Das neue MacBook im Test: Ein Mac für Avantgardisten

Apple hat sich einen Ruf als Firma gemacht, die Produkte für die Zukunft entwirft. Der allererste iMac war so ein Beispiel. Oder das erste MacBook Air. Mac-Life-Redakteur Sebastian Schack hat nun das neue MacBook mit 12 Zoll-Retina-DIsplay, das (fast) komplett ohne Anschlüsse auskommt, getestet und hält es für die Zukunft. Lesen Sie den ausführlichen Test von Apples neuem MacBook bei uns auf Maclife.de

Von   Uhr

Das neue MacBook ist in jeder Hinsicht anders. Das fällt schon beim ersten Blick auf. Denn erstmals seit dem schwarzen Plastik-MacBook gibt es wieder die Möglichkeit der Farbauswahl bei Apples Laptops. Wenig überraschend bietet Apple die Optionen Silber, Gold und Space-Grau an – analog zu iPhones und iPads. Silber ist dabei sicherlich die langweiligste Option, ähnelt das Gerät dann doch sehr den aktuellen MacBook-Air- und MacBook-Pro-Modellen.

Dünner und leichter als das Air

Mit dem neuen MacBook kommt Apple ein bisschen in Erklärungsnot in Sachen Namensgebung. Zuletzt war das MacBook das Standardmodell. Darüber gab es das MacBook Pro (schwerer, mehr Power), darunter gab es das MacBook Air (leichter, weniger Power). Jetzt ist das vom Namen her mittlere Modell nach ganz unten gerutscht (noch leichter, weniger Power). Aber sei’s drum. Mein Verdacht ist, dass entweder das neue MacBook das MacBook Air innerhalb von zwei Jahren ersetzen wird, oder dass Apple die Namen-Geräte-Zuordnung mit dem nächsten Update wieder in Ordnung bringen wird.

Die Abmessungen des neuen MacBooks sind der reine Wahnsinn. An der dicksten Stelle misst es gerade einmal 1,31 Zentimeter und bringt bei einer Standfläche von ca. 28 x 19,7 Zentimetern nur noch sagenhafte 920 Gramm auf die Waage. Zum Vergleich: Das erste iPad wog 730 Gramm, das aktuelle MacBook Air mit 11-Zoll-Bildschirm wiegt ungefähr 90 Gramm mehr als das MacBook.

Rein von den Äußerlichkeiten her enttäuscht das neue MacBook lediglich in einer einzigen Hinsicht: Das Apple-Logo auf der Rückseite des Deckels leuchtet nicht mehr. Genau wie bei iPhone und iPad prangt dort ein spiegelndes Logo.

Anschlüsse

Um ein MacBook so dünn zu konstruieren, musste Apple ein paar Kompromisse eingehen. Der markanteste Schritt in dieser Richtung ist sicherlich der Wegfall praktisch jeglicher Anschlüsse. Auf der linken Seite befindet sich noch ein USB-C-Anschluss, auf der rechten Seite eine 3,5-Millimeter-Buchse für Kopfhörer und Headsets.

Damit ist das MacBook fast schon so etwas wie ein iOS-Gerät auf dem das „echte“ OS X läuft. Mit dem Unterschied, dass bei „echten“ iOS-Geräten statt der USB-C- eine Lightning-Buchse verbaut ist. Damit ist das neue MacBook so minimalistisch, wie es nur geht. Zumindest bis sich das kabellose Laden von Akkus auch bei Computern lohnt und durchsetzt.

Ich persönlich komme mit dem vermeintlichen Mangel an Anschlüssen sehr gut klar. Im Büro benötige ich lediglich einen Anschluss für ein externes Display. Externer Speicher befindet sich sowohl im Büro als auch daheim im Netzwerk und muss nicht direkt mit dem Mac verbunden werden. Auch sonstiges kabelgebundenes Zubehör nutze ich kaum. Lediglich um den Speicher meiner digitalen Spiegelreflexkamera auszulesen, bräuchte ich noch einen weiteren Adapter. Inzwischen sind aber auch SD-Karten mit integriertem WLAN erschwinglich, so dass das vielleicht sogar die komfortablere Wahl wäre.

Einer Sache trauere ich aber doch ein wenig nach: MagSafe. Der Stromstecker meines MacBook Pro schnappt elegant fest und lässt sich genauso leicht mit einer Hand wieder lösen. Beim USB-C-Anschluss im MacBook benötigt man zwei Hände, um den Stecker wieder zu lösen.

Anderswo hört man häufig das Argument, dass jetzt das MacBook auch wieder vom Tisch gerissen werden kann, wenn jemand über das Kabel stolpert. Ja, theoretisch mag das ein Argument sein. Der Akku des Geräts hält aber so lange durch, dass man es eigentlich nicht unterwegs, also in „Gefahrenzonen“, laden muss. Auch in dieser Hinsicht wird das MacBook ein Stück weit zum iOS-Gerät.

Nett ist, dass Apple zumindest die LED im MagSafe-Stecker, die darüber Auskunft gibt, ob der Mac korrekt angeschlossen ist und lädt, in anderer Form beibehalten hat: Das MacBook gibt ein (ebenfalls iOS-Geräte-ähnliches) Geräusch von sich, wenn es mit einer Stromquelle verbunden wird.

Tastatur

Gewöhnungsbedürftiger als die geringen Anschlussmöglichkeiten war für mich die Tastatur. Denn hier hat Apple ebenfalls alles getan, um Platz zu sparen. Die Tasten sind flacher als zuvor (dafür deutlich größer) und sie versinken beim Tippen dank des neuen Schmetterlings-Mechanismus’ kaum mehr im Gehäuse. Besonders wenn man verhältnismäßig schnell tippt (ich liege bei ca. 95 Wörtern pro Minute) hat man oft das Gefühl, eine Taste nicht hinreich getroffen zu haben, weil das Gerät einem so wenig Feedback gibt.

Nach ungefähr einem Tag hatte ich mich aber daran gewöhnt und bin inzwischen soweit, dass ich herkömmliche Tasten, also beispielsweise die im MacBook Pro, unnatürlich finde und das Gefühl habe, dass man viel zu viel Kraft aufwenden muss, um sie zu betätigen.

Trackpad

Ebenfalls neu ist das Force Touch Trackpad. Unter der Glasoberfläche verbergen sich gleich zwei neue Technologien. Zum Einen ist das Trackpad jetzt nämlich druckempfindlich. Das heißt, der Mac registriert, wie stark man auf die Glasfläche drückt und kann entsprechend unterschiedliche Aktionen auslösen. Während ein leichtes Berühren ein einfaches Klicken u

ist, könnte beispielsweise ein stärkeres Drücken einen Kontext-Klick auslösen. In QuickTime kann man durch stärkeres Drücken auf die Vorspultaste die Vorspulgeschwindigkeit erhöhen. Viele weitere Anwendungszwecke sind denkbar. Zum Beispiel das automatische Wählen eines breiteren Pinsels in Zeichenprogrammen, wenn man stärker auf das Trackpad drückt.

Darüber hinaus steckt eine Technologie namens Taptic Engine im Trackpad. Der Name „Taptic Engine“ fiel zuerst im Zusammenhang mit der Apple Watch. Dort sorgt der Taptic-Motor für das leichte Vibrieren oder besser: Klopfen auf dem Handgelenk. Eine Abwandlung davon steckt nun auch im Trackpad und übernimmt dort eine Aufgabe, die auf den ersten Blick völlig irre erscheint: sie lässt das Trackpad horizontal rütteln. Dieser Schritt verhilft Apple zu einem kleinen Zaubertrick. Die Glasfläche des Trackpads lässt sich nämlich nicht mehr herunterdrücken. Bei stärkerem Druck biegt sich das Material natürlich schon ein wenig, aber es lässt sich eben nicht mehr physikalisch Klicken wie zuvor. Das spart wieder ein paar Millimeter. Da Menschen das Herunterdrücken des Trackpads aber offenbar mögen, simuliert Apple das Gefühl des Herunterdrückens der Glasfläche durch das seitwärtige Vibrieren. Dazu ertönt ein klassischer Klick-Klang aus einem Lautsprecher. Das mag ebenfalls irre erscheinen, stimmt aber: Wenn das MacBook ausgeschaltet ist, kann man auf dem Glasfläche herumdrücken so viel man will, man spürt und hört kein Klicken.

Das alle ist aber nur faszinierend, wenn man es sich einmal klar vor Augen führt. In der Praxis merkt man davon praktisch nichts. Die ersten Paar Klicks mit dem Trackpad fühlen sich noch etwas ungewohnt an, nach ein paar Minuten fühlt sich aber alles so an, als wäre es nie anders gewesen.

Reicht die Leistung?

In dem neuen MacBook steckt in Core-M-Prozessor von Intel mit 1,1 GHz. (1,2 und 1,3 GHz optional). Dieser Prozessor ist in erster Linie darauf ausgelegt, effizient und kühl zu arbeiten. So kühl, dass das MacBook komplett ohne Lüfter auskommt. Es ist immer komplett leise.

Dafür ist er allerdings nicht besonders schnell. Sowohl gemessen am MacBook Pro als auch am MacBook Air. Mit Geekbench 3 konnten wir 2532 Punkte im Single-Core- und 4633 Punkte im Multi-Core-Modus erzielen. Das ist so in etwa auf dem Niveau eines MacBook Air von 2010.

Die Grafikleistung des Intel HD Graphics 5300 Chips liegt deutlich über dem Leistungsvermögen von „damals“. Das muss aber auch so sein, schließlich will ein 12-zölliges Retina-Display angetrieben werden. Allzu große Erwartungen an die Grafikperformance in Programmen sollte man aber trotzdem nicht haben. Mit der Befeuerung des Displays mit Informationen ist der Grafik-Teil des Intel-Chips schon ganz gut beschäftigt.

Bei meinen Tätigkeiten kam mir das MacBook allerdings nie träge vor. Ich arbeite aber natürlich auch vor allem mit Texten, surfe im Web und bearbeite gelegentlich ein paar Fotos in der neuen „Fotos“-App.

Akkulaufzeit

Bei der Akku-Laufzeit überzeugt Apple wieder und wie gewohnt auf ganzer Linie. Apple gibt hier 9 Stunden bei drahtlosem Surfen und 10 Stunden bei der Wiedergabe von iTunes-Filmen an. Beide Werte konnten im Test um rund eine Stunde übertroffen werden. Das löst dann vielleicht auch das Problem der Menschen, die Angst haben, dass andere Menschen über das angeschlossene USB-C-Kabel zur Stromversorgung stolpern und das Gerät vom Tisch reißen. Dieses MacBook wird sich für die meisten Menschen in Akku-Fragen wie ein iPad verhalten: Man benutzt es einfach nicht (oft) am Strom. In der Regel wird man es im Alltag über Nacht laden und tagsüber einfach ohne Stromzufuhr nutzen.

USB-C

Der neueste Stecker-Streich von Apple heißt USB-C. Dabei ist der neue Standard mitnichten eine Apple-Eigenentwicklung, sondern gehört zum allgemeinen USB-Standard. Das lässt auch darauf hoffen, dass schon bald sämtliche Zubehörsteller Geräte mit eben diesem Stecker im Angebot haben werden. Zu eindeutig sind die Vorteile von USB-C. Schließelich lässt sich darüber praktisch alles erledigen: Das Laden von Geräten ebenso wie das Übertragen von Dateien auf externe Festplatten oder Videos auf Fernseher und Beamer.

Komplettkabelfrei

Viele mag es abschrecken, dass sich im Prinzip nichts mehr an das MacBook anschließen lässt. Zumindest nicht ohne Adapter. Zum Einen sei gesagt, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis Zubehör auch mit USB-C-Stecker geliefert wird. Zum Anderen ist das MacBook ein Blick in die Zukunft; zumindest in die Zukunft, wie Apple sie sieht. Und die ist eben (größtenteils) kabelfrei. Was noch fehlt ist die kabelfreie Stromzufuhr. Induktionslade-Platten sind in der Hinsicht aber schon mal ein guter Schritt und sicherlich innerhalb weniger Jahre auch für größere Geräte, wie eben ein MacBook, verfügbar.

Fazit

Dieses MacBook ist ein Gerät, auf das man, ähnlich wie jetzt beim MacBook Air, einst zurückblicken und sagen wird: „So hat das damals angefangen.“ Es ist ein Gerät, das für einen Einstiegspreis von 1449 Euro weit weniger Menschen befriedigen wird, als es das 13 Zoll große MacBook Air für bereits 100 Euro weniger tut. Es ist ein MacBook für Avantgardisten, wie dereinst das erste MacBook Air. Wer diese Gerät kauft, weiß genau, was er tut und wird deshalb auch nicht enttäuscht werden. 

Es darf niemanden verwundern, wenn diese Geräteklasse in zwei Jahren das Standard-MacBook für einen Großteil der Käufer sein wird.

Testergebnis
Produktnamedas neue macbook im test
HerstellerApple
Webseitewww.apple.com
Pro
  • extrem kompakt und portabel, Retina-Display
Contra
  • verhältnismäßig wenig Power fürs Geld
Bewertung
1,9gut

Mehr zu diesen Themen:

Diskutiere mit!

Hier kannst du den Artikel "Das neue MacBook im Test: Ein Mac für Avantgardisten" kommentieren. Melde dich einfach mit deinem maclife.de-Account an oder fülle die unten stehenden Felder aus.

Ein gut geschriebener Artikel, der das neue MacBook prima auf den Punkt bringt.

Das MacBook hat viel mehr Leistung, als ich erwartet hatte. Habe mit der 1,3Ghz-Variante problemlos in Final Cut Pro ein Interview geschnitten. Also klar, Bildstabilisierung dauert schon etwas, aber wenn man das MacBook rendern lässt, dann läuft Final Cut erstaunlich flüssig! Hätte ich so gar nicht erwartet

"Das neue MacBook im Test: Ein Mac für…komplette Knallfrösche"!

Ich bin mir nicht sicher, ob das neue MacBook tatsächlich so eine Innovation ist. Wie schon bei den 11" Varianten empfinde ich auch einen 12" Bildschirm als zu klein. 13" empfinde ich hier bereits als deutlich angenehmer, vor allem, wenn man professionell mit dem Book arbeiten muss (Anwendungsentwicklung). Mag aber Geschmacksache sein.
Apropos Innovation: Force Touch ist eine nette Idee und auch bei der Tastatur hat man sich offenbar einige Gedanken über ein weiteres mögliches Plus beim Benutzerkomfort gemacht. Auf der Softwareseite passiert mir hingegen zu wenig. Da man das Gerät - wie auch im Artikel geschehen - durchaus als eine art IOS-Gerät mit Mac OS betrachten kann, wäre z.B. Siri in Verknüpfung mit einer echten Arbeitsumgebung eine lohnenswerte Herausforderung gewesen, der man sich aber leider nicht gestellt hat.
Auch hat man meiner Meinung nach zu viel Augenmerk auf "noch leichter und kleiner" gelegt, obwohl die bestehenden Produkte bereits sehr handlich sind.

Die Kommentare für diesen Artikel sind geschlossen.