Die Hightech-Nation

Länderporträt: Innovatives Israel

Israel stand und steht wirtschaftlich vor zwei Herausforderungen: den hohen Kosten für die Abwehr von äußeren Bedrohungen und der Ressourcen-Armut. Dennoch hat es das kleine Land am Mittelmeer den Wandel von einer Agrargesellschaft zu einer Hightech-Nation geschafft und gilt nun weltweit führend bei technologischen Innovationen.

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Krieg und Frieden, Wohlstand und Armut liegen in Israel dicht beieinander. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht vom Nah-Ost-Konflikt berichtet wird. Wie hat es jedoch ein Staat, der noch vor 60 Jahren primär Orangen exportiert hat, geschafft, nun eine der führenden Hightech-Nationen der Welt zu werden? Was macht Israel so innovativ?

Eine besondere Rolle hat dabei das israelische Militär inne. Fast ohne Ausnahme müssen junge Israelis für zwei (Frauen) oder drei Jahre (Männer) Wehrdienst ableisten. Von der Armee werden, oft schon zur Schulzeit, technisch begabte Talente herausgepickt und dann gezielt gefördert. Besonders aus der Elite-Einheit 8200 für Fernmelde- und elektronische Aufklärung gehen viele Gründer von Start-up-Unternehmen hervor.

Aber auch die zivile Nutzung militärischer Entwicklungen hat Israel einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Schon früh erkannte Israel, dass die virtuellen Bedrohungen ebenso gefährlich sind wie die realen. Cyberattacken, Hackerangriffe und digitale Spionage sind neue, elementare Bedrohungen. So ist es nicht verwunderlich, dass das Land führend in Cybersicherheit, Internetsicherheit, der Sicherheit von kritischen Infrastrukturen und der Sicherheit der Industrie 4.0 ist. Das haben auch längst deutsche Unternehmen erkannt, wie das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie (SIT), das seit 2015 mit der Hebrew University Jerusalem an einem Forschungszentrum zur Cybersicherheit arbeitet.

Israel: Zahlen & Fakten

Ländername: Israel (Medinat Jisra’el auf hebräisch, Daulat Isrā’ il auf arabisch)
Fläche: 20.991 km2
Einwohner: 8,4 Mio.
Hauptstadt: Jerusalem (Yeruschalayim/Al-Quds)
Amtssprachen: Hebräisch, Arabisch
OECD-Mitglied: seit 2010
Währung: 1 Neuer Schekel (NIS) = 100 Agorot

Mehr als 250 internationale Unternehmen sind mit Forschungs- und Entwicklungszentren in Israel vertreten. Neben den globalen Giganten Google, Facebook, IBM und Microsoft ist auch Apple in Israel vertreten. Das zweitgrößte Forschungs- und Entwicklungszentrum außerhalb der Vereinigten Staaten wurde im Februar 2015 von Tim Cook in Tel Aviv eröffnet. Über 700 Mitarbeiter zählt Apple nun in Israel. Auch die Deutsche Telekom ist in Israel vertreten. Seit 2006 arbeiten die T-Labs eng mit der Ben-Gurion-Universität in Be’er Scheva, der viertgrößten Stadt Israels, zusammen. Der amerikanische Chiphersteller Intel begann 1974 mit fünf Mitarbeiten in Haifa. Heute ist Intel der größte Arbeitgeber im Technikbereich – mehr als 10.000 Mitarbeiter arbeiten in Israel in Forschungs- und Entwicklungszentren und Chipfabriken.

Investition in Bildung

Schon früh war klar, dass das Know-how und die Ausbildung der Einwohner Israels die größte Ressource des Landes sind. Das sogenannte intellektuelle Kapital wird besonders durch Investitionen in den Bildungsbereich gefördert. Israel setzte rund 6,5 Prozent seines Brutto-Inlands-Produktes 2015 für Bildung ein – Deutschland nur Prozent 4,4 Prozent (der OECD-Durchschnitt liegt bei 5,3 Prozent).

Besonders die Nähe zu Universitäten von Bedeutung ist für den Innovationsvorsprung Israels verantwortlich. Nicht nur die räumliche Nähe, das Technologiezentrum in Be’er Scheva ist in Laufweite der Ben-Gurion-Universität, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Die hohe Dichte an Technologiefirmen und Internet-Start-ups hat dazu geführt, dass der Küstenstreifen zwischen Tel Aviv und Haifa als das „Silicon Valley“ des Nahen Ostens bezeichnet wird, das sogenannte „Silicon Wadi“. Alle großen IT- und Technologie-Unternehmen sind dort vertreten und so liegt der Vergleich mit dem Vorbild in Kalifornien nahe.

Start-up-Szene

Die Start-up-Szene boomt in Israel: Pro Kopf werden die meisten Start-up-Unternehmen gegründet. Rund 6000 Start-up-Firmen gibt es in dem Land, das in etwa die Größe des Bundeslandes Hessen hat. Die meisten davon sind in der Internetbranche zu finden. Zudem meldeten Israelis mehr als 1000 Patente an, in Relation zur Bevölkerung von 8,4 Millionen Einwohnern sind das die meisten Patente pro Kopf. Das zieht auch ausländische Investoren an.

Jüngst hat der deutsche Autohersteller Volkswagen 300 Millionen Dollar in die Taxi-App Gett investiert. In Israel ist es einfach, ein Unternehmen zu gründen. Start-ups erhalten eine umfassende staatliche Förderung, aber auch ausländisches Kapital fließt in die junge, dynamische Gründerszene. Natürlich ist nicht jedes Start-up ein Erfolg, dennoch ist es in Israel keine Schande, zu scheitern. Es wird aus den Fehlern gelernt und dann von vorne angefangen. Mit Erfolg: über 90 Firmen sind an der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq notiert, nur China ist mit mehr Unternehmen gelistet.

Innovationen aus Israel

In einem Land, das zu zwei Dritteln aus Wüste besteht, ist Wasser ein kostbares Gut. Wenn kein Regen fällt, muss das Wasser anderswo herkommen und besonders sparsam eingesetzt werden. Neben Entsalzungsanlagen für Meerwasser wird besonders auf Wasser-Recycling und in der Landwirtschaft auf Tropfbewässerung gesetzt. Die Wasserknappheit hat dafür gesorgt, das Israel nun Vorreiter beim Wassersparen ist und dafür neue Technologien entwickelt und einsetzt.

Diese Innovationsbereitschaft zeigt sich auch in anderen Lebensbereichen. 1996 wurde der erste Instant-Messaging-Dienst im Internet, ICQ, in Israel entwickelt. Auch der überaus praktische USB-Stick ist eine israelische Erfindung. Der Forscher Dov Moran stellte im Jahr 2000 den „USB Flash Drive“ vor. Gestengesteuerte Computerspiele, Lasertastaturen, endoskopische Kapsel-Kameras, Taxi-Ruf-Apps, die Technologie für den unbenannten Flug – all dies sind Innovationen aus Israel.

Smart City

2014 bekam Tel Aviv internationale Anerkennung, auf dem „Smart City Expo World Congress“, der führenden Konferenz in der Welt für städtischen Innovationen in Barcelona, wurde der Stadt der Titel „Smart City“ verliehen. Die zweitgrößte Stadt Israels verfügt über flächendeckendes WLAN. Ob am Strand, in der Innenstadt oder im Park, das kostenlose, kabellose Internet steht Einwohnern und Touristen in rund 80 WLAN-Zonen offen. 2013 startete „DigiTel“, ein Programm das weniger auf Effizienz setzt, als vielmehr auf die Verbesserung der Kommunikation zwischen der Stadtverwaltung und den Bürgern.

Die Informations-Plattform „DigiTel“, auch als App erhältlich, ist für die Vernetzung der Einwohner mit der Kommune zuständig. Ein Online-Bezahlsystem für städtische Dienste gibt es ebenso wie das Erneuern des Parkausweises und die Schulanmeldung für Kinder. Doch „DigiTel“ geht noch weiter. Bei der Anmeldung für den Dienst können Bürger ihre persönlichen Präferenzen und Interessen auf einem geschützten Profil hinterlegen. So erhalten Sie für sich relevante, personalisierte Nachrichten der Stadt. Sie werden an Fristen erinnert, auf Baustellen hingewiesen und können sich aktiv online an ausgewählten städtischen Entscheidungen beteiligen. Kostenlose oder ermäßigte Karten für Konzerte oder Ausstellungen sind nur ein Teil der Angebote und Anreize, die im Austausch für die persönlichen Daten geboten werden.

Das Konzept der „Smart City“ basiert auf Transparenz, Zugänglichkeit und dem aktiven Engagement der Bürger und ist schon jetzt ein voller Erfolg. Jeder Einwohner, der 13 Jahre oder älter ist, kann an „DigiTel“ teilnehmen. Der Antrag ist allerdings nur offline, in einem der vielen Beratungszentren, möglich.

Historische, politische und gesellschaftliche Faktoren haben Israel zu einem Epizentrum für Innovationen gemacht. Aber es sind das junge, dynamische und kreative Ökosystem und die geschaffenen Infrastrukturen, die Israel weltweit attraktiv für Unternehmen machen.

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