg bei Netflix
Inwiefern die zunehmende Geo-Restriktion bei Netflix von den Nutzern als akzeptabel empfunden wird, ist unklar. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Netflix im Sommer die Preise für Bestandskunden seiner Plattform ebenfalls erhöht hat.
Allerdings haben noch nicht alle VPN-Anbieter aufgegeben. Aus der Türkei heraus agiert der Service Getflix, der weiterhin behauptet, Nutzer könnten darüber Netflix in anderen Ländern konsumieren. Zwar gibt es auch bei diesem Anbieter eine Menge Kundenbeschwerden in den Sozialen Netzwerken, doch gegenüber CBC hat man per E-Mail angekündigt, eine Lösung präsentieren zu wollen. Diese soll es Netflix unmöglich machen, den Service zu blockieren.
Hoffnung für Europa?
Während man als Europäer in Zukunft wohl US-exklusive Inhalte nicht mit Hilfe von technischen Maßnahmen wird anschauen können, gibt es allerdings Hoffnung auf ein europaweit zugängliches Angebot, wenngleich keines, das inhaltlich identisch sein muss. Wenn Sie als Kunde von Netflix gerade im Europa-Urlaub sein sollten, können Sie trotz validem Abo nicht auf Ihre Inhalte zugreifen. Doch die Europäische Union möchte das ändern und strebt eine politische Lösung an. Ein wichtiger Termin war das Zusammenkommen des EU-Ministerrats am 26. Mai 2016. Mac Life hat für Sie recherchiert, dass sich die Minister tatsächlich auf den Entwurf haben einigen können. Nun gibt es einen Vorschlag der EU-Kommission, der allerdings noch auf den Weg gebracht werden muss. Es ist die Rede davon, dass dieser 2017 in Kraft treten könnte. Dann könnten Sie als Bürger der EU „digitale Inhalte“ auch im Ausland genießen, sofern Sie dafür „bezahlen“. Möglich machen soll dies ein dem „Roaming“ ähnliches Verfahren.
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