Das Social-Imaging-Netzwerk Instagram überarbeitete kürzlich sein Logo. Aus einem kleinen braun-bunten Fotoapparat wurde die reduzierte Kontur desselben Fotoapparats. Aus einem kleinen Bild, einer Ikone, wurde ein Zeichen. Ein Zeichen, das in verschiedenen Farben wiedererkennbar ist. Ein Zeichen, das nicht nur grafisch, sondern universell einsetzbar ist. Ein Zeichen, dessen Bedeutung sich erweitert hat. Denn aus dem Subjekt Instagram entwickelte sich ein eigenes Verb: „instagrammen“.
Man instagrammt so wie man twittert, googelt, whatsappt oder kärchert. In all diesen Fällen wurde ein Markenname zu einem markenspezifischen Verb und eigenständigen Wort mit meist übergreifender Bedeutung (Deonym).
Zeichen versus Buchstaben
153 Apps befinden sich auf meinem iPad. Die habe ich in Kategorien sortiert wie Social Media, Grafik, Visuelles, Hören, Kultur, Tools, Creative, Präsentation, Data und … ja, auch Spiele. Auf kaum einem der 153 kleinen App-Symbole steht der Name der App. Einige präsentieren mitunter den Anfangs-Buchstaben. Aber die meisten tragen nur ein Symbol oder Zeichen. Trotzdem findet meine Zeigefinger-Auge-Koordination stets die richtige App.
Warum? Weil wir evolutionär immer noch auf Muster und Zeichen konditioniert sind. Und weil wir zuerst auf die alte Stelle tippen, wenn wir unsere Apps neu sortiert haben. Entscheidend ist: Wir haben das Symbol oder Zeichen mit seiner Bedeutung gelernt. Selbst Schimpansen sind in der Lage, Zahlen und deren Beziehungen untereinander zu erlernen.
Internationale Verständigung
Ist die Symbolisierung eine Folge der Globalisierung? Definitiv nein. Es gab schon früher Bestrebungen, die Kommunikation international zu vereinheitlichen. Sei es durch klösterliches Latein, Esperanto, Verkehrszeichen oder durch kryptische Waschanleitung in Kleidungsstücken.
Symbol-Sprache IsoType
Die Idee einer internationalen Symbol-Sprache stammt aus den 1920er-Jahren. Otto Neurath und Gerd Arntz entwickelten IsoType (International System of Typographic Picture Education). Und damit einen Vorläufer moderner Piktogramme. Autos, Kleidungs-Stile und technische Geräte veränderten sich im Laufe der Jahrzehnte. Die Regeln, nach denen Neurath Piktogramme definierte, sind jedoch geblieben. Und meist auch heute noch lesbar.
Vor 2 Jahren wollte eine Initiative das Disketten-Icon für „speichern“ durch etwas anderes ersetzen. Geeinigt hat man sich bislang nicht. Die Vorstellungen darüber, was „speichern“ bedeutet, sind heute wahrscheinlich komplexer als zu Floppy-Zeiten. Diese Geschichte zeigt aber: Piktogramme können ihre rein visuellen Eigenschaften überleben. Auch wenn junge Menschen von heute keine Floppy Disk kennen, verstehen sie doch die Bedeutung dieses Icons.
Aktuelle Entwicklungen
Gesellschaftliche und politische Veränderungen wirken sich auch auf Medien und Design aus. Im Bereich „Deutsch als Fremdsprache“ haben Fachverlage 2015 zum Beispiel ihre Auflagen teilweise um 500 Prozent gesteigert. Icoon ist ein Bild-Wörterbuch, das vor allem Reisende nutzen. Via Crowdfunding finanzierte man eine Version für Flüchtlinge. 1.200 Symbole aus Medizin, Ernährung etc. unterstützen Helfer und Flüchtlinge nun bei ihrer alltäglichen Kommunikation.
Ausblick
Wer heute im technologischen Alltag bestehen will, muss ständig lernen. Nicht nur den Umgang mit neuer Software, Medien und Geräten. Sondern auch die Symbole und Zeichen, um die Geräte effizient nutzen zu können. Sie sind eine platzsparende Alternative für regelmäßig genutzte Software, Apps und Funktionen. Außerdem interpretiert man diese Icons schneller, weil man keine geschriebenen Wörter dekodieren muss. Das „Lesen“ von Icons, Piktogrammen, Zeichen und Symbolen nennt man visuelle Semiotik. Sie ist eine Kulturtechnik des 21. Jahrhunderts.
... ist Creative Director bei New Communication. Seit Agentur-Gründung sorgt er für öffentliches Aufsehen mit wegweisenden Designs und Interfaces. Nebenbei lebt er seine Typografie-Leidenschaft aus. Definiert Corporate Designs. Leitet Kreativ-Workshops. Ist Fachbuch-Autor. Und generiert systematisch Ideen im Sekundentakt. Während Sie sich über ihn informierten, waren es übrigens 15 neue.
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Guter Artikel! Und danke fürs «kärchern» als Hinweis darauf, dass gewisse Sprachströmungen nicht einzig und allein der Digitalisierung zuzuschreiben sind.